Parlamentswahl in Griechenland Granaten auf TV-Sender in Athen
17.06.2012, 17:15 Uhr
Die Schicksalswahl in Griechenland hat Sprengkraft: Unbekannte haben Granaten auf einen TV-Sender in Athen geworfen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Unbekannte werfen Granaten auf einen pro-europäischen TV-Sender, um die Schicksalswahl in Griechenland zu stören, doch die Sprengsätze explodieren nicht. Doch nicht nur deswegen sind die Märkte nervös: Es geht um nichts weniger, als ob Athen den Euro behält oder die Eurozone verlassen muss.
Während der Parlamentswahl in Griechenland sind vor dem Sitz der privaten Medien-Gruppe Skai in der Hafenstadt Piräus zwei Granaten gefunden worden. Unbekannte hatten die Sprengkörper in den Hinterhof des TV-Senders Skai geworfen, sie explodierten jedoch nicht. Sprengstoffexperten rückten an, um die Granaten zu entschärfen. Zuvor hatte ein Unbekannter den Sender angerufen und gewarnt.
Der griechische Regierungssprecher Dimitris Tsiodras verurteilte die Aktion. Die Demokratie lasse sich nicht terrorisieren, erklärte er. Der Sender Skai gilt als proeuropäisch und setzt sich für tiefgreifende Reformen im griechischen Staat ein. Bereits am 5. Juni hatten Unbekannte einige Brandflaschen gegen das Gebäude des Senders geschleudert. Auch damals wurde niemand verletzt. Die Polizei geht davon aus, dass Linksautonome hinter der Tat stecken. Zu der Mediengruppe gehören ein Fernseh- und ein Radiosender sowie die Tageszeitung "Kathimerini".
Die Tat zeigt, welche Sprengkraft die Schicksalswahl in Griechenland und dem Rest der Eurozone entwickeln kann. Ja zum Euro oder Konfrontationskurs zu Europa – um nichts weniger geht es in der Abstimmung. Angesichts eines drohenden Staatsbankrotts müssen die Griechen zum zweiten Mal binnen sechs Wochen über die Zukunft ihres Landes entscheiden. Demoskopen sagten ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Bündnis der radikalen Linken (Syriza) unter Führung von Alexis Tsipras und den Konservativen unter Antonis Samaras voraus.
Tsipras zeigte sich nach der Stimmabgabe in Athen siegesgewiss und erklärte: "Wir haben die Angst besiegt. Heute gehen wir einen neuen Weg, in ein Europa das sich ändert." Samaras erklärte, mit seiner Partei werde am Montag eine "neue Ära" beginnen. "Das Land muss morgen eine Regierung haben", sagte der Chef der Sozialisten, Evangelos Venizelos. Nur eine breite Koalition, eine Regierung der Nationalen Verantwortung, könne das Land aus der Krise führen und es im Euroland halten. Insgesamt sind rund 9,9 Millionen stimmberechtigte Griechen zu den Urnen gerufen. Erste aussagekräftige Ergebnisse werden gegen 21 Uhr erwartet.
Finanzmärkte zittern vor der Schicksalswahl
Sowohl die EU als auch die internationalen Finanzmärkte schauten mit bangem Blick auf den Ausgang der Schicksalswahl. Eine Parlamentsmehrheit für Syrza und deren Verbündete wäre eine Hiobsbotschaft für die Eurozone. Syriza will das mit den Geldgebern vereinbarte Sparpaket einseitig aufkündigen. Allerdings sind die Kredite des Euro-Krisenfonds EFSF und des Internationalen Währungsfonds IWF an Auflagen gebunden. Sollte Griechenland diese nicht erfüllen, droht die EU den Geldhahn zuzudrehen - dann droht die ungeordnete Staatspleite.
Die Euro-Retter streckten dem hoch verschuldeten Land kurz vor der Wahl noch einmal die Hand entgegen: Über die Laufzeit der Athener Sparprogramme könne noch einmal diskutiert werden - über die Inhalte aber nicht, zitiert das Magazin "Focus" aus der Umgebung des Eurogruppen-Chefs Jean-Claude Juncker. Damit wollten die Euro-Retter das proeuropäische Lager in Griechenland um die Konservativen und Sozialisten stärken. Die beiden Parteien wollen das Spar- und Reformpaket zwar umsetzen, aber mit den Geldgebern über Lockerungen und Aufschübe verhandeln.
Merkel will keine Zugeständnisse machen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) signalisierte keine Bereitschaft zu neuen Kompromissen. Sie hoffe auf einen Sieg derjenigen Kräfte in Griechenland, die sich an die getroffenen Vereinbarungen hielten, sagte Merkel. Es könne nicht sein, dass diejenigen, die keine Abmachungen einhielten, "jeden anderen am Nasenring durch die Manege führen". Europa könne nur funktionieren, wenn alle Mitgliedsstaaten sich an Haushaltsdisziplin hielten, sagte Merkel. Mit der bisherigen Praxis "Versprochen - gebrochen - nichts passiert" müsse Schluss sein. "So geht das in Europa unter keinen Umständen weiter".
SPD-Chef Sigmar Gabriel stimmte Merkels Äußerungen im Grundsatz zu. "Was die Sache angeht, hat Frau Merkel recht", sagte Gabriel. Allerdings müsse Griechenland mehr Zeit zur Erfüllung der Auflagen eingeräumt werden. Ähnlich äußerte sich EU-Kommissar Günther Oettinger. "Was den Inhalt angeht, gibt es keine Flexibilität, in Hinsicht auf die Umsetzung aber schon", sagte er der "Welt".
Quelle: ntv.de, hvg/dpa/AFP/rts