Einsparungen bei Sprit und CO2 Lufthansa testet Sparstarts
28.05.2013, 17:27 Uhr
Starts- und Landungen im Minutentakt: Das neue Startverfahren soll Lärm vermeiden und dabei auch noch Treibstoff sparen.
(Foto: REUTERS)
Am 1. Juli sollen am Himmel über Frankfurt versuchsweise neue Regeln gelten: Die Lufthansa will Piloten ausgewählter Maschinen anweisen, früher als bisher in die Steigflugphase überzugehen. Das neue Verfahren soll vor allem Kerosin sparen. Lärmgeplagte Anwohner fürchten neue Belastungen.
Für Anwohner rund um die deutschen Großflughäfen zeichnen sich neuer Ärger ab: Die größte deutsche Fluggesellschaft will ein neues Abflugverfahren am Frankfurter Flughafen im Praxisbetrieb erproben. Ziel der Tests ist allerdings nicht - wie ursprünglich gemeldet - eine geringere Lärmbelastung am Boden. Für die Deutsche Lufthansa geht es vielmehr um erhoffte Einsparungen beim Treibstoffverbrauch und weniger Abgas-Emissionen.
An ihrem größten Standort am Drehkreuz in Frankfurt am Main will die Lufthansa eigenen Angaben zufolge einzelne Jets künftig nach einem veränderten Ablauf starten lassen. Ab Juni sollen demnach ausgewählte Maschinen bereits in geringerer Höhe als bisher von der Start- in die Steigflugphase übergehen.
"Dieses Verfahren ist an den meisten deutschen und internationalen Flughafenstandorten üblich und wird bereits von vielen Airlines praktiziert, weil es zu geringerem Treibstoffverbrauch und reduzierten CO2-Emissionen führt", teilte die Lufthansa mit. Am Frankfurter Flughafen nutzen demnach schon jetzt viele Airlines die Vorteile dieses Abflugverfahrens.
In den stark frequentierten Flugschneisen im Großraum Frankfurt kämpfen Anwohner dagegen zum Teil seit Jahren gegen die Folgen des stark anschwellenden Luftreiseverkehrs. Bislang führen Lärm vermeidende "Steilstarts" noch zu höheren Kosten. Der Grund liegt auf der Hand: Je steiler ein Pilot die Flugzeugnase in den Himmel zieht, desto stärker müssen die Triebwerke arbeiten, um die Maschine in die Höhe zu bringen. Der Kerosinverbrauch steigt.
"Ab Juni sollen die Höhen zum Setzen des Steigschubs und zur weiteren Beschleunigung startender Lufthansa-Flugzeuge von 1500 Fuß (rund 457 Meter) auf 1000 Fuß (rund 305 Meter) geändert werden", heißt es bei der Lufthansa. Damit dürfen Flugkapitäne den Schub nach der Startphase deutlich früher als bisher reduzieren.
Im Rahmen der Tests will die Lufthansa das kerosinsparende Verfahren auf seine Lärmauswirkungen vor Ort testen. Zum Vergleich soll weiterhin auch auf die bislang übliche Weise gestartet werden. Nach Auswertung der Daten will die Fluggesellschaft dann über eine Einführung der sogenannten "1000-Fuß-Acceleration" an deutschen Standorten entschieden. Ziel dieses schrittweisen Vorgehens sei eine "transparente Erhebung und Evaluierung zuverlässiger Messdaten der Geräuschpegel des neuen Startverfahrens", wie es bei der Lufthansa heißt.
Zweifel in der Abflugschneise
Auf große Sympathien stößt die Versuchsreihe am Boden bislang nicht: Anwohner müssen eine zusätzliche Lärmbelastung fürchten, wenn künftig nun auch die Lufthansa-Maschinen in ähnlich flachem Winkel starten wie die Flieger der Konkurrenz.
Welches Ausmaß das Problem Fluglärm im Rhein-Main-Gebiet zeigt sich nicht nur bei einem Blick auf die Karte der dicht besiedelten Metropolregion rund um den größten deutschen Flughafen Frankfurt am Main. Der in den letzten Jahren stark gestiegene Flugverkehr führt immer wieder zu massiven Bürgerprotesten. Zuletzt demonstrierten Ende April mehrere tausend Menschen gegen Flug- und Bahnlärm. In Mainz gingen dabei nach Angaben von Polizei und Veranstaltern rund 4500 Menschen auf die Straße, um gegen die Belastungen durch den Lärm zu protestieren. In der Kritik stand dabei besonders der Flughafen Frankfurt.
Gesellschaftliche Herausforderung
Fluglärm ist dabei nicht nur im Rhein-Main-Gebiet ein heiß diskutiertes Thema: Auch rund um den geplanten Großflughafen Berlin-Brandenburg International (BBI) führen Lärmbelastungen, Flugrouten und kostspielige Maßnahmen zum Schallschutz immer wieder zu Klagen, Verzögerung und teils hitzig geführten Debatten. Kaum bestreiten lassen sich dabei die gesundheitlichen Auswirkungen von lärmbedingtem Stress - und die starke Zunahme des deutschen Flugverkehrs.
Schon jetzt gilt nach einer aktuellen Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS) etwa jeder zehnte Deutsche als stressbelastet - Frauen häufiger als Männer. "Menschen mit einer starken Belastung durch chronischen Stress haben häufiger eine depressive Symptomatik, ein Burnout-Syndrom oder Schlafstörung", erklärten die Forscher. Viele Menschen leiden ihren Erkenntnissen zufolge unter Lärm. Jeden Dritten stört demnach der Lärm aus dem Straßenverkehr, einem Viertel der Befragten ist der Nachbar zu laut, jeder Fünfte berichtete über Fluglärm.
Für die DEGS-Studie erfasste das RKI von 2008 bis 2011 die Daten von 8152 Menschen - knapp die Hälfte davon war schon beim Bundes-Gesundheitssurvey 1998 dabei. Das Alter der Teilnehmer lag zwischen 18 und 91 Jahren.
Hinweis in eigener Sache: Irrtümlicherweise hatte es zunächst geheißen, dass die testweise Einführung des neuen Abflugverfahrens auf eine Lärmreduzierung abzielt. Richtig ist dagegen, dass zunächst lediglich die Auswirkungen eines flacheren Steigflugwinkels auf die Lärmbelastungen gemessen werden sollen.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa