Wirtschaft

Nur 30 von 1700 Flügen Lufthansa-Warnstreik trifft Passagiere

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Gähnende Leere an den Schaltern der Deutschen Lufthansa. Ein Streik der Techniker und Serviceleute legt fast den kompletten Flugverkehr lahm. Passagiere müssen auf Auto oder Bahn umsteigen, oder bei einer anderen Airline buchen. Der Streik rückt die Aktie in den Blick, die sich ausgesprochen robust präsentiert.

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Nahezu die gesamte Lufthansa-Flotte ist zum Wochenstart wegen des größten Warnstreiks seit Jahren im Hangar geblieben. Tausende Angestellte von Deutschlands größter Fluggesellschaft waren dem Aufruf der Gewerkschaft Verdi gefolgt - 150.000 Passagiere waren von dem Ausstand betroffen.

Für die Lufthansa kommt der Ausstand zu Unzeit: Der Konzern steckt mitten in einem tiefgreifenden Umbau und hält jeden Cent zusammen, doch schlägt der Ein-Tages-Streik Experten zufolge mit einem Schaden von 15 Mio. Euro zu Buche. Eine Verdi-Sprecherin sagte, bis zum Nachmittag seien 12.000 Beschäftigte in Ausstand gegangen. Da der Streik noch bis in die Nacht andauere, werde diese Zahl noch steigen. Am Aktienmarkt blieben die Anleger gelassen. Das Papier legte in einem freundlichen Marktumfeld leicht zu.

"Unerträglicher Zustand"

Die Airline sieht sich durch die zahlreichen Arbeitsniederlegungen der jüngsten Zeit in die Enge getrieben. "Das sind Streikaktionen in einer Taktung, wie wir sie noch nicht hatten", sagte Lufthansa-Personalvorstand Stefan Lauer. Für die Kunden und das Unternehmen sei das ein unerträglicher Zustand. "Den Passagieren zu vermitteln, dass wir erneut einen Streik haben, wird zunehmend schwieriger." Der Imageschaden für die Fluggesellschaft sei irreparabel, sagte er.

Verdi hatte den Flugbetrieb der Lufthansa bereits im März mit einem Warnstreik teils zum Erliegen gebracht - damals beteiligten sich 6000 bis 7000 Lufthanseaten.

Nur 30 von 1700 Flügen

Verdi hatte das Lufthansa-Bodenpersonal an den großen deutschen Flughäfen für den gesamten Tag zum Streik aufgerufen. In der Folge strich die Lufthansa ihren Flugplan radikal zusammen. Von den insgesamt vorgesehenen mehr als 1700 Flügen können nur etwa 30 angeboten werden.

Damit erwischte Verdi die Fluglinie ganz besonders hart: Bei den spektakulären Streiks der Stewards und Stewardessen vorigen Sommer und der Piloten Anfang 2010 waren am Tag in der Spitze 900 Flüge annulliert worden. Sebastian Hein, Airline-Analyst beim Bankhaus Lampe, bezifferte die Belastung für die Lufthansa wegen des Verdi-Streiks auf gut 15 Millionen Euro. "Schmerzhaft ist vor allem, dass die Lufthansa die lukrativen Langstrecken-Flüge weitgehend streichen musste." Nur auf diesen verdient die Fluggesellschaft Geld - auf der Kurzstreckenflügen schlagen hohe Verluste zu Buche.

Lufthansa-Fluggäste konnten wegen des Streiks kostenlos auf die Bahn umsteigen. Dort war die Lage entspannt. "Wir haben ein leicht erhöhtes Fahrgastaufkommen", sagte ein Bahn-Sprecher. Extra-Züge mussten bislang nicht eingesetzt werden. Unklar ist, ob Rivale Air Berlin von dem Totalausfall profitieren konnte. Ein Sprecher wollte sich dazu nicht äußern.

Verhandlungen Ende April

Mit dem Ausstand verschärfte Verdi nochmals die Gangart im Tarifstreit mit der Lufthansa. Lufthansa hatte vorige Woche erstmals ein Angebot vorgelegt. In dem Tarifstreit geht es um die Gehälter von rund 33.000 Beschäftigten bei Lufthansa Cargo, Lufthansa Technik, Lufthansa Systems sowie der Lufthansa-Mitarbeiter am Boden und in der Kabine. Zwei weitere Verhandlungstermine sind bereits für den 29./30. April sowie für den 2./3. Juni angesetzt.

Die Lufthansa bietet an, die Löhne ab 1. Oktober 2013 bei Lufthansa Technik um insgesamt 2,3 Prozent, bei Lufthansa Cargo und Lufthansa Systems um insgesamt 2,1 Prozent und bei der Lufthansa AG um insgesamt 1,7 Prozent anzuheben. Bislang hatte die Lufthansa angesichts sinkender Gewinne, Stellenabbau und Standortschließungen eine Nullrunde angestrebt.

Verdi nannte die neue Offerte einen "Skandal" und fordert für die Lufthansa-Beschäftigten unter anderem Zusagen für sichere Jobs sowie 5,2 Prozent mehr Gehalt bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Lufthansa verfolgt angesichts der Konkurrenz durch Billigflieger, Golf-Airlines wie Emirates und der hohen Spritpreise einen harten Sparkurs, dem weltweit 3500 Jobs zum Opfer fallen. Das operative Ergebnis der größten deutschen Fluglinie soll mit Hilfe des Konzernumbaus bis 2015 auf 2,3 Milliarden Euro steigen.

Gähnende Leere

Das befürchtete Chaos wegen des Streiks am Frankfurter Flughafen blieb im Gegensatz zu früheren Ausständen aus. Am Montagmorgen herrscht üblicherweise Enge im Terminal 1, doch an diesem Tag war so viel Platz, dass Mitarbeiter des größten deutschen Flughafens in dem Gebäude mit dem Fahrrad umherkurvten. Die allermeisten Passagiere der Kranich-Airline blieben zuhause oder nahmen den Zug. Die Strategie der Lufthansa, die Fluggäste per Email oder SMS über den Arbeitsausstand zu informieren, ging auf - nur wenige hatten sich überhaupt zum Airport aufgemacht. 

Einer von ihnen war Horst Hoffart. Der 45-jährige Servicetechniker stand an einem der wenigen Checkin-Schalter an, die in der riesigen Abflughalle noch geöffnet hatten. Er hatte Glück, sein Flug nach Atlanta hob ab. Das war die Ausnahme, am Montag starten von geplanten 50 Langstreckenflügen der Lufthansa nur eine Handvoll. Verständnis für die Arbeitsniederlegung hatte er trotzdem nicht. "Es wurde in letzter Zeit viel zu oft gestreikt", sagte er. 

Glücklich schätzte sich auch das Ehepaar Grabherr aus dem österreichischen Bregenz: Sie wollten in die Karibik und flogen nicht mit der Lufthansa, sondern mit dem Konkurrenten Condor. "Eigentlich sollte die Lufthansa als deutsches Unternehmen verlässlich sein", sagte Günter Grabherr. Die Streikserie schade aber dem Ruf des Konzerns. "Für die Reisenden ist das schrecklich."

Quelle: ntv.de, rts

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