Wirtschaft

Werk Bochum gerettet? Opelaner verhandeln die Zukunft

Bochum bangt - und hofft.

Bochum bangt - und hofft.

(Foto: REUTERS)

Die Absatzkrise in Europa trifft die Massenhersteller mit voller Wucht. Ford schließt die ersten Werke - und auch Opel versucht, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Geschäftsführung und Arbeitnehmer verhandeln. Allerdings fordern beide Seiten mehr Zeit. Zeit, die der Traditionsautobauer aber nicht hat, denn die Mutter General Motors steht unter Zugzwang.

Nach der Ankündigung von Ford, in Europa mehrere Werke zu schließen, geht auch bei Opel die Angst um. Nach monatelangen Verhandlungen konnten sich Geschäftsführung und Arbeitnehmer nach Gewerkschaftsangaben noch nicht auf eine gemeinsame Strategie zur Sanierung des kriselnden Herstellers einigen. "Wir brauchen schlicht noch mehr Zeit und wollen eine gute Einigung nicht durch Zeitdruck gefährden", teilte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Wolfgang Schäfer-Klug mit. Ziel sei, sich so bald wie möglich zu einigen.

Der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel sieht bei den Verhandlungen deutliche Fortschritte. Geschäftsführung und Arbeitnehmer hätten sich darauf verständigt, mit einer Perspektive für die Opel-Standorte über das Jahr 2016 hinaus weiterzuverhandeln, sagte Einenkel. "Das ist der Auftrag, den wir uns gemeinsam gegeben haben." Damit wäre etwa eine mögliche Schließung des Opel-Werks Bochum erst einmal vom Tisch. Der Essener Zeitung "WAZ" sagte er zuvor: "Ich bin erleichtert." Ein Opel-Sprecher wollte dies nicht kommentieren.

IG-Metall-Chef Berthold Huber sagte: "Ziel ist eine Vereinbarung, die die Schwächephase des europäischen Automobilmarktes überbrückt und dabei Beschäftigung an allen Standorten langfristig sichert." Ein Knackpunkt bei der Auseinandersetzung: Um Kosten zu drücken und Überkapazitäten abzubauen, will das Opel-Management ein Werk schließen. Doch das haben Gewerkschaft und Betriebsrat bisher vehement abgelehnt. Wackelkandidat Nummer eins ist der Standort Bochum.

GM/PSA/Opel  

Eine wichtige Hürde im Kampf gegen überbordende Kosten hat Opel gemeinsam mit Peugeot-Citroën aber genommen. Das Bundeskartellamt gab grünes Licht für die Allianz der Opel-Mutter General Motors (GM) und dem französischen Autokonzern PSA. "Mit der strategischen Allianz geht eine gewisse Marktkonzentration einher", sagte der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt. Diese führe aber nicht zu einer marktbeherrschenden Position: "In den meisten Fahrzeugsegmenten verkaufen andere Hersteller sowohl in Deutschland als auch in Europa mehr Fahrzeuge."

General Motors (GM)
General Motors (GM) 58,27

Die kriselnden Hersteller wollen ihren weltweiten Einkauf zusammenlegen und ihr Produktionsmaterial angleichen. Der im Frühjahr vorgelegte Plan sieht auch eine siebenprozentige Kapitalbeteiligung von GM an Peugeot vor.

Erst am Mittwoch hatten die Hersteller mitgeteilt, dass sie zunächst vier Fahrzeugplattformen gemeinsam entwickeln werden. Die ersten Autos sollen bis Ende 2016 auf den Markt kommen. Ziel sind jährliche Einsparungen von zwei Milliarden Dollar (1,5 Mrd Euro) nach spätestens fünf Jahren.

Opel-Werke bis 2014 sicher - oder nicht?

Bei Opel hatten die Arbeitnehmer eine Einigung bis Ende Oktober angestrebt. Bis dahin ist die Stundung der Tariferhöhung von 4,3 Prozent befristet. Danach müsste das Unternehmen die Belegschaft auf einen Schlag nachträglich auszahlen. Dabei soll es um rund 15 Mio. Euro gehen.

Ford
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Nach geltenden Verträgen sind die vier deutschen Opel-Werke bis 2014 sicher, bis dahin sind auch betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Das Unternehmen war im Juni mit dem Angebot in die Verhandlungen gegangen, seine Zusage um zwei Jahre zu verlängern - danach aber mit dem Auslaufen der aktuellen Zafira-Generation möglicherweise keine weiteren Modelle mehr in Bochum vom Band laufen zu lassen.

Im Gegenzug sollte über Kostensenkungen und ein Wachstumskonzept bis 2022 diskutiert werden, das neben neuen Modellen und Motoren auch etwa die Fertigung markenfremder Modelle wie Chevrolets in den Opel-Werken vorsieht. Betriebsrat und Gewerkschaft fordern hingegen Zusagen zu Standorten und Beschäftigung über 2016 hinaus.

Opel leidet unter der Absatzkrise ein Europa und kämpft mit teuren Überkapazitäten. Der Autobauer häuft seit Jahren Verluste an und muss dringend die Kosten drücken.

Ford fängt an

Das muss auch Ford und setzt GM bei der Sanierung seines defizitären Europageschäfts unter Zugzwang: Amerikas zweitgrößter Autobauer schließt in Belgien und Großbritannien drei Werke mit insgesamt 5700 Beschäftigten. Einschließlich des schon angekündigten Personalabbaus fallen bei dem Autobauer in den nächsten Jahren damit 6200 Stellen weg, 13 Prozent der Belegschaft in Europa.

Durch die Einschnitte will der Autobauer bis zu einer 500 Mio. Dollar im Jahr sparen und bis 2015 in Europa wieder profitabel sein. Durch die freiwerdenden Barmittel kann Ford in neue Modelle investieren, während Opel auf dem hart umkämpften europäischen Pkw-Markt weiter zurückzufallen droht.

"Ford reagiert deutlich schneller und konsequenter auf ansehende Probleme als GM", sagte Stefan Bratzel, der das Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach leitet. Bereits in der Krise der US-Automobilindustrie vor vier Jahren habe Ford schneller reagiert und seine Kapazitäten auf dem Heimatmarkt verringert.

"Ford ist straffer organisiert"

Als Grund für Fords Schnelligkeit führt Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler die Organisation des Konzerns aus Dearborn an, der seit 2006 von Alan Mulally geführt wird. Mulally hatte vorher den Flugzeugbauer Boeing saniert. "Ford ist ein wesentlich klarer und straffer geführtes Unternehmen und weniger bürokratisch als GM", sagte Autoanalyst Pieper. Der Detroiter GM-Konzern galt bereits vor der Autokrise in den USA als unbeweglich, hat sich im Zuge der Blitzinsolvenz vor drei Jahren aber von unrentablen Marken getrennt und ist inzwischen wiedererstarkt. Während GM dabei auf staatliche Hilfe angewiesen war, schaffte Ford dies weitgehend aus eigener Kraft.

ratzel sieht Ford daher eher in der Lage, auch im harten Konkurrenzkampf in Europa zu bestehen, in dem Premiummarken wie Audi, BMW und Mercedes-Benz zunehmend kleinere Autos anbieten und die Massenhersteller damit in ihren angestammten Segmenten angreifen. Der Druck im Massengeschäft steigt zudem, weil die koreanischen Marken Hyundai  und Kia mit günstigen und zuverlässigen Autos in der Krise punkten.

Ford rechnet angesichts der wegbrechenden Verkaufszahlen in diesem und im nächsten Jahr in Europa mit Verlusten von insgesamt mehr als 3 Mrd. Dollar. Die Rüsselsheimer GM-Tochter steht nicht besser da: Die Verluste im Europageschäft mit den beiden Marken Opel und Vauxhall summierten sich in der ersten Jahreshälfte auf 617 Mio. Dollar. Sie dürften angesichts der immer rasanteren Talfahrt am Pkw-Markt bis Jahresende über eine Milliarde Dollar klettern. In den vergangenen zehn Jahren hat GM in Europa - trotz zahlreicher Sanierungsversuche - 14 Mrd. Dollar verbrannt.

Quelle: ntv.de, bad/dpa/rts

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