Gigantischer Spekulationsverlust Kerviel muss ins Gefängnis
05.10.2010, 10:55 UhrEin Pariser Gericht verurteilt den früheren Händler Kerviel wegen Veruntreuung zu einer fünfjährigen Haftstrafe - davon zwei Jahre auf Bewährung. Der mittlerweile 33-Jährige hatte bei Börsengeschäften für die Großbank Société Générale bis Anfang 2008 rund 4,9 Mrd. Euro verspekuliert. Das Geld soll er tatsächlich zurückzahlen.
Fast drei Jahre nach Bekanntwerden des milliardenschweren Handelsskandals bei der französischen Großbank Societe Generale ist das Urteil im Prozess gegen den ehemaligen Händler Jerome Kerviel gefallen. Ein Gericht in Paris verurteilte ihn wegen Veruntreuung zu einer fünfjährigen Haftstrafe. Davon wurden zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Kerviel hatte der Bank zufolge einen Schaden von 4,9 Mrd. Euro verspekuliert. Er muss diese Summe an seinen früheren Arbeitgeber zurückzahlen. Wie ihm das gelingen soll, geht aus dem Urteil nicht hervor.
Kerviels Anwalt Olivier Metzner kündigte an, in Berufung zu gehen. Er nannte das Urteil unvernünftig und nicht akzeptabel.
Die Richter sahen es als erwiesen an, dass Kerviel keine Erlaubnis seiner Vorgesetzten für exzessive Spekulationsgeschäfte hatte. Die internen Verfehlungen bei Societe Generale hätten Kerviel nicht von seinen Pflichten als professioneller Händler entbunden. Kerviel habe sehr genau gewusst, was er tue. Zudem habe er versucht, das Überschreiten seiner Befugnisse zu vertuschen. "Er war sich bewusst, dass er sein Mandat weit überschritt", so das Gericht. Es gestand dem Angeklagten aber zu, dass er das Schweigen seiner Vorgesetzten als Ermutigung gedeutet habe, weiterzumachen. Es habe bei den Kontrollen in der Bank durchaus Lücken gegeben.
Die Staatsanwaltschaft hatte fünf Jahre Haft gefordert, davon eins auf Bewährung. Kerviels Anwalt plädierte auf Freispruch und wirft der Bank eine Mitverantwortung vor. Sie habe das Risiko stillschweigend toleriert, so lange der junge Mann Gewinne gemacht habe. Die Bank räumte zwar Schwächen in ihrem Kontrollsystem ein, hält Kerviel aber eindeutig für den Schuldigen.
"Die Bank hat ihn verdorben"
Mit milliardenschweren, illegalen Handelsgeschäften manövrierte Kerviel die Bank 2008 an den Rande des Zusammenbruchs. Am 24. Januar 2008 kündigte die Societe Generale überraschend die Handelsverluste an: Kerviel hatte ohne Legitimation Positionen im Volumen von 50 Mrd. Euro aufgebaut - mehr als der Börsenwert der Bank. Es kostete 4,9 Mrd. Euro, um diese wieder aufzulösen.
Quasi über Nacht brachte es der junge Aufsteiger aus einfachen Verhältnissen - seine Mutter betrieb in der Bretagne einen Friseursalon - damit zu ähnlicher Berühmtheit wie seinerzeit Nick Leeson. Der Brite hatte der Barings-Bank in den 1990er Jahren durch dubiose Geschäfte herbe Verluste beschert und das Institut in den Ruin getrieben.
Societe Generale hat stets betont, Kerviel habe alleine gehandelt. Dieser wiederum hat zwar zugegeben, dass er risikoreiche Wetten eingegangen sei und auch gelogen habe, um diese geheim zu halten. Allerdings sagte Kerviel, seine Vorgesetzten bei der Societe Generale seien eingeweiht gewesen. Sie hätten ihn sogar dazu ermuntert, und er habe versucht, für die Bank Geld zu erwirtschaften. Während des Prozesses im Juni stellten ihn seine Anwälte als Bauernopfer dar. Kerviel sei ein bescheidener, bretonischer Junge. Erst die Bank habe ihn verdorben.
Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP