Wirtschaft

Siemens will die Wende schaffen Kaeser muss liefern

Siemens-Chef Joe Kaeser.

Siemens-Chef Joe Kaeser.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Chef ist neu, die Probleme sind alt. Am Donnerstag präsentiert Siemens-Boss Joe Kaeser die Bilanz. Doch Zahlen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Interessant ist vor allem die Frage: Wie sieht die Zukunft des Technologie-Riesen aus?

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Die Ungeduld wächst. Fast hundert Tage ist Siemens-Chef Joe Kaeser im Amt, und noch immer kämpft Deutschlands größter Technologiekonzern mit alten Problemen. Wenn er am Donnerstag seine erste Jahresbilanz vorlegt, werden ihm viele sehr aufmerksam zuhören - Mitarbeiter, Analysten, Aktionäre. Sie wollen wissen, wohin die Reise geht

Nachdem der Manager zunächst das Personalkarussell drehte und seine Mannschaft nun weitgehend zusammengebastelt hat, verlangt der Finanzmarkt auf eine weiterreichende Strategie. Investoren wollen eine verbindliche Antwort auf die Frage, wie Siemens so profitabel werden soll wie seine Rivalen ABB oder General Electric. "Es wäre schon schön wenn wir ein bisschen ein Geschmäckle davon bekämen, wo Kaeser strategisch hin will", sagte Fondsmanager Christoph Niesel von Union Investment. "Vielleicht könnte er uns ja schon sagen, was seiner Ansicht nach nicht so gut läuft, und uns damit die Aussicht geben, dass sich etwas ändert."

Doch Kaeser dürfte als ausgekochter Finanzprofi sein Pulver zunächst weiter trocken halten. Kenner rechnen nicht damit, dass er sich nach nur gut drei Monaten im Amt auf neue Renditeziele abseits des gescheiterten Margenprogramms "Siemens 2014" festlegt. Zu groß ist die Gefahr, dass ihm unausgegorene Pläne um die Ohren fliegen. Am Scheitern seines Vorgängers konnte Kaeser genau studieren, wie ein Topmanager endet, wenn er immer wieder die selbstaufgestellte Messlatte reißt. Vor kommenden Mai werde Kaeser kein neues Programm auflegen, heißt es aus seinem Umfeld.

Bislang beschwor der Amtsneuling vor allem den Zusammenhalt und versprach Ruhe für sein Haus nach den Querelen in Vorstand und Aufsichtsrat um die Ablösung seines Vorgängers. Siemens werde sich künftig auf die "Elektrifizierung" konzentrieren, blieb er zum Antritt vage.

Stellenabbau kommt voran

Ganz verlassen hat Kaeser die noch von Löscher vorgezeichnete Wegstrecke ohnehin nicht. An dem Abbau von 15.000 Stellen hält er ebenso fest wie am Zeitplan für die Einsparungen. Dabei könnte er zuletzt sogar etwas schneller vorangekommen sein als erwartet. Darauf deutet hin, dass er die Kosten für den laufenden Umbau im abgelaufenen Geschäftsjahr 2012/13 (per Ende September) auf mehr als die angepeilte Milliarde Euro taxierte.

Forderungen nach einer Abkehr vom umstrittenen Großsegment Infrastruktur & Städte wies Kaeser indes zurück. Eine Neuordnung der vier Konzernsektoren habe für ihn keine Priorität, sagte er in der Mitarbeiterzeitung. Ausgeschlossen ist das jedoch freilich nicht. "Wir müssen vielmehr an der Verbesserung der Ertragskraft und strategischen Ausrichtung der Inhalte dieses Sektors arbeiten", sagte Kaeser. Den seit einem Jahr angepeilten Verkauf der Wassertechnik will der 56-Jährige in Kürze abhaken. Kreisen zufolge geht das Geschäftsfeld für etwa 800 Millionen Dollar an den US-Finanzinvestor AEA Investors.

Das könnte eine der letzten dieser Aktionen sein. "Wir wollen und werden Geschäfte nicht einfach so abgeben, nur weil sie nicht gut laufen. Wir müssen auch wieder Dinge selbst in Ordnung bringen", sagt Kaeser. Gehe nichts mehr, wolle er aber rasch handeln - langes Taktieren werde es mit ihm nicht mehr geben.

Mit einer strafferen Länderorganisation will Kaeser wieder mehr Nähe zu den Märkten in aller Welt schaffen. Damit kassiert er alte Entscheidungen seines glücklosen Vorgängers Peter Löscher. Der war Ende Juli nach einem wenig würdevollen Ringen abgelöst worden, um einen Neustart für den zuletzt gebeutelten Konzern zu ermöglichen.

Analysten sagen Gewinnrückgang voraus

Aber reicht das aus, um die Kapitalmärkte zufriedenzustellen, die große Hoffnungen auf Kaeser gesetzt und ihn mit reichlich Vorschusslorbeeren bedacht hatten? Immerhin, der Kurs der Siemens-Aktie ist seit Kaesers Start stetig gestiegen. Jetzt muss er liefern.

Kaesers Ziel, erst einmal für Ruhe zu sorgen, ist jedenfalls in den ersten hundert Tagen unerreicht geblieben. Immer neue interne Querelen, wie der Abgang von Personalchefin Brigitte Ederer und die Gehaltsaffäre um Gesamtbetriebsratschef Lothar Adler, machten die Konzentration aufs Tagesgeschäft zuletzt schwierig - und rückten den Fokus wieder auf die Baustellen des verzweigten und komplexen Riesenkonzerns, beispielsweise die Verzögerungen bei der Anbindung von Nordsee-Windparks und die verspätete Auslieferung von ICE-Zügen.

Für das abgelaufene Geschäftsjahr schätzen Analysten, dass der Gewinn aus fortgeführtem Geschäft um ein Fünftel auf knapp 4,2 Milliarden Euro zusammengeschrumpft ist. Vor allem teuere Abschreibungen auf einstige Prestigeprojekte verhagelten den Münchner einmal mehr die Zahlen. Sie dürften in etwa den Sondererlös aus dem Anteilsverkauf am Netzwerkbauer NSN von 300 bis 400 Millionen Euro aufzehren.

Trotz aller Probleme dürfte Siemens seine Aktionäre weiter zufriedenstellen. Die Analysten rechnen damit, dass der Technologieriese seine Dividende weiter aufstockt. Für das Geschäftsjahr 2012/13 erwarten sie 3,11 je Anteilsschein, elf Cent mehr als ein Jahr zuvor.

Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa

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