Käßmann verurteilt Kommerz Handel liebt Halloween
27.10.2012, 16:57 Uhr
Der Handel bestreitet nicht, Halloween in Deutschland mit "erfunden" zu haben.
(Foto: dpa)
Kürbisse und Kostüme lassen die Kassen klingeln. Wenn es um Halloween geht, reiben sich Einzelhändler die Hände. Vor rund zwei Jahrzehnten haben sie das Grusel-Event auf den deutschen Markt gebracht. Für Theologin Margot Käßmann ein Grund mehr, sich wieder auf den Reformationstag zu besinnen.
Den Grusel gibt es in Frechen auf 400 Quadratmetern zu kaufen. In der Halloween-Ecke des Karnevalsgeschäfts - einer Filiale des Kölner Kostümriesen Deiters - reihen sich Mönchskutten an Frankensteinmasken, Spinnenhüte, Totenkopfhaarreifen und Styroporgrabsteine. Seit 20 Jahren führt Deiters extra für Halloween Grusel-Artikel im Sortiment. Richtig rund läuft der Verkauf aber erst seit ein paar Jahren. Auch bei Bauern und Süßwarenherstellern lässt der Trend mittlerweile die Kassen klingeln.
Deutschland ist im Halloween-Fieber. Mehr als 30 Mio. Euro Umsatz machten im vergangenen Jahr allein die Unternehmen der Fachgruppe Karneval im Einzelhandelsverband HDE mit dem Gruselfest. Zehn Jahre zuvor waren es noch 12 Mio. Euro. Von Zuwachsraten um die 40 Prozent wie im Jahr 2008 sind die Firmen zwar inzwischen weit entfernt. Doch Fachgruppen-Chef Dieter Tschorn sieht immer noch Potenzial im Geschäft mit dem Grusel. Vor allem der Partybereich werde noch wachsen, sagt er. "Die Leute suchen nach Entspannung, nach Partys und dem Fest mit Freunden."
Zweite Kostüm-Saison
1994 brachte die Fachgruppe Karneval Halloween auf den deutschen Markt - mit dem Ziel, neben der Karnevalszeit eine zweite Saison für Kostüm- und Spielwarenläden zu schaffen. Die Rechnung ist aufgegangen - und das Geschäft mit dem Grusel haben mit der Zeit auch andere für sich entdeckt. Große Süßwarenhersteller haben ihr Sortiment um schauriges Naschwerk erweitert.
Bei Haribo in Bonn werden schon im Sommer winzige Masken, Hexen und Kürbisse für Halloween produziert. Nach Ostern und Weihnachten ist im Oktober dort die drittstärkste Süßigkeiten-Saison, zu der das Unternehmen mehrere Extra-Produkte vertreibt. "Es ist für uns auf jeden Fall ein Geschäft", sagt Sprecher Marco Alfter. Nach Jahren steigender Nachfrage sei nun ein gleichbleibendes Niveau erreicht.
Nicht nur der Verkauf von Naschereien, sondern auch von Kürbis boomt zu Halloween. Seit der amerikanische Brauch Deutschland erreicht hat, hat vor allem der Anbau von Zierkürbissen zugenommen, wie Bernhard Rüb, Sprecher der Landwirtschaftskammer NRW, berichtet. "Es gibt viel mehr Kürbisse zur Deko." Mittlerweile werden hierzulande etwa 10.000 Hektar Speise- und Zierkürbisse angebaut.
Für die Landwirte sei der Trend eine "feine Sache", sagt Rüb. "So etwas ist natürlich immer eine Nische - die Saison ist kurz und das Produkt sehr speziell." Gerade im Rheinland hätten sich einige Landwirte jedoch erfolgreich darauf spezialisiert. Zwei Experten aus Hürth hätten demnach eigens für Halloween eine neue Kürbissorte herangezüchtet und verkauften diese mit Schnitzanleitung.
Doch nicht jeder Kunde springt auf Halloween-Artikel an. Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Trend Research finden es 36 Prozent der Deutschen nicht gut, dass Halloween hierzulande immer mehr gefeiert wird. 30 Prozent ist das Gruselfest egal.
Bizarrer Geisterkult
Dieses Trend-Ergebnis dürfte der Theologin Margot Käßmann Mut machen. Denn trotz allen Halloween-Rummels findet Käßmann, dass der 31. Oktober für die Menschen weiter als Reformationstag gelten sollte.
"Deutlich ist doch, dass Halloween aus Kommerzgründen eingeführt wurde", sagte die 54-Jährige der Nachrichtenagentur dpa. "Luther wollte gerade die Furcht der Menschen vertreiben und sagen, "ihr müsst keine Angst vor Geistern haben". Ich finde es geradezu bizarr, dass am Tag des Reformationsgedenkens nun so ein Geisterkult in die Welt kommt, der letzten Endes inhaltsleer ist."
Die Ex-Bischöfin von Hannover ist die Botschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für das 500-jährige Reformationsjubiläum im Jahr 2017. "Ich wünsche mir, dass ein Ergebnis des Reformationsjubiläums ist, dass die Kinder in Deutschland wissen, dass der 31. Oktober der Reformationstag ist", so Käßmann. "Es gibt ja orange Bonbons mit einem augenzwinkernden Luther, das finde ich eine angemessene Reaktion. Luther kannte auch Humor und mir liegt daran, den Menschen noch einmal deutlich zu machen, es ist Reformationstag und Halloween ist ein Importschlager aus Übersee."
Keine Konkurrenz zu Weihnachten
Und den Importschlager haben nicht alle übernommen: So akzeptiert wie Weihnachten oder Ostern sei Halloween lange nicht, berichtet der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie, der 220 Unternehmen vertritt. "Diese Feste haben eine viel längere Tradition und werden von einer breiteren Bevölkerungsschicht gefeiert", sagt Sprecherin Solveig Schneider. Für viele Hersteller sei der Aufwand, eine eigene Produktlinie für Halloween aufzubauen, deshalb zu groß. Häufiger gebe es etwa dekoriertes Gebäck mit Zuckerguss oder Muffins in speziellen Sorten. Ähnlich sieht das der Einzelhandelsverband HDE: An das Weihnachts- oder Ostergeschäft komme Halloween bei weitem nicht heran.
Quelle: ntv.de, sla/dpa