Wirtschaft

Großes Bahn-Chaos in Deutschland Lokführer gehen an die Arbeit

Bitte nicht einsteigen, hieß es am Morgen - streikerprobte Fahrgäste wussten: Wozu auch?

Bitte nicht einsteigen, hieß es am Morgen - streikerprobte Fahrgäste wussten: Wozu auch?

(Foto: dpa)

Der große Streik der Lokführergewerkschaft GDL führt im deutschen Bahnverkehr zu anhaltenden Behinderungen. Nach dem offiziellen Ende des Arbeitskampfes kündigt GDL-Chef Weselsky eine "Pause" an, "damit sich die Arbeitgeber besinnen können." Neue Streiks sind nicht ausgeschlossen. Eine Lösung könnte Margot Käßmann bringen: Der Fahrgastverband Pro Bahn schlägt sie als Schlichterin vor.

Wenn alle drin sind, kann es wieder los gehen: Ein Lokführer wartet auf das Abfahrtssignal.

Wenn alle drin sind, kann es wieder los gehen: Ein Lokführer wartet auf das Abfahrtssignal.

(Foto: dpa)

Die Lokführer haben den Streik im Personen- und Güterverkehr beendet. Der Ausstand sei wie angekündigt um 10.00 Uhr zu Ende gegangen, sagte ein Sprecher der Lokführer-Gewerkschaft GDL. Es gab demnach "bundesweit und flächendeckend" Arbeitsniederlegungen. Der Streik im Güterverkehr hatte bereits am Mittwochabend begonnen. Am Donnerstagmorgen um 04.00 hatten die Lokführer den Arbeitskampf auf den Personenverkehr ausgeweitet.

Im deutschen Bahnverkehr herrschte nach der Ausweitung des Lokführer-Streiks auf den Personenverkehr der Ausnahmezustand. Millionen von Berufspendler und Bahnreisende sahen sich am Morgen mit Zugausfällen oder erheblichen Verspätungen konfrontiert. Während des Streiks sind nach Angaben von Bahn-Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg ungefähr ein Drittel der Fernzüge ausgefallen.

Bundesweit und flächendeckend: GDL-Chef Claus Weselsky am Mannheimer Hauptbahnhof. (Im Hintergrund bringt ein Bahnkunde sein Smartphone zum Einsatz, um nach alternativen Verbindungen zu suchen.)

Bundesweit und flächendeckend: GDL-Chef Claus Weselsky am Mannheimer Hauptbahnhof. (Im Hintergrund bringt ein Bahnkunde sein Smartphone zum Einsatz, um nach alternativen Verbindungen zu suchen.)

(Foto: dapd)

Auch der Regionalverkehr sowie die S-Bahnen in Hamburg, Berlin und Hannover seien stark vom Ausstand der Gewerkschaft GDL betroffen gewesen. "Weniger als 300 Güterzüge" seien bis zum frühen Morgen blockiert worden.

Homburg nannte es "außerordentlich schade", dass die GDL den Streik abermals "so spät angekündigt hat". Der Bahn fehle jegliches Verständnis dafür, zumal der bundeseigene Konzern schon heute die höchsten Löhne zahle und die besten Arbeitsbedingungen biete.

Wie in früheren Fällen auch dürfte es bis zur Normalisierung des Bahnverkehrs noch Stunden dauern. Mit Behinderungen im Güter- und Reiseverkehr ist damit auch nach Ende der Ausstands noch bis in den Abend zu rechnen, teilte die Deutsche Bahn mit. Die betroffenen Züge stünden erst nach einigen Stunden wieder an den vorgesehenen Einsatzstellen zur Verfügung, hieß es zur Erklärung.

Informationen am Flipchart: Zusätzlich eingesetzte Service-Kräfte der Deutschen Bahn versuchen den Ansturm der Fragen zu bearbeiten.

Informationen am Flipchart: Zusätzlich eingesetzte Service-Kräfte der Deutschen Bahn versuchen den Ansturm der Fragen zu bearbeiten.

(Foto: dpa)

Die Bahn kritisierte den Zeitpunkt der Streiks in den frühen Morgenstunden und die Schwerpunkte im Nah- und Fernverkehr scharf. Das Unternehmen sei enttäuscht darüber, dass entgegen der Ankündigungen der Gewerkschaft GDL Pendler wieder stark betroffen seien, sagte Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber im ZDF-"Morgenmagazin". Er bekräftigte zugleich die Forderung an die Gewerkschaft, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. "Ich verlange von der GDL, dass sie auf unsere vielfältigen schriftlichen und mündlichen Angebote eingeht."

Veolia macht Angebote

In den festgefahrenen Tarifverhandlungen zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und den großen Schienenverkehrsanbietern Deutschlands schlägt das private Bahnunternehmen Veolia eigene Wege ein: Der DB-Rivale Veolia Verkehr will sich nun direkt mit den Lokführern einigen. "Es kommt keiner zu uns an den Verhandlungstisch. Wir wollen jetzt einen anderen Weg gehen, wir sprechen die Mitarbeiter direkt an", sagte Veolia-Geschäftsführer Markus Resch im ZDF.

Er glaube an ein vernünftiges Ergebnis und kündigte ein Angebot für die seit Mittwochabend streikenden Lokführer des Unternehmens an. "Dieser Kompromiss wird natürlich viele Bestandteile haben, auch einen finanziellen Teil", sagte Resch.

GDL droht mit Verschärfung

Unbeeindruckt von aller Kritik drohen die Lokführer unterdessen mit einer Verschärfung der Streikmaßnahmen. "Wer uns kennt, weiß, dass wir sehr weit gehen können. Aber das wollen wir eigentlich nicht, denn wir wollen Verhandlungen", sagte der GDL-Chef Claus Weselsky. Die Arbeitgeber müssten sich bewegen und ein verhandlungsfähiges Angebot vorlegen. Andernfalls werde die Gewerkschaft weiter streiken; der Schwerpunkt werde dabei weiter im Güterverkehr liegen.

Alle Räder stehen still: Ein GDL-Mitglied sinniert über das Ausmaß des Streiks.

Alle Räder stehen still: Ein GDL-Mitglied sinniert über das Ausmaß des Streiks.

(Foto: REUTERS)

Weselsky sprach von einer sehr guten Streikbeteiligung. Insgesamt seien 90 Prozent des Güter- und 80 Prozent des Personenverkehrs betroffen. Er könne den Ärger von Reisenden verstehen, erlebe aber auch Verständnis. "Die GDL wird nun eine Pause machen, damit sich die Arbeitgeber besinnen können."

Keine Unterbrechungen bei Volkswagen

Die Auswirkungen des Streiks im Güterverkehr hat der Autobauer Volkswagen in der Nacht eigenen Angaben zufolge ohne Blessuren überstanden. "Die Materialversorgung in der Nacht war sichergestellt", sagte ein Sprecher des Wolfsburger Konzerns. "Die Produktion lief reibungslos durch, bislang spüren wir keine Auswirkungen."

Die Lokführergewerkschaft GDL hatte in der Nacht mit ersten Streiks im Güterverkehr begonnen. Die Automobilindustrie ist traditionell stark auf die Logistik per Schiene angewiesen. Die Hersteller haben jedoch aus den Bahnstreis der vergangenen Jahre gelernt und können kurze Streiks mit Lagerbeständen überbrücken.

Die deutschen Binnenschiffer verfügen nach eigenen Angaben über genügend Kapazitäten, um Engpässe im Güterverkehr während des Lokführer-Streiks aufzufangen. "Wir könnten sogar kurzfristig einspringen und Fracht übernehmen", sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes, Jens Schwanen, der "Berliner Zeitung". Die Versorgung von Kraftwerken, Hochöfen und anderen zentralen Industrien sei dennoch gewährleist, hieß es bei der Bahn.

Was die Lokführer wollen

Zu Wochenbeginn hatten sich in einer Urabstimmung der GDL mehr als 90 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder für einen unbefristeten Streik ausgesprochen. Die GDL fordert von der Deutschen Bahn sowie deren sechs wichtigsten privaten Konkurrenten einen bundesweit gültigen Flächentarifvertrag für Lokführer bei allen Unternehmen im Nah-, Fern- und Güterverkehr. Ziele sind ein einheitliches Mindesteinkommen auf dem Niveau des Marktführers Deutsche Bahn sowie weitere einheitliche Regelungen.

Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber bezeichnete es als "absurd", dass die GDL den Güterverkehr der Bahn bestreike, um Druck auf die Wettbewerber im Personenverkehr auszuüben. Er forderte die Gewerkschaft auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Margot Käßmann soll vermitteln

Der Fahrgastverband Pro Bahn schließt derweil eine Einigung im Tarifstreit in absehbarer Zeit aus. Der Verbandsvorsitzende Karl-Peter Naumann sagte dem Sender "MDR Info", er schlage die ehemalige EKD-Vorsitzende Margot Käßmann als Vermittlerin vor. Zuvor hatten sich Gewerkschafter mit deutlichen Worten .

Einst EKD-Ratsvorsitzende: Margot Käßmann (Archivbild).

Einst EKD-Ratsvorsitzende: Margot Käßmann (Archivbild).

(Foto: picture alliance / dpa)

Kunden der Deutschen Bahn, die ihre Reise aufgrund des Streiks nicht antreten können, können sich ihre Fahrkarte kostenlos erstatten lassen. Die Deutsche Bahn rät Reisenden, sich vor Fahrtantritt über die aktuellen Bedingungen zu informieren. Das Unternehmen will dazu nach eigenen Angaben wieder Hunderte zusätzliche Mitarbeiter unter anderem auch auf den Bahnhöfen einsetzen, um Reisende zu informieren.

Auf einer Sonderseite im Internet hält die Deutsche Bahn aktuelle Informationen zu den Auswirkungen im Personenverkehr bereit. Telefonisch lassen sich Reiseauskünfte unter der kostenlosen Servicenummer 08000 - 99 66 33 einholen.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa/rts

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