"Mr. Euro" feiert Jubiläum Juncker sieht eine "Polykrise"
11.12.2012, 10:36 Uhr
Juncker hat alles schon einmal irgendwie erlebt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Er gilt als "Mr. Euro" und ist dienstältester Regierungschef in der EU: Jean-Claude Juncker. In den vergangenen Jahrzehnten habe sich Politik "fundamental geändert", meint der Luxemburger. Heute gebe es nicht nur eine Krise, sondern eine "Polykrise". Politik sei kaum mehr erklärbar.
Er ist seit fast 18 Jahren Luxemburgs Premierminister, trägt den Beinamen "Mister Euro" und ist einer der bekanntesten Europapolitiker überhaupt: Jean-Claude Juncker. Dabei hatte der 58-Jährige ursprünglich überhaupt keine politische Karriere geplant. "Ich wollte nie Berufspolitiker werden", sagt er. "Aber ich kann vom Karriereverlauf her nicht abstreiten, dass ich das geworden bin." In wenigen Tagen feiert er sein 30-jähriges Regierungsjubiläum: Am 21. Dezember 1982 wurde Juncker in Luxemburg unter Premierminister Pierre Werner als Staatssekretär für Arbeit und soziale Sicherheit vereidigt.
Für Politik interessierte sich Juncker schon als Kind. "Mein Vater hat mich angehalten, so ab sieben, acht (Jahren) Zeitung zu lesen. Und hat das auch abgefragt, auf eine legere Art und Weise", erzählt er. Sein Vater war Hüttenwerkspolizist und Gewerkschafter. "Und wenn der seine Kollegen in der Küche zusammenrottete, habe ich aufmerksam zugehört." Der Filius selbst war später auch Mitglied der christlichen Gewerkschaft, bevor er 1974 in die Christlich Soziale Volkspartei eintrat.
Eigentlich wollte Juncker Rechtsanwalt werden. Nach dem Abitur studierte er in Straßburg Jura. Dass er nie als Anwalt gearbeitet hat, bedauert er im Nachhinein. "Weil ich eigentlich gerne ein bisschen Berufsweg gehabt hätte, bevor ich in die Politik überwechselte." Dann aber sei er in die Regierung berufen worden. Und später "immer wieder gewählt worden. Da konnte ich nicht von Bord gehen". Seit Januar 1995 ist er Premierminister in Luxemburg. Und kein bisschen müde: "Bei den Parlamentswahlen 2014 werde ich wieder antreten", sagt er.
Die Politik hat sich nach Junckers Worten in den vergangenen 30 Jahren "fundamental verändert". Früher habe man als Politiker Dinge noch erklären können. Heute gebe es nicht nur eine Krise, sondern eine "Polykrise, eine mehrschichtige Krise, die von den USA ausgehend plötzlich die ganze entwickelte Ökonomie weltweit erreicht". Da müsse man "vielschichtiger" erklären. "Und zwar so lange, dass eigentlich niemand mehr zuhört." Politiker seien heute viel mehr zu Oberflächlichkeit gezwungen als früher, sagt er. "Ich verzweifele eigentlich daran, dass man sich nicht mehr erklären kann."
Maastrichter Vertrag als größter Verdienst
Bei der Frage nach seinem größten Verdienst in 30 Jahren Politik bezeichnet Juncker die Vorbereitung des Maastrichter Vertrages und dessen Unterzeichnung als einen Höhepunkt seines Werdegangs. In dem Vertrag vom Februar 1992 wurden die Weichen für die Wirtschafts- und Währungsunion in der EU gestellt. Seit 2005 ist Juncker auch Vorsitzender der Eurogruppe - das Amt gibt er aber Ende Januar ab.
Gab es auch Fehler? "Ich glaube, wir haben irgendwann in Europa den Moment verpasst, wo man die europäische Erzählung ändern muss", sagt Juncker. Man müsse Europa "existenziell" erklären: Als Haus, in dem es keinen Krieg mehr gibt - und in dem man zusammensteht, "weil wir immer weniger werden". Anfang des Jahrhunderts machten die Europäer noch 20 Prozent der Weltbevölkerung aus - Ende des Jahrhunderts werden es noch vier Prozent sein, sagt er.
Das Regieren in Luxemburg ist aus Junckers Sicht etwas Besonderes: Der Vorzug sei, dass man sich frei bewegen könne und dass die Menschen einen auf der Straße ansprächen. So teilten Menschen ihm Dinge mit, die er sonst nie erfahren würde. "Man muss sich als luxemburgischer Premierminister schon sehr anstrengen, um abzuheben. Die Menschen verhindern das."
30 Jahre Politiker zu sein, bedeute: "Man wird wesentlich gelassener, unaufgeregter", sagt Juncker. Auch, weil "es alles irgendwann schon mal irgendwie gegeben hat". Er habe natürlich auch Momente im Leben gehabt, in denen er sich danach gesehnt habe, etwas anderes als Politik zu machen. "Die waren aber nie langanhaltend."
Und wie feiert er am 21. Dezember? "Es ist für mich kein Jubiläum, sondern ein Jahrestag, der mich beeindruckt, aber nicht umwirft", sagt Juncker. "Ein normaler Arbeitstag: Kabinettssitzung morgens und nachmittags Pressekonferenz oder normales Freitagsgeschäft."
Quelle: ntv.de, rts