Kampfjet mit Riss im Triebwerk Pentagon verhängt Startverbot
23.02.2013, 18:01 Uhr
Riss im Triebwerk: "Wir müssen herausfinden, ob das ein Einzelfall oder ob es auf die Konstruktion zurückzuführen ist."
(Foto: Reuters)
Das teuerste Waffenprogramm der Vereinigten Staaten bereitet den Militärs neuen Ärger: Im Inneren einer Maschine vom Typ F-35 "Lightning II" entdecken Techniker eine bedrohliche Schwachstelle. Dem derzeit wichtigsten Prestigeprojekt der US-Rüstungsindustrie droht ein Milliardendebakel.

Testlandung auf der "USS Wasp" bei ruhiger See: Für den Schwebeflug kann die Version F-35B den Triebwerksstrahl nach unten richten.
(Foto: Reuters)
Nach dem "Dreamliner" von Boeing kämpft ein weiteres Aushängeschild der US-Luftfahrtindustrie um die Flugzulassung: Das neue Allround-Kampfflugzeug der US-Streitkräfte muss ab sofort am Boden bleiben. Auf Befehl aus Washington wurden alle Testflüge des Stealth-Jets F-35 "Lightning II" aus Sicherheitsgründen ausgesetzt. Der Grund: Bei einem Routinecheck auf dem Luftwaffenstützpunkt Edwards in Kalifornien sei in der Turbine eines Kampfjets der Version F-35A ein Riss entdeckt worden, erklärte eine Militärsprecherin.
Als "Vorsichtsmaßnahme" dürfen daher zunächst alle 51 bislang ausgelieferten F-35-Maschinen nicht mehr abheben. Das Startverbot betrifft die gesamte F-35-Flotte, also sowohl die Luftwaffenversion F-35A als auch die Maschinen des US Marine Corps (F-35B) und die künftige Flugzeugträgerversion F-35C.
"Wir müssen herausfinden, ob das ein Einzelfall oder ob es auf die Konstruktion zurückzuführen ist", sagte die Sprecherin. Das betroffene Triebwerk-Teil sei zur Bewertung an den Hersteller Pratt & Whitney gesandt worden. Der Hersteller soll das defekte Teil genau überprüfen.
Aufrüstung in gewaltigen Ausmaßen
Die Entwicklung des F-35 gilt als eines der prestigeträchtigsten und bislang teuersten Rüstungsprogramme in der Geschichte der USA. Das neue Flugzeug soll gleich eine ganze Reihe verschiedener älterer Modelle ersetzen und dabei als "Joint Strike Fighter" (JSF, etwa: Gemeinsame Kampfjet) die teils sehr unterschiedlichen Anforderungen der verschiedenen Teilstreitkräfte erfüllen.
Das Einsatzspektrum der Maschinen umfasst taktische Luft-Boden-Angriffe zur Unterstützung von Bodentruppen ebenso wie den Luftkampf zur Abwehr feindlicher Jäger als auch Aufklärungsaufgaben tief im Hinterland potenzieller Gegner.
Auf die Vorstellungen der US-Luftwaffe gehen etwa die hohe Maximalgeschwindigkeit von knapp unter 2000 Stundenkilometern und die Tarnkappeneigenschaften zurück. Die US-Marineinfanterie, die traditionell eigene Kapazitäten zur Luftunterstützung unterhält, pochte dagegen auf Fähigkeiten wie eine hohe Bombenzuladung und den Senkrechtstart. Die US Navy wiederum forderte einen Jet, der kompakt genug ist, um auch auf Flugzeugträgern stationiert werden zu können.
Ein Eierlegender Wollmilch-Jet
Die Idee, eines Allround-Konzepts wollte das Pentagon wiederum nicht aufgeben: Die Militärplaner erhofften sich davon Einsparungen bei der Entwicklung und Vorteile im Praxisbetrieb wie etwa durch austauschbare Ersatzteile und gemeinsames Ingenieurswissen. Weil das ursprüngliche Konzept nicht durchzuhalten war, wurde das JSF-Programm in drei Varianten für Luftwaffe, Marineinfanterie und Marine aufgespalten.

Balanceakt beim "Vertical Landing": Wenn jetzt das Triebwerkversagt, endet der Testflug in einem flammenden Desaster.
(Foto: U.S. Navy)
Zugleich stiegen die Kosten allerdings immer weiter an. Das Programm liegt schon seit Jahren deutlich hinter dem Zeitplan, was die Ausgaben weiter in die Höhe treibt. Hauptursache der Verzögerungen sind Kritikern zufolge vor allem die immer wieder geänderten und erweiterten Leistungsanforderungen.
Medienberichten zufolge will das US-Militär insgesamt gut 2400 Kampfjets des Typs "Lightning II" zulegen. Als Kostenrahmen sind derzeit rund 400 Mrd. Dollar (etwa 303 Mrd. Euro) im Gespräch. Das macht das JSF-Programm zum bisher teuersten militärischen Anschaffungsvorhaben der USA. Gebaut werden die Maschinen von dem Rüstungsriesen Lockheed Martin.
Pannenflieger für die Briten-Träger?
An der Entwicklung sind auch weitere Unternehmen - wie etwa der Triebwerksspezialist Pratt & Whitney - und eine Reihe künftiger Abnehmerstaaten beteiligt. Angesichts der Lieferprobleme haben einige Projektpartner ihre Investitionen bereits teils verzögert oder gekappt.
Wichtigster ausländischer Exportpartner ist Großbritannien: Dort sind die trägertauglichen Maschinen vom Typ F-35C bereits fest eingeplant für die künftigen Flaggschiffe der Royal Navy. An Bord der beiden im Bau befindlichen Flugzeugträger der Queen-Elizabeth-Klasse sollen sie die Rolle der zum Teil bereits ausgemusterten Senkrechtstarter vom Typ Harrier übernehmen.
Britische Militärs verfolgen die Startschwierigkeiten des US-Prestigejets daher mit scharfem Interesse: Seit ihrem Erstflug im Jahr 2006 machen die Lightnings immer wieder mit Problemen und Mängeln von sich reden. Mittlerweile geht die Pannenserie weit über den Umfang der im Flugzeugbau üblichen "Kinderkrankheiten" hinaus. Erst vor einer Woche hatte das Pentagon einen Flugstopp für die Marineinfanterie-Version F-35B aufgehoben, der ebenfalls wegen eines maschinellen Problems verfügt worden war. Das neue Startverbot gilt nun gleich für alle Jet-Varianten.
Drohnen kommen billiger
Auch in der US-Öffentlichkeit ist das JSF-Programm nicht unumstritten: Kritiker halten den Entscheidern im Pentagon vor, dass die Flugzeuge ihr Geld nicht wert seien. Das US-Militär hat mittlerweile eingestanden, dass die Maschinen wohl nicht alle der hoch gesteckten Erwartungen in Sachen Effizienz und Leistungsfähigkeit erfüllen werden.
In Zeiten knapper Kassen im US-Staatshaushalt kommt ein Argument hinzu, dass selbst die Entwickler nicht einfach von der Hand weisen können: Angesichts der heutigen und künftigen Herausforderungen - etwa durch Milizen, Rebellen und Terroristen - könnten viele Aufgaben schlicht einfacher - und alles in allem sehr viel kostengünstiger - durch Drohnen erfüllt werden. Mit Blick auf den Sparzwang im US-Verteidigungsbereich gehen manche Experten bereits davon aus, dass die Rufe nach harten Einschnitten auch bei diesem Aushängeschild der US-Rüstungsindustrie bald lauter werden dürften.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa