Wirtschaft

Vor den nächsten Griechenland-Hilfen Merkel erwartet keinen neuen Schuldenerlass

Prüfern gefallen offenbar die Reformfortschritte in Griechenland nicht.

Prüfern gefallen offenbar die Reformfortschritte in Griechenland nicht.

(Foto: picture alliance / dpa)

Derzeit prüfen Experten der Troika die Umsetzung der mit Griechenland vereinbarten Reformschritte. Vom Ergebnis hängt die Auszahlung der nächsten Hilfen ab. Doch offenbar kommt das Land den Verabredungen nur zögerlich nach und schielt auf einen neuen Schuldenschnitt. Bundeskanzlerin Merkel lehnt entsprechende Gedankenspiele ab und stärkt der Regierung den Rücken.

Die soziale Lage in Griechenland ist angespannt.

Die soziale Lage in Griechenland ist angespannt.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Spekulationen über einen neuen Schuldenschnitt für Athen dementiert. Griechenland sei "dank der sehr reformorientierten Regierung Samaras vorangekommen", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung" und anderen europäischen Tageszeitungen. "Ich gehe davon aus, dass die Schuldentragfähigkeit auch weiterhin gegeben sein wird". Einen neuen Schuldenschnitt sehe sie nicht. Ähnlich hatte sich vergangene Woche bereits Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geäußert und erklärt, "dass wir einen solchen Schuldenschnitt nicht mehr machen werden".

Zuvor hatte der griechische Wirtschaftsminister Kostis Chatzidakis angedeutet, mit einem zusätzlichen Schuldenerlass für Athen nach der Bundestagswahl zu rechnen. "Wenn wir zuverlässig sind und positiv überraschen, bin ich mir sicher, dass unsere Partner ihre Solidarität mit Griechenland zeigen werden", sagte er der "Welt". Die griechische Regierung setze die Bedingungen der Troika um und tue alles Mögliche, um am Ende des Jahres wie versprochen einen strukturellen Haushaltsüberschuss zu erzielen, sagte der Ressortchef.

Zuletzt war die Sorge gestiegen, dass die Sanierung der griechischen Staatsfinanzen nicht vorankommen könnte. Vertreter der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) sind seit Wochenbeginn in Athen. Es geht um die Vorbedingungen für die Auszahlung einer weiteren Kredittranche von 8,1 Milliarden Euro bis Ende Juli.

Athen kommt bei Umbau des Staates nur schleppend voran

Bis spätestens zum 8. Juli, wenn in Brüssel die Eurogruppe tagt, muss eine Reihe von Fragen geklärt sein, bei denen Athen Berichten zufolge teilweise erheblich im Rückstand ist. Wie die griechische Zeitung "Kathimerini" unter Berufung auf ein vertrauliches Papier aus dem Ministerium für Verwaltungsreform berichtete, kommt vor allem der geforderte Umbau des Staates nur schleppend voran. Die Zeitung listet insgesamt elf Reformschritte auf, von denen fünf bis Ende Juni hätten abgeschlossen sein müssen.

Größter Knackpunkt ist dem Bericht zufolge die geforderte Überführung von 12.500 Angestellten in eine sogenannte Mobilitätsreserve bei reduzierten Bezügen. Sie wird als Vorstufe zu Entlassungen gesehen. Der für die Reform der Verwaltung zuständige neue Minister Kyriakos Mitsotakis will laut Medienberichten einen Aufschub bis September erwirken.

Einem Bericht zufolge wächst wenige Tage vor den neuerlichen Beratungen der EU-Finanzminister über die Lage in Griechenland bei den Geldgebern offenbar die Unzufriedenheit über die Reformfortschritte des Landes. Sie verlangten nun binnen Tagen ein klares Bekenntnis des Euro-Landes zur Fortsetzung der Modernisierung, berichtet Reuters. "Alle stimmen überein, dass Griechenland noch vor der Euro-Gruppe am Montag liefern muss", sagte ein Insider. "Deshalb müssen sie am Freitag noch einmal etwas vorlegen." Dies sei entscheidend für die Auszahlung der nächsten Kredit-Tranche von 8,1 Milliarden Euro. Die EU-Kommission dementierte ein dreitägiges Ultimatum. "Wir haben keinen Zeitplan festgelegt", sagte der Sprecher von Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn.

Neuer Schnitt träfe vor allem Steuerzahler

Griechenland wird von seinen Euro-Partnern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) bis Ende 2014 mit Krediten von 130 Milliarden Euro vor der Pleite bewahrt. Im Frühjahr 2012 hatte es mit einem Schuldenschnitt bei seinen Privatgläubigern, vor allem Banken und Versicherungen, die Verbindlichkeiten um gut 100 Milliarden Euro verringert. Im Gegenzug für die neuen Kredite sind weitere Reformen fällig, die vierteljährlich überprüft werden.

Als Alternative zu weiteren Einschnitten wird dabei immer wieder über einen zweiten Schuldenschnitt diskutiert. Dieser neuerliche Haircut würde jedoch vor allem die öffentlichen Hilfskredite treffen und damit letztlich die Steuerzahler. So hatte die deutsche Staatsbank KfW beim ersten Hilfsprogramm rund 15 Milliarden Euro nach Athen überwiesen, die über den Bundeshaushalt abgesichert worden sind. Die Privatgläubiger hatten im vergangenen Jahr bereits auf über 50 Prozent ihrer Forderungen verzichtet und sich weitgehend von ihren übrigen Hellas-Anleihen getrennt.

"Es ist ärgerlich, dass Politiker in Griechenland erneut über einen Schuldenschnitt spekulieren", sagte der Finanzexperte der Unions-Fraktion im Bundestag, Norbert Barthle (CDU). "Das weckt falsche Erwartungen und ist völlig unangemessen." Dagegen sagte SPD-Fraktions-Vize Joachim Poß, die Worte des griechischen Wirtschaftsministers zeigten: "Die europäischen Partner gehen fest davon aus, dass Frau Merkel der deutschen Bevölkerung erst nach der Wahl reinen Wein einschenken wird."

Wirtschaftslage bleibt desolat

Anlass der immer lauter werdenden Forderungen nach einem zweiten Schuldenschnitt ist die desolate Lage im Mittelmeerland. Trotz der Hilfen ist die Schuldenlast immer noch erdrückend hoch. Gleichzeitig kommt die griechische Wirtschaft nicht auf die Beine. Sie befindet sich seit mehreren Jahren in einer Rezession. Die Arbeitslosenquote lag im Mai bei fast 27 Prozent. Besonders dramatisch ist die Lage bei den Jugendlichen: Dort klettere sie auf mittlerweile fast 60 Prozent. Auch IWF favorisiert einen weiteren Schuldenschnitt für Athen.

Unterdessen kommen auf die fragile griechische Finanzwirtschaft mit dem Rücktritt des Vize-Chefs des nationalen Bankenrettungsfonds neue Schwierigkeiten zu. Marios Koliopoulos war zuständig für die Rekapitalisierung der Banken des Euro-Sorgenlandes. Damit verliert der Rettungsfonds HFSF den zweiten Manager aus der Führungsriege binnen kurzer Zeit. Genaue Gründe für den Rückzug nannte die Presseerklärung nicht.

Der HFSF hat aus dem EU-Rettungsprogramm 50 Milliarden Euro erhalten, um die Banken mit frischem Kapital zu versorgen. Sie hatten unter dem Schuldenschnitt auf griechische Staatsanleihen schwer gelitten.

Quelle: ntv.de, jwu/dpa/rts/DJ/

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