Von der grünen Wiese ins Zentrum Ikea ist in der City angekommen
30.06.2014, 14:15 Uhr
Der schwedische Möbelriese sucht die Nähe zum Kunden und zieht nach langer Abstinenz in die Stadt. Vorläufer für die neue Strategie ist Hamburg. Ikea liegt damit voll im Trend. Das Zauberwort für Wachstum lautet "Re-Urbanisierung".

Zwei Ikea-Mitarbeiter auf dem obersten Parkdeck der neuen Ikea-Filiale.
(Foto: picture alliance / dpa)
Ikea setzt mit einer neuen Masche auf noch mehr Wachstum. Statt auf Autobahn-Anschlhuss setzt der schwedische Möbelriese nun auf den Nahverkehr. Ikea springt damit auf einen neuen Trend auf. Den neueste Studien belegen, dass Deutsche lieber in ihrer Nähe einkaufen statt mit dem Auto lange herumzufahren. „Das ist ein absolutes Pilotprojekt für uns. Wir möchten nah bei den Menschen sein”, sagt Ikeas Expansionschef Johannes Ferber. In Hamburg ist das jetzt Realität. Unter Riesen-Andrang hat hier die erste City-Filiale eröffnet.
Ikeas weltweit erster sogenannter Citystore liegt mitten in einer Fußgängerzone im Hamburger Stadtteil Altona. An der gleichen Stelle, wo jetzt der blau-gelbe Neubau steht, stand vorher ein leerstehendes Einkaufszentrum aus den 1960er Jahren. Der Bau in der Großen Bergstraße wurde abgerissen. 80 Millionen Euro haben sich die Schweden die neue Filiale kosten lassen.
Kaufhausatmosphäre für Großstädter
Es ist eine bunte Nachbarschaft. Gleich gegenüber der blau-gelb-silbernen Fassade des ebenso schlicht wie futuristisch anmutenden Baus warten ein Friseur, ein Teeladen und eine Apotheke auf Kundschaft. Kaufhausatmosphäre für Großstädter statt Möbelverkauf im Gewerbegebiet mit Autobahnanschluss lautet die Devise der einmaligen Test-Filiale. "Altona ist eines der spannendsten Projekte, die wir bei Ikea je hatten", sagt Ferber
Der neue Citystore in Sichtweite des stark frequentierten Bahnhofs Altona lockt mit Kaffee zum Mitnehmen, großen dekorierten Schaufenstern und einem speziellen Verkaufskonzept: In der Möbelausstellung werden Ikea zufolge unter anderem gezielt Ideen für Städter gezeigt, zum Beispiel spezielle Einrichtungsideen für kleinere Wohnungen.
Zentral für die Verantwortlichen ist das Verkehrskonzept der achtstöckigen Filiale. Denn die anvisierte städtische Klientel hat oftmals kein Auto. "Wir gehen davon aus, dass jeder zweite Besucher mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommt", sagt Christian Mollerus, Chef des neuen Einrichtungshauses in Altona.
Fußgänger willkommen
in unmittelbarer Nähe finden die Kunden deshalb S-Bahnen und Busse. Für den Transport der Einkäufe bietet Ikea zudem ein ganzes Arsenal von Varianten, die sich am Mobilitätsverhalten in Großstädten orientieren: Es reicht von Miet-Lasttaxis und -Fahrradkurieren über den Verleih von Transport-Fahrrädern und Sackkarren bis hin zu einer Carsharing-Station auf den Parkdecks.
Ikeas Interesse an der Innenstadt kommt dabei nicht von ungefähr. Während ländliche Regionen zunehmend Einwohner verlieren, wachsen die großen Metropolen - in Deutschland und erst recht weltweit. Urbanisierung ist einer der großen Trends, die das Gesicht der Erde verändern.
Die Unternehmen zögen daraus auch in Deutschland längst Konsequenzen, betont Marco Atzberger, Mitglied der Geschäftsleitung des Kölner EHI Retail Institute. "Die Innenstadt ist der Ort, zu dem sich der Handel hin orientiert." Der jahrzehntelang zu beobachtende Trend hin zum Wohnen auf dem Land und in Vororten habe sich umgekehrt. "Re-Urbanisierung" laute das Stichwort.
Rein ins Getümmel
Ein Report der EHI-Analysten ergab kürzlich, dass 39 von 45 in Deutschland neu entstehenden Einkaufszentren in Innenstädten gebaut werden. Auch Supermarktketten wie Kaufland, Rewe oder Penny ziehe es zunehmend mit kleineren Läden in urbanere Lage, ergänzt Atzberger.
Der Handelsverband Deutschland (HDE) sieht Ikeas neuen Citystore samt Nahverkehrsanschluss ebenfalls als Beleg für eine Trendwende, die sich aus veränderten Ansprüchen ergibt. Jüngere Käuferschichten hätten heute seltener Autos, sagt Geschäftsführer Kai Falk. Und mehr noch: "Sie haben eine andere Vorstellung von Mobilität und den Entfernungen, die sie zum Einkaufen zurücklegen wollen." Auch der "Erlebnisaspekt" werde wichtiger.
Akzeptanz-Probleme inbegriffen
Die zentrale Lage schafft aber auch ihre ganz eigenen Probleme. Zwar unterstützte die Hamburger Politik mit Ausnahme der Linken die Ikea-Ansiedlung in der bisher eher unattraktiven Nachbarschaft mit viel Leerstand. Aber es gab auch Proteste. Erst nach dem Erfolg eines von lokalen Geschäftsleuten unterstützten Bürgerentscheids wagte der Konzern letztlich den Bau.
Weitere Citystore-Projekte sind bei Ikea bisher noch nicht geplant, zunächst soll sich die neue Hamburger Pilot-Filiale im Alltag bewähren. "Wir wollen zunächst Erfahrungen sammeln", erläutert Ikea-Sprecherin Simone Settergren. Wie das Konzept ankomme, werde innerhalb des Konzerns global genau verfolgt: "Die Kollegen gucken alle mit sehr großer Spannung nach Hamburg."
Quelle: ntv.de, ddi/AFP