Wirtschaft

Lehren aus der Finanzkrise Mehr Europa als Aufsicht

Will aus der Krise lernen: EU-Kommissar Almunia.

Will aus der Krise lernen: EU-Kommissar Almunia.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Als Lehre aus der Finanzkrise soll künftig die Aufsicht über Finanzinstitute auf europäische Ebene verlagert werden. Deutschland und Frankreich sind dafür, während es aus Großbritannien wohl Widerstand geben dürfte.

Die EU will als Lehre aus der Finanzkrise bei der Aufsicht über Banken, Versicherungen oder Börsen erstmals Entscheidungsrechte auf die europäische Ebene verlagern. Drei EU-Behörden und ein neues Aufsichtsgremium der Zentralbanken sollen künftig über die Stabilität des Finanzsystems wachen und in bestimmten Fällen nationalen Behörden Vorschriften machen können. Die EU-Kommission in Brüssel schlug dazu am Mittwoch mehrere Verordnungen vor. Die national fragmentierte Aufsicht habe sich in der Krise als Schwäche erwiesen. "Wir müssen aus der Krise lernen", sagte Wirtschaftskommissar Joaquin Almunia.

Die Bundesregierung begrüßte die Vorschläge. Großbritannien, das schon im Vorfeld die größten Vorbehalte angemeldet hatte, äußerte sich zurückhaltend. Die Versicherungen kritisierten die Kompetenzverlagerung auf EU-Ebene. Die Banken und Sparkassen sind darüber geteilter Meinung.

"Zuständigkeiten werden vermischt"

Die Finanzaufsicht in Europa wird künftig auf zwei Säulen ruhen. Drei neue Aufsichtsbehörden für Banken (EBA), Versicherungen (EIOPA) und Wertpapierhandel (ESMA) sollen mit den nationalen Aufsehern in einem Europäischen System für Finanzaufsicht (ESFS) zusammenarbeiten. Daneben wird unter dem Dach der Europäischen Zentralbank ein Europäischer Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) eingerichtet, der das gesamte Finanzsystem im Auge behalten und Frühwarnungen aussprechen soll.

Die drei neuen EU-Behörden sollen für einheitliche Standards der Aufsicht und für die Umsetzung des gemeinsamen EU-Regelwerks sorgen. Sie werden von den Chefs der nationalen Aufsichtsbehörden geleitet. Im Extremfall könnte die EU-Ebene Unternehmen per Mehrheitsentscheidung direkt Auflagen machen.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sieht das kritisch. Durch diese Eingriffsmöglichkeit in nationale Märkte würden die Zuständigkeiten in der Aufsicht vermischt, erklärte der GDV. "Angesichts unterschiedlicher Rechtssysteme in Europa stellt sich die Frage, wie die Rechtmäßigkeit dieses Verfahrens sichergestellt werden kann", bemängelte auch der Deutsche Sparkassen- und Giroverband. Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken hält Entscheidungen über den Kopf nationaler Aufsichtsbehörden hinweg für problematisch. Dem Bundesverband deutscher Banken (BDB) geht der Vorschlag dagegen nicht weit genug. Die Aufsicht über grenzüberschreitend tätige Banken müsse ganz auf europäischer Ebene gebündelt werden, erklärte der BDB.

McGreevy erwartet "heftige Diskussion"

Die Pläne zur Reform der Finanzaufsicht wurden schon von den Mitgliedstaaten diskutiert. Beim Gipfel im Juni hielten sie fest, die neuen Behörden sollten zwar bindende Befugnisse bekommen, ihre Entscheidungen dürften sich aber nicht auf die haushaltspolitische Zuständigkeit der EU-Staaten auswirken. Das wäre der Fall, wenn die EU-Bankenaufsicht etwa eine bessere Kapitalausstattung einer Landesbank fordert, die den deutschen Steuerzahler Geld kosten würde. Die Kommission schlägt für solche Konfliktfälle ein Schlichtungsverfahren vor. EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy sagte, er rechne darüber mit "heftigen Diskussionen" im EU-Finanzministerrat.

Der Verordnung müssen die EU-Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament zustimmen. Die Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des EU-Parlaments, Sharon Bowles sagte, sie halte eine Einigung bis Mitte 2010 für möglich.

Das Bundesfinanzministerium begrüßte die Reform. "Diese sind eine gute Grundlage für die jetzt anschließende Diskussion im Rat." Die Bundesregierung hatte kürzlich erklärt, sie wolle die Reform nicht bremsen, aber darauf achten, wie die Rechte der EU-Behörden gegenüber den nationalen Aufsehern gestaltet würden. Die britische Regierung erklärte, sie werde dafür sorgen, dass die Entwürfe den Vorgaben der EU-Regierungen vom Juni-Gipfel entsprächen.

Quelle: ntv.de, mme/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen