Politiker diskutieren, Bürger handeln Krawalle in Athen
11.05.2011, 13:50 UhrWährend die EU-Politik über mögliche neue Hilfen für das hochverschuldete Griechenland streitet, machen die Bürger dort Nägel mit Köpfen: Sie gehen zu Hunderttausenden auf die Straßen und machen ihrem Ärger mit Streiks und Protesten Luft. Die Polizei reagiert mit Tränengas.

Die Wut der Griechen wächst - und sie bricht sich Bahn, wie hier Ende März in Athen.
(Foto: REUTERS)
Die drastischen Sparpläne der Regierung haben in Griechenland hunderttausende Arbeitnehmer auf die Barrikaden und in einen 24-stündigen Generalstreik getrieben. Gegen mehrere Dutzend linksgerichtete Demonstranten setzte die Polizei in Athen Tränengas ein.
Von dem Streik ist vor allem der staatliche Sektor Griechenlands betroffen. Ministerien, Steuerämter, viele Schulen und die Behörden der Städte und Gemeinden blieben geschlossen. Auch der Fährverkehr war betroffen. Am Morgen lief keine Fähre aus Piräus zu den Inseln aus.
Ausfälle und Verzögerungen gibt es auch im Flugverkehr. Wegen einer vierstündigen Arbeitsniederlegung der Flutlotsen bis 16.00 Uhr (15.00 Uhr MESZ) fallen dutzende Inlandsflüge aus. Im internationalen Verkehr sind Verzögerungen zu erwarten. Zudem streiken in Griechenland die Journalisten für 24 Stunden. Im Radio und Fernsehen gibt es bis 06.00 Uhr am Donnerstag keine Nachrichten.
Sparauflagen polarisieren
Im Zentrum Athens und anderer Städte des Landes finden Kundgebungen statt. Zu den Streiks haben die beiden größten Gewerkschaftsverbände des privaten (GSEE) und des staatlichen Sektors (ADEDY) aufgerufen. Es ist der zehnte umfangreiche Streik seit Einführung des harten Spar- und Reformprogramms vor etwa einem Jahr, berichtete die griechische Presse. Und zudem der zweite Generalstreik in diesem Jahr.
Im Gegenzug zum Milliarden-Rettungsprogramm für das hoch verschuldete Griechenland hatte die Regierung umfangreiche Sparauflagen akzeptiert. Griechenland soll nach Medienberichten ein weiteres Hilfspaket im Umfang von bis zu 60 Mrd. Euro erhalten, um den drohenden Staatsbankrott abzuwenden.
Die Schuldenkrise in der Eurozone dürfte auch ein Thema sein bei einem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Berlin. Die Finanzminister der Euro-Zone wollen zudem am kommenden Montag (16.5.) über die zusätzlichen Maßnahmen beraten.
Umschuldung ausgeschlossen?

Umschuldung oder nicht? Griechenlands Schuldenkrise bleibt ein Thema.
(Foto: picture alliance / dpa)
Ungeachtet der zum Teil heftigen Proteste geht die Diskusssion um mögliche weitere Hilfen für Athen weiter. "Bislang ist keinerlei Entscheidung gefallen. Die Regierung (in Athen) muss zuerst ihre eigenen Ressourcen mobilisieren", sagte Finanzministerin Christine Lagarde der Tageszeitung "Le Figaro". Vor allem müsse das Privatisierungsprogramm schnell umgesetzt werden.
Die Möglichkeit einer Umschuldung der griechischen Verbindlichkeiten sieht Lagarde weiter nicht. "Wir schließen das absolut aus - in welcher Form auch immer". Außer Frage stehe auch ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone. "Es liegt mir sehr daran, die Investoren zu beruhigen", sagte Lagarde.
Gegen eine Umschuldung Griechenlands sprechen nach Einschätzung Lagardes vor allem die Nebenwirkungen einer solchen Maßnahme. "Die Restrukturierung von Schulden eines Staates würde eine so negative Nachricht an die Märkte senden, dass die gesamte Eurozone darunter leiden würde", sagte die Ministerin. Für alle Eurostaaten würden die Refinanzierungskosten steigen. Zudem müsste die Europäische Zentralbank (EZB) hohe Verluste auf ihre griechischen Anleihen verkraften.
Union wartet auf "Signal"
Auch in der Union regt sich einem Zeitungsbericht zufolge Widerstand gegen neue Kreditgarantien für Griechenland. "Bevor man über weitere Hilfen redet, muss Griechenland erst einmal sicherstellen, dass alle Spar- und Reformmaßnahmen ordnungsgemäß umgesetzt werden", sagte der Vizechef der Bundestagsfraktion, Michael Meister, der "Rheinischen Post". "Ich hätte gern ein Signal, dass das endlich passiert." Der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach wurde mit den Worten zitiert: "Es gibt von uns keinen Freibrief für weitere Hilfen an Athen."
Henkel: "Fass ohne Boden"
Drastischer formuliert es der früherer Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel gegenüber n-tv: "Wir haben jetzt schon mehrfach erlebt, dass die Politik uns versprochen hat, das sei jetzt das Ende der Fahnenstange und das ist es, wie man jetzt feststellt, natürlich nicht. Das entwickelt sich hier zu einem Fass ohne Boden."
Wenn sich am Vorgehen der Politik in der Schuldenkrise nichts ändert, "werden wir zu einer Transfer-Union mutieren", warnte er und begründete: "Der Bundesländer-Finanzausgleich ist ein gutes Beispiel: Wir haben bei den 16 Bundesländern ja nur noch drei Geberländer – Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. Und so wird Deutschland mit einigen anderen Nordländern zu einem permanenten Geberland. Das heißt, wir kommen in eine Vergemeinschaftung der Schulden und es wird sich dann für niemanden mehr lohnen, zu sparen."
Ruhig, aber bestimmt
Kanzlerin Angela Merkel hatte am Dienstag gesagt, vor weiteren Zusagen müsse die Prüfung durch Europäische Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds abgewartet werden.
Vor einem Jahr hatte Griechenland bereits ein Hilfspaket im Umfang von 110 Mrd. Euro erhalten. Eine Rückkehr zur eigenständigen Finanzierung an den Kapitalmärkten scheint derzeit unmöglich. Auch verläuft die Verringerung des Haushaltdefizits schleppend. Hintergrund seien Steuerausfälle infolge der schweren Rezession.
Quelle: ntv.de, bad/rts/dpa