Trotz Rechtsstreits Kasachstan lockt deutsche Firmen
18.07.2010, 15:38 UhrTrotz des Rechtsstreits mit der Bundesregierung wirbt Kasachstan für mehr deutsche Investitionen. Bundeskanzlerin Merkel ist nicht abgeneigt, will aber vorher einiges klären.

Bundeskanzlerin Merkel und der Staatpräsidenten der Republik Kasachstan, Nursultan Nasarbajew, lächeln im Präsidentenpalast "Ak Orda" in Astana in die Kamera.
(Foto: dpa)
Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Kasachstan sollen wieder neu belebt werden: "Wir sehen in Deutschland einen Schlüsselpartner bei der Modernisierung des Landes", sagte der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew am Sonntag auf einem deutsch-kasachischen Wirtschaftsforum in der Stadt Astana.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte bei ihrem ersten Besuch in dem rohstoffreichen zentralasiatischen Land zu, neue Geschäfte durch staatliche Exportbürgschaften zu fördern. Dafür müsse der kasachische Staat aber erst den Streit um umstrittene Altfälle beilegen, forderte Merkel. Diesen könnten den deutschen Steuerzahler wegen der Bürgschaften für ausgefallene Geschäfte bis zu 300 Mio. Euro kosten.
Wirtschaftsbeziehungen auf Eis
Obwohl Kasachstan das mit Abstand wichtigste Land in Zentralasien und viertgrößter Öllieferant Deutschlands ist, stagnieren die deutsch-kasachischen Wirtschaftsbeziehungen. Im vergangenen Jahr halbierten sich die Ausfuhren in das öl- und devisenreiche Land fast auf 2,3 Mrd. Euro. Exportiert wurden nur noch Waren von 1,4 Mrd. Euro, ein Rückgang von 15,8 Prozent. Und der Trend hat sich 2010 fortgesetzt. So sank der Wert der Exporte bis April um weitere 19,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Das stark von Rohstoffexporten abhängige Kasachstan erwartet nach einem schweren Einbruch des Bruttoinlandsprodukts in der Weltwirtschaftskrise in diesem Jahr aber wieder ein Wachstum seiner Wirtschaft. Nasarbajew äußerte sich enttäuscht, dass wenige deutsche Firmen in Kasachstan investierten und bot ausdrücklich den Einstieg im Rohstoffbereich an. Sowohl im Metall- als auch im Chemiebereich seien Kooperationen möglich. "Wir sind bereit, gemeinsam zu investieren."
Energie und Verkehr interessant
Die deutsche Industrie erhofft sich nach Angaben des Delegierten der deutschen Wirtschaft für Zentralasien, Jörg Hetsch, vor allem Aufträge im Energie- und Verkehrsbereich oder etwa bei der Entwicklung der chemischen und pharmazeutischen Industrie.
Während des Besuches wurden nach Angaben von Nasarbajew und Merkel Vereinbarungen mit einem Wert von mehr als zwei Mrd. Dollar unterzeichnet. Allerdings handelt es sich meist um Absichtserklärungen. So unterzeichnete etwa Siemens mit der kasachischen Staatsbahn ein Memorandum of Understanding über die Modernisierung des Schienennetzes.
Angepeilt werden dabei die Ausrüstung für 110 Passagierlokomotiven bis 2020 sowie eine Modernisierung der Stromversorgung der Bahn und der Signal- und Sicherungstechnik. Der Handelskonzern Metro will in dem Land für 200 Mio. Euro zehn Märkte aufbauen.
Markt im Aufbruch
"Das Land ist im Aufbruch", sagte Siemens-Chef Peter Löscher und verwies sowohl auf die Rohstoffeinnahmen des Landes als auch die langfristige Modernisierungsstrategie der Regierung. Ausdrücklich warb der kasachische Präsident damit, dass die jüngst in Kraft getretene Zollunion des Landes mit Russland und Weißrussland ausländischen Firmen Zugang zu einem Wirtschaftsgebiet mit 170 Mio. Menschen biete. Deutsche Firmen beklagen dagegen, dass sich seit Start der Dreier-Gemeinschaft die Einfuhrzölle für viele Produkte stark erhöht hätten.
Merkel mahnte zudem in vorsichtigem Ton weitere rechtsstaatliche Reformen in dem Land an, dass derzeit den OSZE-Vorsitz hat. Dass Kasachstan den Vorsitz trotz erheblicher Defizite bei den Menschenrechten bekam, war in der EU durchaus umstritten. Deutschland habe die Kandidatur aber von Anfang an unterstützt, betonte Merkel. Der OSZE-Vorsitz gebe Kasachstan "eine hervorragende Gelegenheit, deutlich zu machen, dass es die Werte Freiheit, Sicherheit, Demokratie und Menschenrechte" für sinnvoll und notwendig erachte.
Quelle: ntv.de, von Andreas Rinke, Reuters