"Stabiles Sommerhoch" Ifo macht gut Wetter
25.08.2010, 10:08 UhrDie Stimmung in der deutschen Wirtschaft wird immer besser. Der Ifo-Index steigt im August überraschend das dritte Mal in Folge. Die meisten Experten hatten nach dem Sprung im Vormonat mit einem Dämpfer für das Konjunkturbarometer gerechnet.

Der Aufschwung erfasst zumindest die Stimmung: Stellvertretend für den deutschen Mittelstand rauscht hier in der Papierfabrik Hamburger-Spremberg im südlichen Brandenburg das Wellpappe-Rohpapier von der Rolle.
(Foto: dpa)
Die ohnehin gute Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im August überraschend noch einmal verbessert. Der Ifo-Geschäftsklimaindex stieg auf 106,7 Punkte von 106,2 Zählern im Vormonat, wie das Münchner Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) mitteilte. Das Plus im August war der dritte Anstieg in Folge. Der Index, der als wichtigstes Barometer für die deutsche Konjunktur gilt, erreichte den höchsten Stand seit den Boomzeiten im Juni 2007. Analysten hatten im Schnitt mit einem Rückgang auf 105,7 Zähler gerechnet.
Die 7000 befragten Unternehmen schätzten die Aussichten für die kommenden sechs Monate nur minimal schlechter ein, ihre Lage sahen sie erneut besser. "Die deutsche Wirtschaft ist im stabilen Sommerhoch", sagte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Nach dem stürmischen Wachstum der Wirtschaft im zweiten Quartal rechnen Fachleute wegen schwindender Auslandsnachfrage mit einer Abkühlung der Erholung. Sie reagierten deshalb überrascht auf die Ifo-Daten. "Die Luft für weitere Anstiege des Geschäftsklimas ist jetzt dünn geworden", sagte Dekabank-Analyst Andreas Scheuerle. "Ab jetzt wird sich der Ifo-Index eher seitwärts bewegen."
Im verarbeitenden Gewerbe lief es erneut besser als im Juli, allerdings trübten sich die Perspektiven etwas ein. "Vom Auslandsgeschäft erwarten sich die Unternehmen nicht mehr ganz so starke Impulse wie in den vergangenen Monaten", erklärten die Wirtschaftsforscher des Ifo-Instituts. "Dennoch planen sie etwas häufiger, den Personaleinsatz zu erhöhen." Im Einzelhandel hellte sich das Geschäftsklima weiter auf. Dagegen trübte sich die Stimmung im Großhandel und am Bau leicht ein.
Das Barometer für die Erwartungen sank nur leicht auf 105,2 Punkte von 105,6 Zählern. Die Lage-Komponente kletterte auf 108,2 Zähler von 106,8 Punkten. Die meisten Experten sagen für das laufende dritte Quartal eine Konjunkturabkühlung voraus. Sie rechnen mit einem von rund 0,5 Prozent. Im Frühjahrsquartal hatte die Wirtschaftsleistung überraschend um 2,2 Prozent zugelegt und damit so stark wie seit rund zwei Jahrzehnten nicht mehr.
Deutschland ist "keine Insel"
Anlass zum Jubeln sahen allerdings auch die Experten des Ifo-Instituts nicht. Der florierenden deutschen Wirtschaft droht Ungemach durch eine mögliche Rezession in den USA. Sollte die Wirtschaftsleistung in den Vereinigten Staaten angesichts der hohen Arbeitslosenquote im Lande wieder schrumpfen und Asien langsamer wachsen als bisher, werde sich Deutschland dem nicht entziehen können, warnte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Abberger. "Wir sind natürlich keine Insel. Das würde uns dann stark treffen."

"Die deutsche Wirtschaft ist im stabilen Sommerhoch", erklärt Ifo-Chef Hans-Werner Sinn.
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Noch sei die deutsche Konjunktur gesund. Sie dürfte dieses Jahr vermutlich mindestens um drei Prozent zulegen und sich damit von der heftigen Rezession 2009 erholen. "Die Risiken liegen im Ausland", sagte Abberger. Nach der ungewöhnlich hohen Wachstumsrate im zweiten Quartal 2010 werde es in den nächsten Monaten wohl eine Normalisierung geben: "Das kann so nicht weitergehen."
Vor allem für die Industrie bessere sich die Lage immer mehr. Aber auch der Einzelhandel spüre die Erholung, sagte Abberger. "Das Zutrauen in den Aufschwung nimmt zu, das ist positiv für den Konsum", so Abberger. Im Gesamtjahr werde der private Verbrauch zulegen und damit eine Stütze für die Konjunktur sein, die ansonsten vor allem von den Exporten angetrieben wird.
Nur fünf Prozent Pessimisten?
Parallel zum unerwarten Anstieg im Ifo-Index lieferte eine Studie von Ernst & Young (E&Y) Konjunkturoptimisten einen weiteren Anhaltspunkt. Der Aufschwung ist demnach auch im deutschen Mittelstand angekommen. Nach der Konjunkturkrise sind 90 Prozent der Unternehmen mit der aktuellen Geschäftslage zufrieden, ermittelte die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft auf Grundlage einer eigenen Befragung von 700 Firmen.
Mit einer Verbesserung der Geschäftslage rechnen laut E&Y-Studie nun 43 Prozent und damit mehr als im Januar, als es 38 Prozent waren. Pessimistisch sind noch fünf Prozent. Vor allem größere Mittelständler seien auch im Ausland tätig, hieß es. Sie profitierten damit besonders vom Anziehen der internationalen Nachfrage.
Viele Firmen wollen Personal einstellen und ihre Investitionen zumindest stabil halten, hielten die Berater in ihrer Studie fest. Im kommenden Halbjahr wollen demnach 24 Prozent der Mittelständler die Beschäftigtenzahl erhöhen. Neun Prozent planen Personalabbau. Fast drei Viertel der Firmen berichteten von Schwierigkeiten beim Suchen nach neuen Leuten.
Im Westen Deutschlands sei fast jede zweite mittelständische Firma international engagiert, im Osten knapp jede dritte, hieß es. Dabei sind Schwellenländer wie Brasilien, Indien und China weiterhin eine Domäne großer Mittelständler. Risiken eines dortigen Markteinstiegs seien Korruption und mangelnde Rechtssicherheit.
Quelle: ntv.de, dpa/rts