"Umsturz des Sparprogramms" Griechen gehen auf die Straße
06.11.2012, 12:05 Uhr
Geschlossen: In und um Athen stehen Nah-, Flug- und Fährverkehr still.
(Foto: AP)
In Griechenland steht das öffentliche Leben still: Hunderttausende legen aus Protest gegen neue Spareinschnitte ihre Arbeit nieder. Wieder soll es hauptsächlich Rentner und Arbeitnehmer treffen. Gewerkschafter rufen offen zum "Aufstand" gegen das Sparprogramm auf. Ein zweitägiger Generalstreik legt das Land weitgehend lahm.

Angekündigt sind 48 Stunden Generalstreik: In engen Reihen ziehen Demonstranten in Richtung Parlament.
(Foto: REUTERS)
Die Geldgeber und die Regierung in Athen drehen noch einmal die Sparschraube fester. Weitere 13,5 Mrd. Euro sollen die Griechen in ihrem Staatshaushalt bis 2014 einsparen. Aus Protest gegen Kürzungen von Renten und Gehältern haben umfangreiche Streiks in Griechenland begonnen. Am Mittwoch soll das Parlament über das abstimmen. Die Parlamentssitzung dürfte spannend werden: Es wird mit vielen Abweichlern gerechnet.
Erst am Vorabend hatte die griechische Regierung nach mehrmonatigen Verhandlungen mit ihren internationalen Geldgebern ihr neues Sparprogramm vorgelegt. Es sieht weitere Einschnitte bei den Bezügen von Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst und beim Kindergeld vor.
Am schwersten trifft es die Rentner: Pensionen und Renten sollen zum vierten Mal innerhalb von drei Jahren gekürzt, das Weihnachtsgeld für Rentner und Staatsbedienstete gestrichen werden. Die Gewerkschaften rechneten bereits aus, dass diese Kürzungen im Durchschnitt 2000 Euro Einkommensverluste für die Rentner bedeuten.
Kein Taxi, kein Bus, keine Fähre
Auch die Staatsbediensteten sollen bis 20 Prozent ihres Einkommens verlieren. Der Chef einer Klinik soll beispielsweise künftig 1665 Euro monatlich verdienen. "Und damit glauben sie, dass sie betreiben werden", sagte der Chef der Gynäkologischen Klinik von Athen, Giorgos Farmakidis.
Zu den Streiks haben die beiden größten Gewerkschaftsverbände des privaten (GSEE) und des staatlichen Sektors (ADEDY) aufgerufen. Vor allem im staatlichen Bereich ging am Dienstag nichts. Sämtliche Ministerien und die Schulen wurden bestreikt. Auch die Fähren, die U-Bahnen, die Busse und die Straßenbahnen wurden lahmgelegt.
Im Flugverkehr kam es zu erheblichen Behinderungen, weil die Fluglotsen zwischen 09.00 Uhr und 12.00 Uhr (MEZ) die Arbeit niederlegten. Dutzende Flüge fielen aus. Auch die Taxifahrer haben die Handbremse angezogen. Ärzte behandeln nur Notfälle.
Protestzüge in Richtung Parlament
Um die Mittagszeit gingen mehrere Tausend Menschen auf die Straßen, um gegen das Sparprogramm zu protestieren. "Aufstand für den Umsturz des Sparprogramms", skandierten Mitglieder der Kommunistischen Gewerkschaft PAME. Die Polizei zog aus Angst vor Ausschreitungen starke Einheiten im Zentrum Athens zusammen.
Die Streiks werden voraussichtlich auch noch bis zur Wochenmitte andauern. Am späten Mittwochabend soll das Sparpaket im Parlament vorgelegt und mit der Regierungsmehrheit gebilligt werden. Zahlreiche Abgeordnete haben bereits Zweifel angemeldet. Von den 176 Abgeordneten der Koalition aus Konservativen, Sozialisten und der Demokratischen Linken wird mittlerweile nur noch mit 154 bis 155 Ja-Stimmen gerechnet. Das würde zwar für die Billigung reichen, es wäre aber dennoch ein schwerer Rückschlag für die Regierung unter Ministerpräsident Antonis Samaras.
Der griechische Regierungschef droht in der extrem aufgeheizten Stimmung weiter an Rückhalt in den eigenen Reihen zu verlieren. Sollte die Regierung Samaras zusammenbrechen, stünden die Retter und Helfer Griechenlands womöglich ohne handlungsfähigen Gesprächspartner vor Ort da.
Quelle: ntv.de, dpa