Der bärtige Belgier Peter Praet im Porträt
04.01.2012, 06:45 UhrWenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. EZB-Chef Draghi löst das Postengeschacher zwischen Deutschland und Frankreich auf eine elegante Weise: Der Belgier Peter Praet wird überraschend neuer EZB-Chefvolkswirt. Doch wer ist dieser Mann?
Die Europäische Zentralbank ist einem deutsch-französischen Konflikt aus dem Weg gegangen: Der Belgier Peter Praet wird neuer Chefvolkswirt. Die Enttäuschung in Berlin dürfte zwar nicht gering gewesen sein, dass Deutschland seinen Kandidaten für den Posten nicht hat durchsetzen können. Doch Verständigungsschwierigkeiten dürften die Deutschen mit dem neuen Spitzenmann nicht bekommen, zumindest keine sprachlichen: Der Belgier Praet ist in Deutschland geboren und groß geworden. In den kommenden Monaten muss der promovierte Ökonom nun beweisen, dass er auch in der Euro-Krise Klarheit herstellen kann.
Er gilt geldpolitisch eher als "Taube", also als jemand der eher das Wachstum stimulieren will als die Inflation bekämpfen. Deutsche geldpolitische Vorstellungen teilt er also nicht unbedingt - ist ihnen aber doch näher als Benoît Coeuré, der neu ins Direktorium gekommene Franzose, der gute Chancen gehabt hätte, den prestigeträchtigen Posten zu ergattern, den nun Praet bekommt. Zentralbankchef Mario Draghi hat mit der Postenvergabe einen deutsch-französischen Eklat verhindert.
Deutsche Wurzeln
Der 62-jährige Praet stammt aus einem Dorf bei Siegburg in Nordrhein-Westfalen, sein Vater war Arzt bei den belgischen Truppen in Deutschland, die Mutter Deutsche. Nach der Schulzeit in einer belgischen Schule bei Köln wechselte Praet zum Studium in Belgiens offizielle und Europas inoffizielle Hauptstadt Brüssel. Dort wurde er später selbst Professor. Die in Brüssel und bei einem Abstecher zum Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington gesammelten Kenntnisse dürften ihm in der turbulenten Euro-Krise zugute kommen: Praet beschäftigte sich vor allem mit Geld- und Bankwesen, mit Wirtschafts- und Währungsunion.
Auch in der Wirtschaft und der belgischen Regierung hat Praet bereits Erfahrungen gesammelt: Für die heutige Fortis-Bank war er als Chefökonom tätig, danach führte er kurz das Kabinett des langjährigen belgischen Finanzministers und heutigen Außenministers Didier Reynders. Zur Zeit der Euro-Einführung - Belgien gehörte zu den ersten Staaten mit der gemeinsamen Währung - wechselte Praet als Direktor zur Nationalbank seines Landes, das dritthöchste Amt bei der Institution. Daneben gab er zunächst noch Vorlesungen zu einem Thema, das viele Bürger heute gerade im Finanzsektor vermissen: zur Unternehmensethik.
Nachfolger von Stark
In den vergangenen Jahren musste Praet sich wiederholt als Krisenbewältiger betätigen. Im Drama um die strauchelnde Fortis-Bank forderte er nach der staatlichen Übernahme des Instituts deren Aufspaltung, die dann auch kam. Praet arbeitete außerdem an den Regeln für die Bankenregulierung mit, die Ende 2010 als Konsequenz aus der Finanzmarktkrise unter dem Schlagwort "Basel III" beschlossen wurden. International gilt der bärtige Belgier als gut vernetzt.
In der EZB ist Praet erst seit Juni Mitglied im Direktorium, dem Exekutivorgan der Notenbank. Bereits 2004 und noch einmal 2010 war er bereits für einen Posten dort gehandelt worden. Jetzt tritt er die Nachfolge des Deutschen Jürgen Stark als Leiter der Volkswirtschaftsabteilung an, der aus Protest gegen die Staatsanleihenkäufe der Notenbank und die Entwicklung der Währungsunion vorzeitig gegangen war.
Bislang hatte immer Deutschland den Chefvolkswirt gestellt. Dem deutschen Kandidaten Jörg Asmussen stand diesmal allerdings der Franzose Benoît Coeuré gegenüber. Mit dem Mann aus Belgien treffen sich die deutschen und französischen Ambitionen auf das einflussreiche Amt buchstäblich in der Mitte.
Quelle: ntv.de, jga/rts/AFP