Griechenland ohne Alternative Issing erwartet Umschuldung
20.03.2011, 19:01 UhrDie Schuldenkrise in Europa rückt wenige Tage vor dem anstehenden EU-Gipfel wieder in den Blickpunkt. Der ehemalige Chefökonom der EZB, Issing, rechnet in Griechenland fest mit einer Umschuldung. Wegen der übrigen klammen Euro-Staaten kommen derweil neue Milliardenlasten auf den Bund zu.
Der frühere Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, Otmar Issing, hält eine Umschuldung Griechenlands für unausweichlich. Es sei richtig gewesen, dem Land in der akuten Krise zu helfen, um deren Ausbreitung zu verhindern, sagte Issing dem "Spiegel"."Sobald aber die anderen Länder außer Gefahr sind, müssen die griechischen Staatsschulden restrukturiert werden."
Dies könne durch einen Schuldenschnitt passieren oder durch verlängerte Laufzeiten der Anleihen, "aber an einer Umschuldung führt kein Weg vorbei, da kann man rechnen, wie man will". Issing wandte sich auch gegen geplante Ankäufe von Staatsschuldtiteln durch den europäischen Rettungsschirm. "Das ist der völlig falsche Weg."
Ringen um Milliarden
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist mit Prognosen zur griechischen Zahlungsfähigkeit vorsichtiger. Sollten die Sparanstrengungen, die geplanten Privatisierungen und die vergleichsweise günstigen Kreditkonditionen nicht ausreichen, um den Schuldenberg abzubauen, müsse die griechische Regierung "neu nachdenken".
Durch die Neuausrichtung der Maßnahmen zur Euro-Stabilisierung erwartet Schäuble derweil Zusatzbelastungen für den Bundeshaushalt in zweistelliger Milliardenhöhe. In in der "Süddeutschen Zeitung" stellte er in Aussicht, dass sich Deutschland mit 22 Mrd Euro am geplanten künftigen Euro-Schutzschirm ESM beteiligen wird. Diese Summe entspräche dem deutschen Anteil an den 80 Milliarden Euro, die das Eigenkapital des ESM nach Medienberichten betragen könnte. Schäuble betonte aber, dass die Höhe des Grundkapitals des Schutzschirms und damit auch der deutsche Anteil noch nicht festgelegt sei.
Am Montag werden zunächst die europäischen Finanzminister über den Krisenfonds verhandeln. Dabei wird es vorrangig um die Lastenteilung der Mitgliedstaaten für den Fonds gehen, der den bisherigen Rettungsfonds 2013 ablösen soll und einen Umfang von 500 Milliarden Euro haben wird. Endgültig beschlossen wird der neue Fonds dann am kommenden Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel.
Grundsatzeinigung
Vor einer Woche hatten sich die 17 Regierungen der Eurozone auf ein Maßnahmenpaket zur Stabilisierung der gemeinsamen Währung geeinigt, das auf dem EU-Gipfel beschlossen werden soll. Dazu gehört der von Deutschland angestoßene Wettbewerbsfähigkeits-Pakt, die Reform des Euro-Rettungsschirms EFSF und die Einigung über die Struktur des dauerhaften Krisenmechanismus ESM ab 2013.
"Eine mögliche Beteiligung Deutschlands am ESM-Grundkapital würde - ab 2013 und auf mehrere Jahre verteilt - in der Tat die Neuverschuldung erhöhen", sagte Schäuble. Dank seiner Finanzplanung könne die Nettokreditaufnahme trotzdem langsam weiter sinken, die Reserven im Haushalt seien damit allerdings aufgebraucht. Deshalb seien nun auch die Chancen auf die vom Koalitionspartner FDP gewünschten Steuersenkungen geringer geworden, machte der CDU-Politiker deutlich.
Protest gegen neue Milliardenlast
Allerdings gibt es in den eigenen Reihen Widerstände gegen eine deutsche Beteiligung am Grundkapital des ESM. "Schäuble soll die Karten auf den Tisch legen, damit wir wissen, was auf den Steuerzahler zukommt", forderte der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Klaus-Peter Flosbach. "Eine Bareinlage in Höhe von 22 Mrd. Euro kommt nicht in Frage", sagte der Unions-Haushälter Norbert Barthle dem "Spiegel".
Das Magazin berichtet unter Berufung auf Berechnungen aus dem Finanzministerium, Schäuble müsse sich das Geld für den ESM pumpen und dafür dann pro Jahr zwischen 600 und 900 Millionen Zinsen aufbringen. Flosbach sagte dazu, auch der ESM müsse seine Bargeldeinlagen anlegen. Die daraus resultierenden Gewinne müssten den Einzahlern zustehen, "damit wir unsere Refinanzierungskosten senken können".
Schäuble verteidigte den Pakt: "Wir brauchen einen Mix aus Anreizen und Zwang, dass jeder vernünftig wirtschaftet und sich um seine Wettbewerbsfähigkeit kümmert." Mit dem geplanten ESM seien außerdem erstmals auch private Anleger in der Pflicht. Vorgesehen sei, dass ab Mitte 2013 private Gläubiger zur Kasse gebeten würden, wenn ein Land nicht mehr seine Zinsen zahlen könne.
Merkel fordert Anpassung
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in ihrer wöchentlichen Videobotschaft, zur Stützung des Euro müssten die Euro-Staaten ihre Politik gegenseitig anpassen. "Man kann nicht mit der gleichen Währung zahlen und trotzdem eine ganz andere Politik machen." Der Pakt für Wettbewerbsfähigkeit könne der Angleichung dienen. Dadurch könnte Europa beim Renteneintrittsalter, den Steuersystemen oder Lohnstückkosten näher zusammenrücken.
Die Regierung plant dem "Spiegel" zufolge ein Maßnahmenpaket zur Umsetzung des neuen Pakts. Dazu zähle die Liberalisierung des Fernlinienbusverkehrs, ein Forschungsprogramm für intelligente Energienetze sowie eine Alphabetisierungskampagne.
Aus dem hoch verschuldeten Irland kamen erneut kritische Stimmen zu dem Wettbewerbspakt. Der irische Minister für Unternehmen, Arbeitsmarkt und Innovation, Richard Bruton, sagte der Zeitung "Die Welt", viele der deutschen Vorschläge gingen zwar in die richtige Richtung. Eine Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung nach deutsch-französischen Plänen gehe jedoch zu weit. "Niedrige Körperschaftssteuern sind unverzichtbar für das irische Modell."
Quelle: ntv.de, nne/dpa/rts