Regierung erzwingt Reformen Madrid knöpft sich die Banken vor
09.05.2012, 13:47 Uhr
Zu verkaufen: In Spanien stehen zahlreiche Wohnungen leer.
(Foto: REUTERS)
Spaniens Bankensektor gilt als einer der größten Problemfälle in der Eurozone. Um die wankenden Institute zu retten, ringt sich die Regierung zu einschneidenden Maßnahmen durch. Dafür muss sie viel Geld in die Hand nehmen - doch ob das ausreicht, ist zweifelhaft. Denn die Schwierigkeiten, in denen die Banken stecken, sind immens.
Die Krise der Banken zwingt die spanische Regierung zu einer Kehrtwende. Monatelang hatte Ministerpräsident Mariano Rajoy es strikt abgelehnt, die unter dem kollabierten Immobilienmarkt leidenden Geldinstitute mit Steuergeld zu retten. Doch die kritische Lage lässt ihm keine Wahl: Seine konservative Regierung bereitet eine Bankenreform vor, die die Bilanzen von milliardenschweren Risiken bereinigen soll – notfalls sollen dafür auch staatliche Gelder fließen.
Diese Bankenreform soll am kommenden Freitag vom Kabinett verabschiedet werden und dürfte in etwa auf das Modell der "Bad Banks" hinauslaufen, das auch in Deutschland eingeführt worden war. Ziel ist es, die Banken von allen Altlasten zu befreien, die sich nach dem Zusammenbruch des spanischen Immobilienmarkts vor vier Jahren in ihren Bilanzen anhäuften. Dort liegen Milliardenrisiken in Form fauler Kredite und toxischer Wertpapiere. Diese sollen in eigens geschaffene Holding-Gesellschaften ausgelagert, gebündelt und später verkauft oder abgewickelt werden. Diese Aufräumarbeiten sollen zehn bis 15 Jahre dauern. Der Vorteil für die Banken ist eine saubere Bilanz, mit der sie weiterarbeiten können. Allerdings muss irgendjemand die Haftung für die Altlasten übernehmen - wahrscheinlich die spanischen Steuerzahler.
Bankia macht Sorgen
Zentraler Bestandteil ist ein Großreinemachen beim angeschlagenen Sparkassen-Konzern Bankia, der als der größte Problemfall der heimischen Finanzindustrie gilt. Der Zeitung "El Pais" zufolge könnte allein Bankia Hilfen von bis zu zehn Mrd. Euro brauchen. Wie Rajoy die Mittel zusammenbekommen will, ist noch unklar. Der Premierminister betonte, das Vorhaben werde sich nicht auf das Haushaltsdefizit auswirken. Neue Staatsgelder für die Banken würden Rajoy allerdings innenpolitisch verstärkt unter Druck setzen, da die Regierung dem Land einen strikten Sparkurs verordnet und die Steuern erhöht hat. Staatsgeld für Banken trifft in weiten Teilen der Bevölkerung deshalb auf Unverständnis, zumal die Regierung bereits 18 Mrd. Euro in den maroden Sektor gepumpt hat.
Die Schwäche der Banken belastet aber die spanische Wirtschaft, die sich ohnehin in der Rezession befindet. Die Arbeitslosenquote liegt bei knapp 25 Prozent, immer mehr Spanier haben Schwierigkeiten, ihre Kredite zu bedienen. Damit wächst die Zahl der faulen Kredite, außerdem fahren die Banken ihre Kreditvergabe zurück - ein Teufelskreis.
Madrid will Eigenkapital stärken
Ein Ziel der Reform ist, Zweifel an der Kreditwürdigkeit der Institute auszuräumen: Die Banken haben momentan große Schwierigkeiten, sich auf den internationalen Märkten zu finanzieren. Die US-Ratingagentur Standard & Poor's hatte vor einigen Tagen neun Banken heruntergestuft. Zugleich wird es für den Staat teurer, sich am Anleihemarkt Geld zu leihen. Die Renditen für spanische Papiere ziehen an, weil viele Investoren fürchten, dass die Rettung der Banken den Staat überfordern könnte. Die spanische Zentralbank geht davon aus, dass die Banken mit 338 Mrd. Euro im Immobiliensektor des Landes engagiert sind, rund 176 Mrd. Euro sieht die Notenbank als problematisch an.
Die spanische Regierung will die Banken nun offenbar dazu zwingen, weitere 35 Mrd. Euro zur Seite zu legen. Diese Summe käme zu den bereits geforderten 54 Mrd. Euro, mit denen sie sich gegen Ausfallrisiken ihrer Immobilienkredite absichern müssen. Zudem hatte Madrid die Banken zu Dutzenden von Fusionen veranlasst.
Ackermann fordert europäische Lösung
Viele Analysten erwarten aber, dass die Maßnahmen des Staates nicht ausreichen - und die Europäische Union bald einspringen muss, um Spaniens Bankensektor zu retten. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann macht sich in diesem Zusammenhang für eine gesamteuropäische Lösung stark. Ein europäischer Rettungsfonds zur geordneten Sanierung oder Abwicklung von Banken sei "wünschenswerter denn je - zur Stabilisierung von Bankensystemen, zur Restrukturierung auch großer grenzüberschreitender Banken, zur Sicherung des Finanzbinnenmarkts und zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen durch nationale Regelungen", sagte Ackermann dem "Spiegel".
Unterdessen stehen die Banken weiterhin in der Kritik. Denn um die von spanischen und europäischen Behörden verlangten Kapitalanforderungen zu erfüllen, leihen sie sich offenbar verstärkt Geld von Privatanlegern – denn Großinvestoren aus dem Ausland halten sich zurück. Beobachter fürchten, dass die spanischen Banken ihre Probleme verharmlosen, um Kleinanleger bei der Stange zu halten.
Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa/DJ