Reisende sollen Verständnis haben Lokführer wollen streiken
19.02.2011, 13:36 Uhr
Nach dem Winterchaos dürfte die Leidensfähigkeit der Bahn-Fahrer stark eingeschränkt sein.
(Foto: dpa)
Die GDL ruft zu Warnstreiks ab Montag auf und setzt auf das Verständnis der Passagiere. Das stößt bei den privaten Bahnbetreibern auf heftige Kritik. Sie werfen der Lokführer-Gewerkschaft vor, die Allgemeinheit "in Geiselhaft" zu nehmen. Die Bahn sieht in der Aktion reine Willkür.
Die Lokführergewerkschaft GDL wirbt vor dem bevorstehenden Bahnstreik um das Verständnis von Reisenden und Pendlern. Die ab Montag geplanten Warnstreiks zielten auf den Arbeitgeber und nicht die Kunden, sagte der GDL-Chef Claus Weselsky dem "Spiegel". Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber warf der Gewerkschaft erneut Willkür vor. Der Fahrgastverband Pro Bahn rief die Lokführer zur Rücksichtnahme auf. Verkehrsminister Peter Ramsauer mahnte, Berufspendler dürften nicht als Geiseln genommen werden. "Für einen solchen Streit wird die Bevölkerung kaum Verständnis haben", sagte Ramsauer der "Bild am Sonntag".
Die GDL fordert einen Branchentarifvertrag für die etwa 26.000 Lokführer. Die Gespräche mit der Bahn und ihren sechs großen privaten Konkurrenten blieben bislang erfolglos. Die Lokführergewerkschaft hat deshalb angekündigt, ab Montag zu Warnstreiks aufzurufen. Genauer Zeitpunkt, Ausmaß und regionale Schwerpunkte sollten kurzfristig bekannt gegeben werden. Medienberichte, wonach am Montag vor allem der Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen bestreikt werden soll, bezeichnete eine GDL-Sprecherin als Unsinn.
Nicht die große Keule
"Es wäre wünschenswert, wenn die GDL nicht gleich die ganz große Keule rausholt", sagte Pro-Bahn-Chef Karl-Peter Naumann der "Berliner Zeitung". Die Gewerkschaft sollte nach Streikformen suchen, die weniger Schaden anrichteten. Sie könnte sich etwa auf Reisezentren konzentrieren, Ticketautomaten abstellen oder etwa nur jeden zweiten Zug fahren lassen.
GDL-Chef Weselsky sagte, die Lokführer wüssten, dass sie die Fahrgäste und vor allem die Berufspendler stark in Mitleidenschaft zögen. Er setze aber darauf, dass die Reisenden unterscheiden könnten zwischen Missmanagement bei der Bahn - im Sommer zu heiß, im Winter zu kalt - und einem ganz normalen Arbeitskampf. "Wir werden maßvoll mit unserer Macht umgehen", versicherte er.
Unsachlich und unseriös
Bahn-Personalvorstand Weber warf der Gewerkschaft vor, die Deutsche Bahn zu bestreiken, obwohl sie eigentlich etwas von den Konkurrenten wolle. "Ich vermute, die GDL will mit den Warnstreiks bei uns nur eine viel größere Aufmerksamkeit erreichen. Das nenne ich willkürlich, unsachlich und wenig seriös", sagte Weber dem "Spiegel". Dass eine Lösung in letzter Minute möglich ist, glaubt der Manager nicht: "Ich könnte mich auf den Kopf stellen und würde Warnstreiks nicht verhindern."
Die privaten Bahnbetreiber warfen der GDL vor, die Allgemeinheit "in Geiselhaft" zu nehmen. Der Vorstandsvorsitzende der Hamburger Hochbahn AG, Günter Elste, kritisierte, die GDL wolle einen Tarifvertrag diktieren. Sie bestehe auf Elemente, die vielleicht bei einem Großkonzern wie der Deutschen Bahn, nicht aber bei den Privatbahnen machbar seien, sagte er der "Süddeutschen Zeitung".
"Ich appelliere mit allem Nachdruck an die Verantwortlichen, sich nicht die Falschen zum Feind zu machen", sagte Ramsauer mit Blick auf die Fahrgäste. Als Bundesverkehrsminister sei er zur Nicht-Einmischung in Tarifkonflikte angehalten, aber: "Ich muss auch an die Reisenden denken", fügte der CSU-Politiker hinzu.
Quelle: ntv.de, rts