Das Moskauer Machtgefüge Gazprom und die Politik
28.09.2011, 19:56 Uhr
Medwedew und Putin: Bei Gazprom mischt die Politik mit.
(Foto: picture alliance / dpa)
Gazprom ist Russlands größter Konzern und fest in staatlicher Hand. Der Kreml kann mit Hilfe des Gaslieferanten seine internationalen politischen Interessen durchsetzen. Nun droht Ärger von der EU-Kommission.
Der Westen ist auf Erdgaslieferungen aus Russland in hohem Maße angewiesen. Allein Deutschland importiert rund 40 Prozent seines jährlich Gasbedarfs von dort. Konfliktfrei war das Verhältnis selten. Jetzt nahm die EU-Kommission wegen Wettbewerbsbedenken unter anderem die Niederlassung des staatlichen russischen Gaslieferanten Gazprom in Deutschland ins Visier. Fragen und Antworten zum russischen Gas:
Was ist der zentrale Konflikt zwischen Gazprom und der EU?
Gazprom strebt einen möglichst weitreichenden Einfluss auf die Gasversorgung Europas an. Dagegen gibt es in der Europäischen Union Bestrebungen, die Kontrolle des gesamten System vom Bohrloch bis zum Endverbraucher durch Gazprom einzuschränken. Der Plan sieht auch einen Zugang von Drittländern zum russischen Pipelinenetz vor - aber Moskau will seinen Wettbewerbsvorteil nicht abgeben. Der Kreml kritisiert, dass die EU den Vorstoß von Gazprom auf europäische Märkte blockiere, und fordert einen besseren Zugang.
Wie verfolgt Russland trotzdem seine Ziele?
Mit neuen Großprojekten - der Ostseeleitung Nord Stream und der Pipeline South Stream durch das Schwarze Meer - kann Gazprom bald schneller und direkter Gas nach Westeuropa pumpen. Außerdem wird Russland unabhängiger von Transitländern wie der finanziell angeschlagenen Ukraine oder dem nahezu bankrotten autoritären Weißrussland. Mittlerweile orientiert sich Russland auch Richtung China oder Japan, um bei möglichen Schwierigkeiten mit Europa sein Gas trotzdem zu verkaufen.
Warum verlangt Gazprom von den Kunden unterschiedliche Preise?
Während westliche Kunden oft marktübliche Preise zahlen, gelten für viele Ex-Sowjetrepubliken eher politische Maßstäbe: Enge Partner wie der «Bruderstaat» Weißrussland müssen weitaus weniger überweisen. Dabei nutzt Moskau Gas nach Meinung von Kritikern als politisches Druckmittel, um etwa wie im Fall von Weißrussland Zugriff auf Staatsunternehmen und Netze zu erhalten. Vom reichen Westen will Russland so viel wie möglich kassieren. Schließlich ist das größte Land der Erde fast völlig vom Rohstoff-Export abhängig.
Wie ist das Verhältnis zu den deutschen Abnehmern?
Zwar loben die deutschen Energieversorger regelmäßig die Verlässlichkeit des russischen Partners. Das Verhältnis zwischen Gazprom und den deutschen Abnehmern ist wegen der Koppelung von Öl- und Gaspreis aber schwierig. Derzeit beziehen die Versorger aufgrund langfristiger Lieferverträge russisches Gas zu höheren Preisen als sie an den Spotmärkten zahlen müssten. Das bedeutet Verluste für die deutschen Unternehmen.
Ist Russland zum Entgegenkommen bereit?
Russland verweist stets auf bindende Verträge, kann sich aber grundsätzlich Änderungen vorstellen - gegen politische Zugeständnisse. Während RWE Gazprom im Gegenzug für billiges Gas eine Tür in den deutschen Markt öffnen will, bleibt Eon hart. Die Verhandlungen um günstigere Konditionen zwischen Eon und Gazprom liegen inzwischen bei einem internationalen Schiedsgericht.
Warum wird Gazprom oft als verlängerter Arm des Kreml wahrgenommen?
Die Führungsspitze des Staatskonzerns ist gespickt mit Vertrauten von Ministerpräsident Wladimir Putin, darunter auch Gazprom-Chef Alexej Miller (49). Als Herr über mehr als 80 Prozent der russischen Gasgewinnung und damit fast ein Fünftel der weltweiten Gasproduktion sichert er die wichtigste Einnahmequelle Russlands und dadurch die Macht der politischen Führung.
Quelle: ntv.de, Benedikt von Imhoff und Wolfgang Jung, dpa