Schweiz als ehrliches Beispiel Managergehälter deckeln und gut?
05.03.2013, 13:35 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Seit Monaten feilt Brüssel an einem europäischen Regelwerk, das der Gier der Finanzindustrie einen Riegel vorschieben soll. Schnell geht das nicht. Dafür rühren zu viele Köche in dem EU-Topf. Ob die Suppe schmecken wird, ist auch noch ungewiss. Ein Blick aufs Schweizer Rezept könnte lohnen.
Das neue Regelwerk für eine angemessene Managervergütung trifft auf jeden Fall den europäischen Nerv. Was symbolisiert die Gier in der Finanzindustrie mehr als die Exzesse bei Bonus-Zahlungen, Abfindungen und Managergehältern. Besonders die Selbstbedienungsmentalität in den schlimmsten Krisenjahren, als trotz Milliardenverlusten immer noch hohe Sonderzahlungen ausgeschüttet wurden, hat sich bei der breiten Bevölkerung tief ins Gedächtnis eingebrannt. Die EU will diesen unanständigen, ausufernden Gehältern einen kräftigen Deckel verpassen. Das Schweizer Bürgervotum am Wochenende gibt der Debatte noch einmal neue Würze. Insbesondere hinsichtlich des "Wie", mit dem man solche Exzesse möglicherweise auch verhindern könnte.
Die ersten Gewinner im Tauziehen um höhere oder niedrigere Managergehälter sind die Aktionäre in der Schweiz, denn die werden künftig selbst über die Vergütungen in ihren Unternehmen entscheiden. Das ist ein Novum und stärkt die Position der Anteilseigner eines Unternehmens wie nie zuvor. Nach dem Triumph der Schweizer "Abzocker-Initiative" muss die Generalversammlung einer börsennotierten Schweizer Aktiengesellschaft künftig einmal im Jahr Vergütungshöhe und -struktur für das Management absegnen.
Deutsche Aktionäre sind im Nachteil
In Deutschland gibt es zwar seit 2009 schärfere gesetzliche Vorschriften für Managergehälter, die Regelungen lassen aber immer noch erhebliche Interpretationsmöglichkeiten zu. So ist im deutschen Aktienrecht hinsichtlich der Vergütung nur von "einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds sowie zu Lage der Gesellschaft" die Rede. Wie viel das genau ist, liegt im Ermessen eines jeden Unternehmens.
Im Unterschied zu den Schweizer Aktionären haben deutsche Anteilseigner zwar bei den Vorstandsvergütungen einer börsennotierten Firma ein Wörtchen mitzureden, sie bestimmen aber nicht die konkrete Höhe der Gehälter. Im Wesentlichen beschränkt sich ihre Einflussmöglichkeit also darauf, Druck auf den Aufsichtsrat auszuüben.
Dass die europäischen Institutionen hier nun um mehr Genauigkeit bemüht sind, war überfällig. Das Europaparlament, die EU-Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten setzen in ihrem Kompromiss allerdings auf eine gesetzliche Deckelung von Bonuszahlungen. Danach soll der Jahresbonus künftig nur noch höchstens doppelt so hoch sein wie das Fixgehalt eines einfachen Bankmanagers. Überschreiten darf es dies nur noch nach Zustimmung der Aktionäre. Der Kompromiss liegt inzwischen den EU-Finanzministern vor. Beobachter gehen davon aus, dass selbst die streitbaren Briten diesem Kompromiss wohl nicht mehr viel entgegensetzen können.
Wo liegt die Hoheit über Vergütungsfragen?
Die Stoßrichtung des Brüsseler Modells ist damit eine völlig andere als bei dem Schweizer Modell: Hier werden nicht die Aktionärsrechte gestärkt, sondern umgekehrt die Vertragsfreiheit von Firmen beschnitten. In der Schweiz bleibt die Hoheit über Vergütungsfragen im Unternehmen, und zwar richtigerweise bei den Eigentümern eines Unternehmens. Die Aktionäre werden zu einer Kontrollinstanz erhoben. Kungeleien zwischen Vorstand und Verwaltungsrat werden so unterbunden.
Die EU-Kommission hat angekündigt, sich bei ihrem eigenen Vorschlag, der noch bis Jahresende ausgearbeitet werden soll, am Schweizer Modell zu orientieren und so die Rechte von Aktionären bei der Kontrolle von Topmanagern zu stärken.
Die von der Bundesregierung eingesetzte Corporate-Governance-Kommission hat sich ebenfalls mit dem Gehaltsdeckel befasst. Sie fordert zwar ähnlich wie im EU-Kompromiss konkrete Gehaltsobergrenzen, will den Aufsichtsräten dabei aber keine Vorschriften machen, was sie für angemessen hält. Mehr Wert legt sie darauf, dass die Unternehmen künftig offen und transparent im Geschäftsbericht angeben, wie viel ihre Vorstände maximal verdienen können.
Niedrige Gehälter sind keine Garantie
Nach dem Plan der deutschen Kommission für gute Unternehmensführung sollen die Aufsichtsräte dabei auch auf eine gewisse Verhältnismäßigkeit achten, damit die Gehälter für Vorstände nicht zu weit von denen der zweiten Führungsebene und von der Gesamtbelegschaft abweichen. Diese Vorschläge werden bereits bis Mitte März zur Diskussion gestellt.
Freiwillige Maßnahmen der Unternehmen haben nicht das gehalten, was sie versprochen haben, deshalb ist einer gesetzlichen Regulierung nichts entgegenzusetzen. Aber vielleicht lassen sich Gehaltsexzesse auch anders verhindern, als nach der Rasenmähermethode, durch einfache Deckelung. Vielleicht sind Aktionäre in der Lage, eine angemessene Vergütung innerhalb der einzelnen Unternehmen finden. Davon abgesehen sind niedrigere Gehälter auch keine Gewähr für Ehrlichkeit. Wer glaubt, dass Bankgeschäfte damit zur risikofreien Zone werden, wird enttäuscht werden.
Quelle: ntv.de