Jahrhundertflut in Australien Rohstoffpreise folgen dem Pegel
03.01.2011, 11:23 UhrDie Folgen der Überschwemmungen in Australien bekommen die Menschen weltweit zu spüren. Weil Felder unter Wasser stehen und die Arbeit in Kohleminen ruht, rechnen Marktbeobachter mit Reaktionen bei Weizen, Zucker und Steinkohle.
Die Jahrhundertflut in Australien trifft nicht nur Menschen, Natur und Umwelt vor Ort. Die Auswirkungen sind weltweit zu spüren, weil das Hochwasser in dem rohstoffreichen Land viele Ernten vernichtet und den Bergbau vielerorts gestoppt hat. Die Folge: Die Preise für viele Rohstoffe klettern messbar nach oben. Zucker etwa ist so teuer wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Ein Überblick.
Weizen
Australien ist der weltweit viertgrößte Exporteur von Weizen. Etwa die Hälfte der Ernte, rund zehn Millionen Tonnen, kann nicht mehr gemahlen und zu Mehl verarbeitet werden. Grund: Nach den heftigen Regenfällen hat die Qualität so stark gelitten, dass der Weizen bestenfalls noch als Futtermittel taugt.
Wegen der Überschwemmungen kann die Ernte in Queensland zudem nicht transportiert und exportiert werden, teilte Australiens größter Getreidehändler GrainCopr mit.
An den Börsen führt das alles zu steigenden Preisen: Die US-Futures für Weizen stiegen zu Wochenbeginn um 1,6 Prozent und erreichten den höchsten Stand seit fünf Monaten.
Zucker
Australien hat seine Prognose für den Export von Zucker um ein Viertel gesenkt. Neben Brasilien und Thailand zählt Australien zu den größten Zucker-Exporteuren der Welt.
Durch die Feuchtigkeit ist der Zuckergehalt der Zuckerrohrpflanze gesunken. Wegen der Schäden durch den Regen können zudem bis zu 18 Prozent der Pflanzen nicht geerntet werden, schätzt die Genossenschaft Canegrowers.
Die Erholung "wird sehr lange dauern", sagte Premierministerin Julia Gillard. Vor diesem Hintergrund zeigte sich Zucker so teuer wie seit 30 Jahren nicht mehr.
Kohle
Minen mit einer jährlichen Förderung von mehr als 90 Mio. Tonnen - gut einem Drittel des australischen Exports - sind stark beeinträchtigt. In dem von der Flut besonders stark betroffenen Queensland wird vor allem Kokskohle gefördert, die zur Stahlproduktion benötigt wird. Allein im wichtigsten Hafen Gladstone warten derzeit etwa 50 Schiffe auf neue Ladung. "Wir haben weniger als eine Millionen Tonne Kohle auf Lager. Unsere Kapazität beträgt sechs Millionen Tonnen", beschrieb die Sprecherin des Hafens, Lee McIvor, die Lage.
Die stärksten Regenfälle seit Jahrzehnten werden für die Betreiber von Kohlebergwerken in Australien immer mehr zum Problem. Rund ein Viertel der Kohleproduktion Australiens ist inzwischen betroffen. Vergangene Woche mussten Rohstoffriesen wie BHP Billiton, Anglo American sowie eine Reihe lokaler Bergbauunternehmen eingestehen, dass sie ihre Lieferverpflichtungen möglicherweise nicht einhalten können.
Die Unternehmen verwiesen auf "höhere Gewalt". Aufgrund der Witterungsbedingungen seien sie für Lieferausfälle nicht haftbar zu machen. Beim weltgrößten Bergbaukonzerne Anglo American sind Bergewerke im australischen Bundesstaat Queensland betroffen, die jährlich rund 21,4 Mio. Tonnen Kohle fördern. Das alleine sind bereits rund 6,4 Prozent der Kohleproduktion Australiens, des weltgrößten Kohleexporteurs.
Lieferengpässe am Weltmarkt
Der Bergbau-Konzern BHP Billiton hatte zuvor bereits angekündigt, den Preis für Kokskohle für japanische Stahlhersteller in diesem Quartal um 8 Prozent anzuheben. Das und die weiteren, bislang noch nicht absehbaren Auswirkungen der Überschwemmungen dürften die Weltmarktpreise für Stahl zusätzlich beeinflussen.
Auch BHP Billiton berief sich auf "Force majeure" für Ausfälle bei verschiedenen Kohleprodukten der Bergwerke im Bowen Basin im Bundesstaat Queensland. Der Konzern machte keine Angaben dazu, welche der 9 Bergwerke und welche der 14 Kohleprodukte betroffen sind. Auch die lokalen Bergbauunternehmen Wesfarmers und Cockatoo Coal berichteten über Produktionsprobleme.
Bereits zuvor hatte der zweitgrößte Kohleproduzent Rio Tinto für vier Bergwerke im Bowen Basin erhebliche Flutprobleme eingestanden. Betroffen waren hier die Bergwerke Hail Creek, Kestrel, Blair Athol und Clermont, in denen jährlich mehr als 25 Mio. Tonnen Kohle gefördert werden. Das entspricht rund 8 Prozent der gesamten australischen Kohleförderung.
Erst wenn das Wasser weicht
Bergbaukonzerne und Volkswirte waren sich einig, dass es für eine genaue Einschätzung der Folgen noch zu früh ist. Eine vollständige Bewertung sei erst nach dem Rückgang der Fluten möglich. Die starken Regenfälle könnten noch monatelang andauern, die Regenzeit in den tropischen Regionen Australiens endet erst im März oder April. Derzeit leidet das Land unter dem Wetterphänomen "La Niña", das rund alle fünf Jahre zu überdurchschnittlich starken Regenfällen in Australien führt.
Volkswirten zufolge könnte Australiens Wirtschaft die Katastrophe relativ unversehrt überstehen oder sogar profitieren. Zunächst würden sich die Produktionsausfälle negativ auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) auswirken, sagte Damien Boey, Volkswirt bei Credit Suisse in Sydney. Aber nachdem die Fluten zurückgegangen seien, müssten die Schäden repariert werden und das könnte für Australiens Wirtschaft positiv sein, so Boey weiter.
Ivan Colhoun von ANZ verweist auf die allgemein positive Stimmung an den australischen Aktienmärkten sowie den stabilen australischen Dollar, was darauf hindeute, dass die Märkte keine schweren Schaden für Australiens Wirtschaft erwarten.
"China braucht Kohle. Und nur weil mal zwei Wochen keine Kohle geliefert werden kann, heißt das noch lange nicht, dass China keine Kohle mehr braucht", sagte Colhoun.
Quelle: ntv.de, DJ/rts