Dramatischer Appell Ökonomen fürchten Katastrophe
25.07.2012, 16:33 UhrEuropa steht nach Ansicht führender Wirtschaftswissenschaftler vor dem Abgrund und muss die Währungsunion so schnell wie möglich reformieren. Die Ökonomen, darunter die beiden Wirtschaftsweisen Bofinger und Feld, verlangen von den Regierungen schnelle durchgreifende Reformen, um den Kollaps zu vermeiden. Doch die gibt sich gelassen.
Namhafte europäische Ökonomen schlagen in der Schuldenkrise Alarm. In einem dramatischen Appell rief eine Gruppe von 17 renommierten Wirtschaftswissenschaftlern die Euro-Länder am Mittwoch zum Handeln auf. "Wir glauben, dass Europa schlafwandelnd auf eine Katastrophe mit unkalkulierbaren Ausmaßen zutaumelt", warnten die Volkswirte in einer Studie.
Als Sofortmaßnahme fordern sie, einen Teil der Schulden von Krisenländern in einen Tilgungsfonds mit gemeinschaftlicher Haftung auszulagern, um den Staaten wieder Luft zu verschaffen, sowie ein stärkeres Eingreifen der Europäischen Zentralbank. Eine langfristige Transferunion lehnen sie aber ebenso ab wie Eurobonds.
Die Ökonomen - darunter die beiden Mitglieder des deutschen Sachverständigenrates Lars Feld und Peter Bofinger - mahnten in einer Studie, die Lage in den Euro-Krisenländern habe sich zuletzt dramatisch verschlechtert. "Der Eindruck einer nicht-endenden Krise, in der ein Dominostein nach dem anderen fällt, muss korrigiert werden", forderten sie. Als bislang letzter Dominostein, Spanien, stehe kurz vor einer Liquiditätsspritze. Die Studie wurde von der Denkfabrik Institute for New Economic Thinking (Ines) veröffentlicht. Diese hatte einen Rat zum Thema Euro-Staatsschuldenkrise gegründet.
Bundesregierung demonstriert Gelassenheit
"Es ist nach wie vor möglich, ökonomisch und politisch, einen Weg heraus aus der Eurokrise zu finden", sehen die Ökonomen einen Hoffnungsschimmer. Vor allem müsse die fehlerhafte Konstruktion der Euro-Zone korrigiert und mit neuen Elementen ergänzt werden. Dazu bedürfe es einer signifikanten Lastenteilung unter den Euro-Ländern und einer Strategie, die die härtesten kämpfenden Krisenländer im Währungsraum kurzfristig stabilisieren müsse. Ziel sollte eine Fiskalunion einschließlich einer Bankenunion mit starken europäischen Institutionen sein. Mit einem umfassenden Aktionsplan müssten die Zinskosten für Krisenländer gesenkt, die Rezession dort bekämpft und das Schuldenniveau verringert werden. Die Politiker in den starken Ländern müssten ihren Wählern klar machen, dass eine größere Lastenteilung in der Währungsunion nicht nur notwendig, sondern auch gerecht ist.
Die Bundesregierung teilt die dramatische Lageeinschätzung der Ökonomen zwar nicht, sieht aber bei einigen Vorschlägen auch Übereinstimmungen, wie Vizeregierungssprecher Georg Streiter sagte. Gegen den Vorschlag eines Schuldentilgungsfonds habe die Regierung nach wie vor verfassungsrechtliche Bedenken. "Die Einschätzung, dass Europa an der Schwelle zu einer Katastrophe steht, wird von der Bundesregierung ausdrücklich nicht geteilt", sagte Streiter. "Das ist eine von vielen Expertenmeinungen, die wir zur Kenntnis nehmen."
Quelle: ntv.de, dpa/rts