Wirtschaft

RWE-Chefin verwirft Kohle-Kritik "Unsere Zahlen bestätigen die grüne Transformation"

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Bei RWE gibt es für viele Menschen keine Grautöne, sondern nur Schwarz - oder Rot.

Bei RWE gibt es für viele Menschen keine Grautöne, sondern nur Schwarz - oder Rot.

(Foto: picture alliance / NurPhoto)

Wenn RWE erfolgreich ist, steigt der Puls vieler Menschen. Denn der nordrhein-westfälische Energiekonzern steht in Deutschland sinnbildlich für das Kohlegeschäft, die Zerstörung von Natur und Umwelt und den Klimawandel. Katja Wünschel sieht es anders. Der Braunkohleabbau sei genauso eine politische Entscheidung gewesen wie die Kernkraft, sagt die Chefin von RWE Renewables Europe and Australia im "Klima-Labor" von ntv. Inzwischen sei RWE aber auf dem besten Weg zum grünen Konzern: "Wir investieren in Deutschland bis 2030 15 Milliarden Euro in grüne Technologien, weltweit sind es 50 Milliarden Euro. Das ist unser Beitrag für den Klimaschutz", sagt Wünschel im Interview. Und bei dieser Transformation macht in den Augen der Konzernchefin nicht nur RWE erstaunliche Fortschritte: "Ich arbeite seit ungefähr 15 Jahren im Bereich der Erneuerbaren und wenn ich mir diese Zeit anschaue, habe ich Grund zum Optimismus", sagt sie. Denn Genehmigungen, auf die man sonst zwei Jahre lang gewartet habe, kämen plötzlich nach zwölf Monaten. "Das sehen wir auch in anderen Ländern."

ntv.de: Als RWE seine Gewinnprognose angehoben hat, gab es einen Sturm der Entrüstung. Jeder einzelne Cent gehöre vergesellschaftet, hieß es zum Beispiel oder, dass Inflation und Klimakrise anscheinend auch geil sein könnten. Fühlen Sie sich unfair behandelt?

Katja Wünschel: Ich kenne solche Tweets, aber das deckt sich nicht mit meiner Wahrnehmung. Ich bin auch sehr aktiv in den sozialen Medien, insbesondere auf LinkedIn. Wenn ich dort unsere Projekte, Aktivitäten oder unseren Beitrag zum Ausbau der erneuerbaren Energien poste, sind die Reaktionen durchweg positiv. Wir suchen auch viele neue Kolleginnen und Kollegen, weil wir noch viel mehr Projekte umsetzen wollen. Deren Feedback ist ebenfalls positiv.

Die wollen ja auch einen Job bei RWE haben.

Das ist ja auch ein tolles Unternehmen.

Aber dieses Feedback betrifft doch die erneuerbaren Projekte. RWE baut nach wie vor Braunkohle ab und steht für die Rodung des Hambacher Forstes.

Wenn man sich unser Ergebnis und den vorläufigen Geschäftsausblick anschaut, sieht man, dass nur noch zehn Prozent unseres Gewinns von Kohle und Kernenergie kommen. Unsere Zahlen bestätigen, dass RWE eine Transformation zum grünen Konzern vollzieht und maßgeblich in neue Technologien investiert. 90 Prozent unserer Investitionen gehen in erneuerbare Projekte.

Das ist doch der Vorwurf: Sie haben uns mit dem Braunkohleabbau maßgeblich in diese Krise hineingeführt und profitieren jetzt vom Umschwung und dem erneuerbaren Geschäft.

Strom durch Braunkohle und Kernenergie zu produzieren, waren politische Entscheidungen. Jetzt steigen wir nach der Kernenergie auch aus der Kohle aus und wir als RWE sind das einzige Unternehmen, das gesagt hat: Wir machen das vorzeitig bis 2030.

Wenn es also Proteste gibt, die sich explizit an RWE richten, fühlen Sie sich nicht angesprochen?

Ich fühle mich angesprochen von der Aufgabe, die erneuerbaren Energien auszubauen. Das ist mein Beitrag: Wie kann ich in den elf Ländern, die ich betreue, mehr Projekte schneller umsetzen? Denn wir brauchen mehr erneuerbare Energie am Netz. RWE gibt mir den Rückhalt dafür. Wir investieren in Deutschland bis 2030 15 Milliarden Euro in grüne Technologien, weltweit sind es 50 Milliarden Euro. Das ist unser Beitrag für den Klimaschutz: Wenn wir erneuerbare Energien anschalten, können wir Kohle abschalten. Je schneller uns das gelingt, desto eher schaffen wir die grüne Transformation, die wir in Europa, der Welt und Deutschland benötigen.

Warum landet nur ein Drittel der Summe in Deutschland?

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Unser Wachstumsportfolio ist wie bei jedem Großkonzern sehr diversifiziert. Wir haben verschiedene Technologien und verschiedene Länder und müssen ganz genau gucken, wo wir investieren können. Das hat sehr viel mit der Regulierung zu tun, denn wir brauchen Flächen und Projekte, damit wir am Ende auch bauen können.

Ist Regulierung die Ursache dafür, dass RWE in Deutschland - Stand Juni 2023 - nur eine Solarkapazität von 26 Megawatt hat, in den USA dagegen mit 3090 Megawatt ein Vielfaches?

Wir waren in Deutschland bisher maßgeblich auf Onshore-Wind fokussiert und haben Solar erst vor ungefähr zwei Jahren aufgenommen. Dafür sind wir schon sehr weit: Ein Projekt ist angeschlossen, vier weitere sind in der Bauphase. Demnächst haben wir also fünf am Netz. Wir arbeiten auch an einem sehr innovativen Projekt, der sogenannten Agri-PV: Wir schauen gezielt, welche Form von Photovoltaik es in Kombination mit Landwirtschaft geben kann, weil wir hier sehr großes Potenzial sehen. Das wird konsequent so weitergehen, denn Solar ist eins der großen Wachstumsfelder für unsere erneuerbaren Energien.

Aber warum machen Sie Solar erst jetzt? War das vorher nicht lukrativ genug?

Wir kommen von einem Onshore-Fokus und haben unsere Karten neu gelegt. Wir schauen uns die Möglichkeiten in Europa an, welche Länder mit ihrem Wachstumspfad welche Projekte ermöglichen. Vor zwei Jahren haben wir uns entschlossen, Solar in Deutschland zu machen.

Bei der Windkraft sieht man auch ebenfalls, dass RWE in Ländern wie Großbritannien mehr macht als in Deutschland.

England ist im Offshore-Bereich sehr attraktiv. Auch an Land und im Solar-Bereich werden die Rahmenbedingungen besser. Wir bauen gerade ein großes Onshore-Projekt, demnächst kommt ein weiteres dazu. Und wir werden Solarparks errichten. Wir treiben genau wie in Deutschland den Ausbau aller Techologien voran und suchen viele neue Kollegen und Kolleginnen, um diese Projekte umzusetzen.

Wenn die Rahmenbedingungen in Deutschland jetzt passen, hängt das mit der Ampel zusammen?

Durchaus. Grundsätzlich hat der Ausbau von erneuerbaren Energien weltweit ein Maß angenommen, dass es in den letzten zehn Jahren nicht gab. Und wenn wir reinzoomen, muss man ganz klar sagen, dass Deutschland eine führende Rolle einnimmt, etwas anpackt und verändert. Die Bundesregierung hat sich sehr ambitionierte Ziele gesetzt. Das wird ein langer, wahrscheinlich auch holpriger Weg, so realistisch muss man sein. Aber gerade im Vergleich mit den anderen Ländern, die ich verantworte, werden viele Weichen gestellt - zum Beispiel bei der Flächenverfügbarkeit, wie man Genehmigungen beschleunigen oder Bürokratie abbauen kann. Wir sind aber noch lange nicht da, wo wir hinmüssen. Momentan werden in Deutschland 1,8 Windturbinen pro Tag errichtet, also ungefähr zwei.

Und wir brauchen sechs.

Genau. Im PV-Bereich sind die Pläne ähnlich ambitioniert. Wenn wir in Deutschland die Ausbauziele der Bundesregierung umsetzen wollen, müssen bei den Freiflächen-Anlagen pro Gemeinde etwa zwei Fußballfelder pro Jahr zugebaut werden. Jede Gemeinde, zusätzlich zu den Dächern. Das ist substanziell.

Speziell im Windbereich hört man eher selten positive Stimmen, wenn es um Genehmigungen geht. Oder steht Deutschland nur im Vergleich mit anderen Ländern gut da?

Weder noch. Wir müssen einfach gucken, wo wir herkommen. Momentan stehen wir bei einer Entwicklungszeit von mindestens acht Jahren für ein Projekt. Das waren vor zehn Jahren mal fünf Jahre, die Lage hat sich also verschlechtert. Für Onshore-Windkraft und Solarprojekte liegt die Realisierungswahrscheinlichkeit aber maßgeblich in den Gemeinden und Kommunen. Hier werden die beschlossenen Gesetze umgesetzt. Wir müssen genau schauen, ob das überragende öffentliche Interesse der erneuerbaren Energien, das von der Bundesregierung beschlossen wurde, lokal Anwendung findet und auch, dass Bescheide viel schneller kommen sollen. Aber ich arbeite seit ungefähr 15 Jahren im Bereich der Erneuerbaren Energien und wenn ich mir diese Zeit anschaue, habe ich Grund zum Optimismus, denn es bewegt sich was. Noch nicht schnell genug. Wenn ich könnte, würde ich mir für die Erneuerbaren die LNG-Geschwindigkeit wünschen, keine Frage. Aber man muss auch mal wertschätzen, was in den letzten 18 Monaten passiert ist. Das sehen wir auch in anderen Ländern: Genehmigungen, auf die man bisher zwei Jahre lang warten musste, kommen plötzlich nach zwölf Monaten.

Gerade im Offshore-Bereich gibt es aber schon wieder Stimmen, die sagen, dass die Ausbauziele bis 2030 eigentlich unerreichbar sind. Ist das bei RWE auch so?

Wir werden unsere Ziele erreichen. Die sind ambitioniert, wir überarbeiten sie jedes Jahr. RWE hat sich gerade erst zusätzliche Flächen für insgesamt 1,6 Gigawatt in der Nordsee gesichert. Auch für Onshore und Solar ist leichter Optimismus angesagt. Denn wir sehen, dass sich die Entwicklungszeit verkürzt und es sind noch sieben Jahre hin bis zum ersten großen Meilenstein 2030. Es ist gut möglich, dass wir noch mal eine gute Schippe drauflegen. Letztes Jahr hat ja auch niemand die LNG-Geschwindigkeit für möglich gehalten.

Wo sehen Sie denn noch Fallstricke?

Wir brauchen mehr Flächen und mehr Bundesländer, die sagen, wir wollen diese Flächen schneller zur Verfügung stellen. Das sehen wir schon bei einigen, aber noch nicht bei allen.

Welche betrifft das?

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Es ist wahrscheinlich bekannt, dass die nördlichen Bundesländer im Onshore-Bereich schneller sind als die südlichen Bundesländer. Umgekehrt gibt es aber auch südliche Länder, die insbesondere beim PV-Ausbau mit gutem Beispiel vorangehen. Die haben einfach zwei Hürden weggenommen und die Umsetzung vereinfacht. Es gibt auch zunehmend Handlungsanleitungen in den Behörden, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei allen neuen Gesetzen und Richtlinien wissen, wie man ein Solarprojekt genehmigt. Denn die müssen natürlich in die Position versetzt werden, diese Flut an Anträgen bewerkstelligen zu können. Neulich habe ich einen Anruf von einem Mitarbeiter bekommen, der sagte: Wir haben die Genehmigung - nach zwölf Monaten! Das sind Momente, in denen man sich freut. Davon brauchen wir noch mehr, aber so etwas gab's die letzten zehn Jahre gar nicht.

Mit Katja Wünschel sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet.

Klima-Labor von ntv

Was hilft wirklich gegen den Klimawandel? Funktioniert Klimaschutz auch ohne Job-Abbau und wütende Bevölkerung? Das "Klima-Labor" ist der ntv-Podcast, in dem Clara Pfeffer und Christian Herrmann Ideen, Lösungen und Behauptungen der unterschiedlichsten Akteure auf Herz und Nieren prüfen.

Ist Deutschland ein Strombettler? Rechnen wir uns die Energiewende schön? Vernichten erneuerbare Energien Arbeitsplätze oder schaffen sie welche? Warum wählen Städte wie Gartz die AfD - und gleichzeitig einen jungen Windkraft-Bürgermeister?

Das Klima-Labor von ntv: Jeden Donnerstag eine halbe Stunde, die informiert, Spaß macht und aufräumt. Bei ntv und überall, wo es Podcasts gibt: RTL+, Amazon Music, Apple Podcasts, Spotify, RSS-Feed

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Quelle: ntv.de

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