Kampf um Klinikmarkt entscheiden Juristen Milliardenpoker um Rhön-Klinikum
09.07.2013, 12:40 Uhr
Beim börsennotierten Rhön-Klinikum haben sich die Großaktionäre heillos untereinander zerstritten.
(Foto: picture alliance / dpa)
Rhön-Klinikum-Gründer Münch hat einen Traum: Er will einen umfassenden Krankenhausanbieter, dessen Kliniken für jeden deutschen Bürger innerhalb von 60 Minuten erreichbar sein sollen. Allerdings ist der Markt eng und hart umkämpft. Das könnte der börsennotierten Rhön zum Verhängnis werden.
Die ersten Gewinner im milliardenschweren Pokerspiel um den fränkischen Klinikbetreiber Rhön stehen fest: Es sind die Anwälte. Wurde ein Vertreter des nordhessischen Großaktionärs B. Braun Holding widerrechtlich auf der Frankfurter Hauptversammlung am 12. Juni kaltgestellt oder nicht - um diese juristisch durchaus komplexe Frage kreist zur Zeit die Diskussion in einem der heißesten Wirtschaftskrimis der vergangenen Jahre. Im Mittelpunkt stehen vier Konzerne mit jeweiligem Milliardenumsatz, die um die Vorherrschaft auf dem privaten Krankenhausmarkt kämpfen.
Am Anfang stand der Traum des Rhön-Gründers Eugen Münch, der sein Lebenswerk abrunden will. Der kinderlose Münch träumt von einem umfassenden Krankenhausanbieter, dessen Kliniken für jeden deutschen Bürger innerhalb von 60 Minuten erreichbar sein sollten.
Wenige private Anbieter
Mit seinem eigenen, seit 1989 börsennotierten Unternehmen war Münch an den Grenzen des Wachstums angekommen: In einem zähen Ringen um jedes kleine, zur Privatisierung anstehende Kreiskrankenhaus machen sich seit Jahren mehrere Klinikketten gegenseitig das Leben schwer: Neben Rhön zählten dazu die Fresenius-Tochter Helios, die Hamburger Asklepios-Kette und der Münchner Betreiber Sana. Diese Unternehmen teilen sich im Wesentlichen den privaten Klinikmarkt in Deutschland auf, der etwa ein Drittel des Gesamtmarkts ausmacht.
Im Verbund mit dem auch auf anderen Medizin-Gebieten sehr erfolgreichen Fresenius-Konzern schien Münch 2012 seinem Ziel zum Greifen nah. Für rund 3,1 Mrd. Euro wollte der Dax-Konzern aus Bad Homburg 90 Prozent der Rhön-Aktien einsammeln und so aus dem eigenen Branchenführer Helios und der renditeschwächeren Rhön einen kaum noch angreifbaren Krankenhauskonzern schmieden.
Fresenius scheiterte an der hohen 90-Prozent-Hürde, die Münch einst selbst gesetzt hatte, um seinen Einfluss in der AG zu sichern. Der Konkurrent Asklepios sowie der Medizintechnikzulieferer B. Braun kauften Aktienpakete auf und konnten so gemeinsam eine eigene Sperrminorität von 10 Prozent aufbauen. Auch Fresenius und Sana halten seit dem Übernahme-Drama größere Aktienpaket von Rhön.
Es geht hoch her
Für den Familienkonzern B. Braun steht künftige Geschäfte auf dem Spiel. In vielen Sektoren stehen die mit Dauer-Kanülen ("Braunüle") groß gewordenen Nordhessen in direkter Konkurrenz zur Fresenius-Tochter Kabi und müssten im Fall einer Rhön-Übernahme um Aufträge fürchten. Wohl nicht zufällig drohte Münch nach dem Eklat von Frankfurt mit einer Auslistung der B. Braun-Produkte im Wert zwischen 10 Mio. und 30 Mio. Euro. Offiziell handelt es sich aber nur um eine routinemäßige Überprüfung der Lieferanten, erklärt Rhön.
Der Hamburger Klinikkonzern Asklepios des Alleininhabers Bernard Broermann will seine Marktposition behaupten. Vom Bundeskartellamt hat Broermann sogar die Genehmigung erhalten, mit 10 Prozent plus einer Aktie allein die Sperrminorität bei Rhön zu erlangen, dies aber noch nicht erreicht.
Möglicherweise war es diese Horrorvision, die Münch und weitere Aktionäre auf der Hauptversammlung vom 12. Juni zum schnellen Handeln veranlasst hat. Wegen eines angeblichen Formfehlers wurde der von B. Braun als "Legitimationsaktionär" entsandte Frankfurter Anwalt Markus Linnerz von der entscheidenden Abstimmung ausgeschlossen. Juristische Rückendeckung holte sich Aufsichtsratschef Münch gleich bei drei Anwaltskanzleien, darunter ausgewiesene Aktienrechts-Spezialisten wie die Münchner Societät Bub Gauweiler.
Juristische Geplänkel
Der Plan funktionierte zunächst: Mit knapp 90 Prozent wurde die alte Sperrminorität aufgehoben, fortan sind nur noch 75 Prozent plus eine Aktie für wichtige Entscheidungen notwendig. Die Übernahmehürde für Fresenius ist wie gewünscht deutlich abgesenkt worden.
Doch natürlich wollen sich B. Braun und möglicherweise auch Asklepios nicht auf diese Weise übertölpeln lassen. Bis zum Fristablauf am 12. Juli werde man beim Landgericht Nürnberg-Fürth Anfechtungsklage einreichen, teilten die Braun-Anwälte mit. Einen vorschnellen Eintrag der Satzungsänderung im Handelsregister werde man notfalls mit einer einstweiligen Verfügung verhindern. Mindestens ein weiterer Aktionär hat bereits Klage eingereicht, wie das Gericht bestätigte. Falls die Klagen angenommen werden, droht ein jahrelanger Rechtsstreit durch alle Instanzen.
Quelle: ntv.de, Christian Ebner, dpa