Eurogruppe ringt mit Hilfspaket Griechen fordern Signal
20.02.2012, 14:19 Uhr
Sind wir nicht alle ein bisschen Griechenland? Demonstranten in Paris forderten vergangene Woche etwas mehr Solidarität.
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Die Griechen werden ungeduldig: Kurz vor Beginn der Beratungen der Euro-Finanzminister fordert Finanzminister Venizelos Klarheit über das neue Hilfspaket. Griechenland habe "geliefert". Ob darüber heute noch abgestimmt wird, ist offen. Deutschland spricht von Fortschritten, aber auch "noch offenen Punkten".
Die Aussichten für eine Zustimmung der Euro-Finanzminister zu einem zweiten Hilfepaket für Griechenland haben sich verbessert, allerdings knirscht es immer noch in der europäischen Rettungs-Maschinerie. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte in vorsichtigem Wortlaut: "Wir sind zunehmend optimistischer, es ist viel passiert in den letzten Tagen."
Einige Fragen seien allerdings weiter offen, dämpfte er übergroße Zuversicht nach Beratungen der Euro-Partner. Diese offenen Punkte müssten von den Finanzministern der Euroländer bei ihrem Treffen in Brüssel, das heute Nachmittag beginnt, erst noch geklärt werden, ehe das Paket beschlossen werden könne, führte eine Ministeriumssprecherin aus.
Die Griechen forderten angesichts dieser Zurückhaltung endlich Klarheit. Finanzminister Evangelos Venizelos sagte, er erwarte ein "positives Signal" und ein Ende der "langen Unsicherheit". Seine Botschaft lautet: Griechenland hat "geliefert", nun sollen die Gläubiger einem Schuldenschnitt zustimmen und einen neuen Kredit geben.
- 20. und 21. Februar: In Brüssel treffen sich hintereinander erst die Eurogruppe, dann die Finanzminister aller 27 EU-Länder. Die Beratungen sind eine weitere Möglichkeit, die Weichen für die Rettung oder die Pleite Griechenlands zu stellen.
- 1. und 2. März: Der nächste EU-Gipfel ist angesetzt. Zu diesem Zeitpunkt soll Griechenland mit seinen privaten Gläubigern den Anleihenumtausch im Rahmen des Schuldenschnitts abgeschlossen haben.
- 20. März: Griechenland muss Altschulden in Höhe von 14,5 Mrd. Euro zurückzahlen. Hat das Land bis dahin nicht die ersten Zahlungen aus dem neuen Hilfspaket erhalten, steht es vor der Pleite. Die Folge wäre wohl ein Austritt aus der Eurozone.
Sowohl der französische Finanzminister Francois Baroin als auch seine finnische Kollegin Jutta Urpilainen drängten ebenfalls auf eine schnelle Entscheidung in Brüssel. Griechenland habe inzwischen alles zugesagt, was als Voraussetzung für die Hilfen verlangt worden war. Alles liege auf dem Tisch. Man dürfe nun mit einer Entscheidung nicht mehr länger warten, sagte Baroin in einem Radiointerview. Urpilainen wies aber auch auf noch offene Fragen hin. Dabei gehe es insbesondere darum, Griechenland auf mittlere Frist auf einen Schuldenstand zu bekommen, der tragfähig ist.
Knackpunkt Schuldenstand
Ziel der seit Monaten laufenden Verhandlungen ist es, Griechenland mit Hilfsgeldern seiner Euro-Partner und des IWF sowie mit einem Forderungsverzicht privater Gläubiger von einem Schuldenstand von derzeit über 160 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung auf rund 120 Prozent zu bekommen.

Jean-Claude Juncker bleibt skeptisch. Das Gezerre um Griechenland hält an.
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Eine Analyse der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und IWF hatte dem Vernehmen nach aber ergeben, dass er in der geforderten Zeit nur auf 129 Prozent des BIP abgebaut werden könnte. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker warnte davor, dass in diesem Punkt noch viel Arbeit zu erledigen sei.
Erwartet werden vom Finanzministertreffen auch Details zur geplanten Beteiligung der privaten Gläubiger an dem 130 Mrd. Euro schweren Hilfspaket. Geplant ist ein Forderungsverzicht von 70 Prozent, der weitere 100 Mrd. Euro Entlastung für Griechenland bringen soll.
IWF will EZB einbinden
Der Weg zu den anvisierten 120 Prozent ist noch lang. Nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird der Schuldenstand Griechenlands dieses Jahr bei 164 Prozent statt wie bisher vorhergesagt 162 Prozent liegen. Deshalb will der IWF den Eurozone-Finanzministern informierten Kreisen zufolge vorschlagen, die Zentralbanken zu einer Beteiligung an einem Forderungsverzicht zu drängen. Würden beispielsweise die Zentralbanken die im Rahmen ihrer normalen Investitionstätigkeit erworbenen griechischen Staatsanleihen über 12 Mrd. Euro in einen Schuldenschnitt einbringen, könnte das die Schuldenquote um 3,5 Prozentpunkte reduzieren.

Tausende Menschen protestierten in Athen erneut gegen die geplanten Sparbeschlüsse der griechischen Regierung.
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Noch mehr - 5,5 Prozentpunkte - wären es, wenn die Zentralbanken auf Gewinne verzichten würden, die sie mit jenen griechischen Staatsanleihen machen würden, die sie im Rahmen der Staatsanleihekaufprogramms SMP zu Kursen erworben haben, die deutlich unter dem Nennwert lagen. Dabei handelt es sich laut IWF noch einmal um 45 bis 50 Mrd. Euro.
Die Zentralbanken des Eurosystems hatten ihre so erworbenen Anleihen am Freitag gegen neue Papiere umgetauscht, um sich so gegen eine zwangsweise Beteiligung an einem Schuldenschnitt zu schützen. Allerdings könnten die Zentralbanken einen Gewinn aus diesen Papiere, der sich aus der Differenz von Nennwert und Kaufpreis ergibt, an die Regierungen überweisen, die das Geld ihrerseits in das neue Hilfspaket einbringen könnten.
Eine weitere Möglichkeit zur Reduzierung der Verschuldung ist laut IWF die Senkung der Zinssätze, die Griechenland auf die Kredite des ersten Hilfspakets über 110 Mrd. Euro zahlen muss. Die Option würde den Schuldenstand um rund 1,5 Prozentpunkte verringern. Der IWF-Mitarbeiter sagte, denkbar sei auch eine Kombination all dieser Vorschläge.
Der IWF selbst wird sich an dem geplanten neuen Hilfspaket dem Vernehmen nach nur mit 13 von insgesamt 130 Mrd. Euro beteiligen. Nach Informationen der "Financial Times" wollen auch die Regierungen der Eurozone die EZB zu einer Beteiligung an dem Schuldenschnitt bewegen.
Zwischenfälle bei Protesten in Athen
Die Proteste in Griechenland gegen die Sparbeschlüsse der Regierung hielten derweil am Wochenende unvermindert an. Die Polizei in Athen nahm insgesamt 135 Demonstranten vorübergehend fest. Wie der staatliche Rundfunk NET berichtete, waren die meisten von ihnen bei den Zwischenfällen am Vorabend wenig später wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Sechs mutmaßliche Gewalttäter blieben unter Polizeiarrest und sollten am Montag dem Haftrichter vorgeführt werden.
Die Zwischenfälle waren allerdings weniger gravierend, als zunächst befürchtet worden war. Die Polizei hatte in der Umgebung des Parlaments mehrere Straßen gesperrt und U-Bahn-Stationen schließen lassen. An den Protesten gegen die drastischen Einsparungen beteiligten sich weniger Griechen als erwartet. Einem Aufruf der Gewerkschaften zu einer Kundgebung waren etwa 3000 Menschen gefolgt. Am Montag war die Lage in Athen ruhig.
Quelle: ntv.de, ddi/rts/DJ/dpa