Vier Millionen Beschäftigte Mindestlohn soll auf 8,84 Euro steigen
28.06.2016, 16:35 Uhr
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Seit eineinhalb Jahren gibt es in Deutschland eine Lohnuntergrenze. Sie wird nun erstmals überprüft. Im Ergebnis schlagen die Experten eine Anhebung um 34 Cent vor. Nicht alle sind begeistert.
Der seit eineinhalb Jahren geltende gesetzliche Mindestlohn soll 2017 erstmals angehoben werden. Für rund vier Millionen Beschäftigte steigt die Lohnuntergrenze von derzeit 8,50 Euro auf 8,84 Euro pro Stunde. Das schlug die Mindestlohnkommission vor. Die Entscheidung sei einstimmig gefallen, sagte deren Vorsitzender Jan Zilius. "Die Höhe der Anpassung orientiert sich nachlaufend an der Tarifentwicklung." Die Bundesregierung kann die Empfehlung nur annehmen oder ablehnen, nicht aber verändern. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles kündigte an, der Empfehlung zu folgen. "Den Beschluss werde ich der Bundesregierung vorlegen."
Grundlage für die Entscheidung des Gremiums - in dem Arbeitgeber und Gewerkschaften paritätisch vertreten sind - ist der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Tarifindex. In ihn fließen rund 500 Tarifverträge ein. In den vergangenen eineinhalb Jahren stiegen die Löhne und Gehälter um durchschnittlich 3,2 Prozent. Damit wäre der Mindestlohn auf exakt 8,77 Euro gestiegen. Das Gremium hatte aber auch eigenen Entscheidungsspielraum.
Die Kommission nahm nun aber auch den jüngsten Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst mit als Basis, der noch nicht durch Auszahlung wirksam geworden ist. Die Gewerkschaften scheiterten aber mit der Forderung, ebenso den jüngsten Tarifabschluss für die Metall- und Elektrobranche zu berücksichtigen. Dann hätte der künftige Mindestlohn bei 8,87 Euro gelegen.
DGB zufrieden, Ifo nicht
DGB-Vorstandsmitglied und Kommissionsmitglied Stefan Körzell sagte: "Aus unserer Sicht ist das Glas etwas voller als halbleer." Doch der höhere Mindestlohn sei auch positiv für Wirtschaft sowie Steuer- und Sozialsysteme. "Jeder Cent bedeutet 70 Millionen Euro mehr Kaufkraft pro Jahr - und damit mehr Steuer- und Beitragseinnahmen." Auch Reinhard Göhner, der für die Arbeitgeber in dem Gremium sitzt, zeigte sich zufrieden.
Der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ist die Anhebung allerdings nicht hoch genug. "Damit bleibt der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland deutlich hinter denen der westeuropäischen Nachbarländer zurück", sagte ver.di-Chef Frank Bsirske.
Dagegen kritisierte der Sozialverband VdK die Erhöhung als unzureichend. "Der Mindestlohn muss deutlich erhöht werden und sicherstellen, dass Beschäftigte in Vollzeit mit dem Arbeitseinkommen für ihren Lebensunterunterhalt sorgen können und eine angemessene Alterssicherung über dem Grundsicherungsniveau aufbauen können", sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher.
Kritik kam ferner vom Taxi- und Mietwagenverband sowie vom Einzelhandelsverband HDE. Der Chef des Ifo-Instituts Clemens Fuest sagte: "Angesichts der Flüchtlingszuwanderung hätte ich es für angemessen gehalten, den Mindestlohn vorerst nicht zu erhöhen. Ich befürchte, dass das Auswirkungen auf die Flüchtlingsintegration hat."
Der bundesweite Mindestlohn wurde zum 1. Januar 2015 eingeführt. Ausgenommen sind Langzeitarbeitslose nach einer Arbeitsaufnahme in den ersten sechs Monaten sowie Azubis und Menschen mit Pflichtpraktikum oder Praktikum unter drei Monaten. Der Gesetzgeber hatte weitere Vorgaben gemacht, die bei einer Erhöhung berücksichtigt werden sollen - etwa dass die Beschäftigung nicht bedroht wird. Die nächste Anhebung steht zum 1. Januar 2019 an. Das Gesetz sieht alle zwei Jahre eine Anpassung vor.
Quelle: ntv.de, jwu/rts/dpa