Von der Apotheke zum Multi Oetker feiert Geburtstag
06.01.2012, 10:25 Uhr
Der Chef des Familienunternehmens: Richard Oetker.
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Der Geburtstag des Firmengründers Dr. August Oetker jährt sich zum 150. Mal. Das Familienunternehmen wirft aus diesem Anlass einen langen Blick zurück, meidet aber offiziell den Blick nach vorn - zumindest wenn es um die Führungsfrage geht.
Alfred Oetker kennt sich aus mit Machtkämpfen in Familienunternehmen. Der Titel seiner Doktorarbeit lautete: "Stakeholder-Konflikte in Familienkonzernen". Alfred gilt als möglicher Nachfolger seines 16 Jahre älteren Halbbruders Richard, der derzeit an der Spitze des Bielefelder Konzerns steht und kürzlich 61 Jahre alt wurde. Spätestens in vier Jahren muss Richard das Amt wohl abgeben. In der Firmenzentrale heißt es dazu wie immer in solchen Fragen nur: "Kein Kommentar."
Seit Generationen Symbol für Backspaß und Pudding: Das Logo von Dr. Oetker am Stammsitz in Bielefeld.
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Dabei verfügt man bei Dr. Oetker eigentlich über Erfahrung mit der Nachfolgerwahl und umsichtigen Führungswechseln. Denn die Geschichte des Familienunternehmens reicht weit zurück. Der Geburtstag des Gründers, des legendären Backtriebmittel-Genies, jährt sich zum 150. Mal: Am 6. Januar 1862 wird der Bäckersohn August Oetker in Obernkirchen nahe dem ostwestfälischen Minden geboren. Nach einer beschaulichen Jugend in der Provinz wagt der ehrgeizige Apotheker erste berufliche Schritte in Berlin, bevor er am 1. Januar 1891 die Aschoff'sche Apotheke in übernimmt.
Oetker experimentiert mit der Entwicklung allerlei Produkte, die aus heutiger Sicht kurios anmuten. In der Aschoff'schen Apotheke mixt er medizinische Weine und neuartige Fußcremes. Der wirtschaftliche Erfolg seiner Versuche bleibt unter den Erwartungen. Dann experimentiert der Bäckersohn in einer vier Quadratmeter kleinen Kammer ("meine Geheimbutze") mit Backpulver. Das hatte zwar zuvor schon Justus Liebig erfunden. Man konnte es aber nicht längere Zeit lagern - und einen Beigeschmack hatte es auch.
Oetker experimentiert so lange, bis er im Jahr 1893 portioniertes Backpulver in Tütchen auf den Markt bringt. Der Clou daran: Er garantiert, dass es genau die richtige Menge Triebmittel für ein Pfund Mehl ist. Für die Qualität bürgte Dr. Oetker mit seinem Namen. Daraus ist eine der bekanntesten Marken Deutschlands entstanden. Bereits wenige Jahre später läuft die industrielle Produktion im großen Maßstab: 1899 werden zwei Millionen Tütchen "Backin" hergestellt.
Im Mai 1900 zieht das Unternehmen in die Bielefelder Lutterstraße, wo noch heute die Zentrale in mächtigen alten Backsteinbauten sitzt. Neue Produkte wie Vanillin-Zucker, Speisestärke und das Puddingpulver bereichern das Sortiment. In seinen Fabriken lässt August Oetker Losungen anbringen wie "Ein heller Kopf, der Ordnung hält, erspart viel Arbeit, Zeit und Geld". 1916 fällt Augusts Sohn und designierter Nachfolger Rudolf im Ersten Weltkrieg. 1918 stirbt der Firmengründer mit nur 56 Jahren.
Schwere Schiffsdiesel, nicht Backpulver, treiben diesen Containerfrachter der Dr. Oetker-Sparte Hamburg Süd an.
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Seitdem gab es nur vier Chefs bei Oetker, derzeit ist es Richard. Der Familienkonzern ist längst viel mehr als Pudding und Backpulver. 2010 stammte fast jeder zweite Euro des Konzernumsatzes von 9,5 Mrd. Euro aus dem Reedereigeschäft: Die "Hamburg Süd" ist nach Unternehmensangaben Deutschlands größte Reederei in Privatbesitz. Eine Flotte von 169 Schiffen transportiert einen Containerbestand von über 396.000 Einheiten über die Weltmeere.
Mehr als nur Pudding und Container
Zweitgrößte Sparte sind die Nahrungsmittel, die ein Viertel des Konzernumsatzes stellten. Hier kommen Back- und Puddingpulver in die Tüte, Tiefkühlkost in den Karton und speziell vorbereitete Zutaten in die Auslieferung an Bäckereien und Konditoreien, Gastronomie und Kantinen.
Das traditionsreiche Unternehmen ist ein großer "Gemischtwarenladen" mit etwa 400 einzelnen Unternehmen und rund 24.000 Mitarbeitern weltweit. Die bekannteste Sparte ist die Dr. Oetker GmbH.
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Drittgrößte Aktivität ist die Radeberger Gruppe, einer der führenden Bierhersteller Deutschlands mit Marken wie Radeberger selbst, Jever, Schöfferhofer Weizen, Clausthaler und Selters Mineralwasser. Dazu kommt die Sparte Sekt, Wein und Spirituosen der Töchter Henkell, Söhnlein, Fürst von Metternich, Deinhard, Kupferberg, Gorbatschow Wodka und der Scharlachberg Weinbrennerei. Das Bankhaus Lampe, einige Luxushotels, der Dr. Oetker Verlag und die Chemische Fabrik Budenheim ergänzen das ungewöhnlich breit aufgestellte Fundament des Familienunternehmens.
Rente erst mit 67?
Doch wenn es um die Zukunft der Oetker-Spitze geht, wird das Unternehmen genauso einsilbig wie bei Fragen nach Gewinnen und Verlusten. Aus den drei Ehen von Rudolf-August Oetker (1916 bis 2007) gingen acht Kinder hervor.
Oetker liefert, was hungrige Kunden wollen: Vor 150 Jahren waren Tiefkühlpizzen noch nahezu unvorstellbar.
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Angeblich sollen die fünf Ältesten, als im Jahr 2009 an der Konzernspitze der anstand - dem gleichnamigen Urenkel des Firmengründers - den nur wenig jüngeren Richard Oetker durchgesetzt haben. Aus dem Umfeld des Unternehmens heißt es, dies sei gegen den Willen der drei jüngsten Oetker-Kinder geschehen. Die hätten sich für Alfred Oetker ausgesprochen, der schließlich über die "Stakeholder-Konflikte" schrieb.
Alfred Oetker ist der älteste Sohn von Rudolf-August und dessen dritter Frau, Marianne. Wie sein Vater hat er Bankkaufmann gelernt. Später studierte er Betriebswirtschaft in Passau, promovierte in Leipzig, arbeitete im Marketing des Henkel-Konzerns und seit einigen Jahren als Geschäftsführer für Oetker in Belgien und den Niederlanden.
Wie auch immer die Nachfolge geregelt wird, heißt es bei den Oetkers, im Vordergrund stehe immer der Grundsatz: "Die Interessen der Unternehmens haben Vorrang vor denen der Familie". Und ansonsten gilt: "Kein Kommentar."
Quelle: ntv.de, dpa