Quelle-Rettung hängt an Brüssel Merkel bremst Seehofer
28.06.2009, 17:25 UhrUnmittelbar vor der Entscheidung über einen Staatskredit für das insolvente Versandhaus Quelle wird der Tonfall zwischen München und Berlin immer schärfer. Landeschef Horst Seehofer sieht die Bundeskanzlerin in der Pflicht. Angela Merkel verweist auf Brüssel.

Fangfrage für Betriebswirtschaftler: Gefährdet die Politik durch ihr Verhalten Arbeitsplätze?
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Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer zurückgewiesen, die Entscheidung über einen Staatskredit für das angeschlagene Versandunternehmen Quelle zur Chefsache zu machen. Die Prüfungen der zuständigen Ministerien für Finanzen und Wirtschaft würden mit Hochdruck laufen, betonte Merkel am Sonntag in Berlin. Sie lasse sich über den Fortgang zwar informieren, die Zuständigkeiten blieben aber unverändert.
Seehofer, der Merkel zuvor zur Einflussnahme zugunsten einer positiven Entscheidung gedrängt hatte, äußerte sich bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel nicht mehr zu der Sache. Der CSU-Chef, in dessen Land Quelle seinen Sitz hat, hatte zuvor die Bundesregierung angegriffen und Forderungen aus ihrer Reihe nach weiteren Sicherheiten als nicht nachvollziehbar bezeichnet. "Man muss allmählich die Frage stellen: Gefährdet Politik durch ihr Verhalten Arbeitsplätze?", hatte Seehofer erklärt.
Merkel hatte die tagelange Prüfung eines Kredits für den insolventen Versandhändler mit den strengen Vorgaben der EU für Staatshilfen begründet. "Wir müssen mit dem ganzen Vorgang zur EU", sagte Merkel. Es wäre Quelle nicht geholfen, wenn das Wirtschafts- und das Finanzministerium am Donnerstag oder Freitag vorschnell dem Massekredit über 50 Mio. Euro zugestimmt hätten und dann am Montag die Kommission in Brüssel das Vorhaben abgelehnt hätte.
Die Grenzen der Politik
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hatte der Bundeskanzlerin zuvor die Verantwortung für die Rettung des angeschlagenen Versandunternehmens Quelle zugeschoben. Merkel müsse dafür sorgen, dass es am Montag eine für Quelle positive Entscheidung über den überlebensnotwendigen Millionen-Kredit gebe, forderte Seehofer. Andernfalls seien die Arbeitsplätze dort akut in Gefahr. Die Quelle GmbH, ein Tochterunternehmen des ebenfalls insolventen Handelskonzerns Arcandor, unterhält ihren Firmensitz im bayerischen Fürth.

"Neu gestylt": In Berlin geht es zunächst einmal nur um die Nothilfe, in Fürth um den korrekten Druck.
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An dem Kredit soll der Bund mit 25 Mio. Euro die Hälfte übernehmen. Bayern will 21 Mio. Euro beisteuern, das Land Sachsen, das ebenfalls um Quelle-Arbeitsplätze in seiner Region bangt, will vier Millionen Euro geben. Mit der Grundsatzentscheidung aus Berlin über den sogenannten Massekredit für die insolvente Arcandor-Tochter wird nach einer Sitzung am Montagabend gerechnet.
Wie am Wochenende aus dem Umfeld des insolventen Mutterkonzerns Arcandor verlautete, wurden aber noch Chancen gesehen, dies bis Montag zu schaffen. Über die bisher als Sicherheit angeboten aktuellen Quelle-Warenbestände hinaus könnten auch Geldmittel der Valovis-Bank in das Konzept einbezogen werden, sagte eine den Beratungen vertraute Person.
Allerdings sei weiterhin offen, ob dies für die Bundesregierung ausreichend sei. Die aus dem Arcandor-Konzern entstandene Valovis Bank wickelt die Kundenzahlungen unter anderem für Quelle ab.
Millionen als Erste Hilfe

Wenn die Quelle-Rettung scheitert, braucht CSU-Mann Horst Seehofer so etwas ähnliches wie einen "schwarzen Peter".
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Allerdings könnte dieser Notkredit Quelle nur vorübergehend das Überleben sichern. Ziel einer Staatshilfe sei es lediglich, die Zeit bis zum Einstieg eines Investors und einer Sanierung zu überbrücken, verlautete aus der Bundesregierung. Dies habe der vorläufige Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg selbst stets betont. Quelle werde kaum um den Abbau von Arbeitsplätzen herumkommen. Ohne den Staatskredit, über den voraussichtlich Anfang der Woche entschieden wird, bleibe Quelle nur Neuanfang nach einer Liquidation.
Wie bislang bekannt wurde, hat der Insolvenzverwalter die Warenbestände von Quelle auf gut 72 Mio. Euro veranschlagt. Allerdings sehen die Wirtschaftsprüfer der Regierung deren Wert im Falle eine Liquidation von Quelle als wesentlich geringer an. Bei den weiteren angebotenen Sicherheiten gehe es um die Gelder von Quelle-Kunden, die die Valovis-Bank derzeit wegen der unsicheren Situation bei Quelle nicht wie üblich an das Versandhaus weiterreicht. Zusammen mit den Waren müsste dies als Sicherheit für die geforderte Höhe von 50 Mio. Euro eigentlich ausreichen, verlautete aus dem Arcandor-Umfeld.
Arcandor in der Defensive
Die Konzernmutter bestätigte zudem, kurz vor der Insolvenz am 9. Juni die Konten bei Quelle leergeräumt zu haben. Damit verfügt Quelle nicht mehr über eigene Barmittel. Arcandor verteidigte dieses "Cash-Pooling" als ein übliches Instrument in Konzern. Diesem Verfahren seien bis zur Insolvenz-Anmeldung alle 100-prozentigen Töchter angeschlossen gewesen, sagte Arcandor-Finanzvorstand Rüdiger Günther. Mit diesem System könnten "temporäre Kontenunterdeckungen in einzelnen Unternehmen durch Überschüsse anderer am Cash-Pooling teilnehmenden Unternehmen sehr schnell ausgeglichen werden können".
Auch ohne dieses Verfahren hätte eine Insolvenz "definitiv nicht verhindert" werden können, versicherte er. Allerdings stehen damit zur Absicherung des Staatskredites keine Quelle-Barmittel als Sicherheit bereit. Nach dem bisher ausgearbeiteten Plan soll die bundeseigene KfW 25 Mio. beisteuern, während das Land Bayern 21 Mio. übernimmt und Sachsen vier Millionen Euro.
Deutlich günstiger als für Quelle sind unterdessen offenbar die Aussichten für die Arcandor-Warenhaustochter Karstadt. Laut "Welt am Sonntag" haben inzwischen 15 potenzielle Investoren Interesse an Karstadt-Filialen bekundet. Als Favorit gelte weiterhin Konkurrent Metro, der mit seiner Tochter Kaufhof auf eine Warenhaus-Allianz dringt und den Großteil der Karstadt-Häuser übernehmen will.
Quelle: ntv.de, mmo/rts