EU-Gericht kippt deutsche Regelung Glücksspiel-Monopol unzulässig
08.09.2010, 17:50 UhrSportwetten und andere Glücksspiele sind in Deutschland ein Monopol des Staates - offiziell, um vor Spielsucht zu schützen. Die höchsten EU-Richter intervenieren: Spielsucht werde nicht genug bekämpft, weil die Anbieter für ihre Dienste werben. Ein Freibrief zum Zocken?
Das deutsche Monopol für Lotto, Sportwetten und andere Glücksspiele gilt ab sofort nicht mehr. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied überraschend, die Monopolregelung des Staatsvertrages von 2008 sei "nicht mehr gerechtfertigt".
Nach Ansicht der Luxemburger Richter verstößt sie gegen die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit. Der Gerichtshof begründete seine Auffassung mit der erheblichen Werbung, die die staatlich genehmigten Anbieter von Glücksspielen betrieben. Das Monopol diene also nicht mehr der Bekämpfung der Spielsucht, wie die staatliche Seite stets argumentiert hatte.
Die EU-Richter waren in insgesamt acht Fällen von Gerichten in verschiedenen Bundesländern angerufen worden, um vorzuentscheiden, ob die deutsche Monopolregelung mit dem EU-Recht vereinbar sei. Der EU-Gerichtshof legte fest, dass die bisherige deutsche Regelung "nicht weiter angewandt werden darf", bis eine neue erlassen ist, die mit EU-Recht übereinstimmt.
Geklagt hatten ein Wettveranstalter aus Gibraltar, der seine Wetten über das Internet auch in Deutschland verkaufen will, sowie mehrere Vermittler, die Wetten von Veranstaltern aus Österreich, Malta und Großbritannien im Internet anbieten. Gerichte aus Hessen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein legten die Klagen dem EuGH vor.
Ball nun bei deutschen Gerichten
Grundsätzlich dürfe ein EU-Land den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassungsfreiheit beschränken, wenn damit beispielsweise die Spielsucht bekämpft werden solle, argumentierten die Richter. Mit einem Monopol sei dieses Ziel leichter zu erreichen als mit einer völligen Marktöffnung. Auch müssten nicht alle Glücksspiele gleich behandelt werden.
Von einem tatsächlichen Monopol ist der deutsche Glücksspielmarkt jedoch weit entfernt. Einer Studie des Beratungsunternehmens Goldmedia zufolge lagen die Einnahmen von Glücksspielanbietern 2009 nach Auszahlung von Spielgewinnen, der sogenannte Bruttospielertrag, bei 10,3 Mrd. Euro. Rund jeder sechste Euro davon landete in den Kassen nicht regulierter Anbieter, die etwa über das Internet Glücksspiele anbieten. Besonders eklatant ist die Situation im Bereich von Wetten. Der regulierte Markt über Oddset bzw. Fußballtoto erzielt hier lediglich 14 Prozent der Bruttospielerträge, 86 Prozent entstehen über Onlineanbieter oder Wettbüros.
Nun müssen deutsche Gerichte über die Klagen privater Anbieter gegen das Monopol entscheiden. Die Justiz habe aber "Grund zu der Schlussfolgerung, dass die deutsche Regelung die Glücksspiele nicht in kohärenter und systematischer Weise begrenzt". So betrieben die Inhaber der staatlichen deutschen Monopole "intensive Werbekampagnen, um die Gewinne aus den Lotterien zu maximieren". Sie entfernten sich damit "von den Zielen, die das Bestehen dieser Monopole rechtfertigen".
Diskrepanz zum Generalanwalts-Gutachten
Außerdem erlaubten die deutschen Behörden Kasino- und Automatenspiele, die nicht dem Monopol unterlägen, aber "ein höheres Suchtpotenzial aufweisen". Mit dieser Politik lasse sich "das präventive Ziel des Monopols nicht mehr wirksam verfolgen". Daher könne das Monopol nicht mehr gerechtfertigt werden.
Die EU-Richter wichen mit ihrem Urteil vom Gutachten des Generalanwaltes ab, dem sie in den meisten Fällen folgen. Der Generalanwalt hatte in seinen Schlussanträgen das Monopol als gerechtfertigt bezeichnet, "sofern das dem Monopol unterliegende Spielangebot geringer ist als es bei einem privaten Dienstleistungserbringer bestehen könnte".
Wettanbieter frohlocken
Die Börse reagierte positiv, Aktien der privaten Anbieter gewannen deutlich. Bwin-Papiere waren mit fast 6,0 Prozent im Plus. Die Aktien von Tipp24 sprangen um fast 12 Prozent nach oben, Jaxx-Papiere legten zeitweise um mehr als 40 Prozent zu.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts