Konstruktionsfehler bei A380? Rolls-Royce unter Verdacht
05.11.2010, 19:35 UhrDie Notlandung eines A380-Fliegers setzt den Triebwerkhersteller Rolls-Royce zunehmend unter Druck. Zwar hält man sich bei Airbus zu den Hintergründen des Zwischenfalls bedeckt, die betroffene Fluggesellschaft Qantas denkt jedoch an einen Konstruktions- oder Materialfehler. Gleichzeitig gab es bei der Airline einen erneuten Zwischenfall – diesmal mit einer Boeing-Maschine, aber offenbar ebenfalls einem Rolls-Royce-Triebwerk.
Nach der Notlandung eines A380-Großraumfliegers gerät der Triebwerkhersteller Rolls-Royce unter Druck. Die betroffene Fluggesellschaft Qantas vermutet einen Konstruktions- oder Materialfehler als Ursache für den bislang schwerwiegendsten Zwischenfall mit dem größten Passagierflugzeug der Welt.
Zugleich reißt die Pannenserie bei Qantas nicht ab. Eine weitere Maschine der australischen Airline musste am Freitag nach Triebwerksproblemen einen Flug abbrechen. Der Vorfall ereignete sich bei einer Boeing 747 auf der Strecke von Singapur nach Sydney, wie der Flughafen des Stadtstaates bestätigte. Der Jumbo kehrte sicher zum Flughafen zurück. Dem Rolls-Royce-Rivalen General Electric zufolge war auch die 747 mit einem Triebwerk von Rolls-Royce ausgestattet. Das Unternehmen wollte sich dazu zunächst nicht äußern. Die Lufthansa fliegt ihre A380 mit Rolls-Royce-Motoren weiter.
Qantas wies Zweifel an seiner Wartung der Flugzeuge zurück. "Rolls-Royce hat mehrere Möglichkeiten ausgemacht", sagte Joyce. "Mit der Wartung hat das Problem nichts zu tun." Rolls-Royce habe die Triebwerke des Modells "Trent 900" seit deren Einbau in die Flieger instand gehalten. Ingenieure der Fluggesellschaft arbeiteten nun zusammen mit Kollegen von Airbus und Rolls-Royce fieberhaft an der Ursachenforschung.
Zurückhaltung bei Airbus
Airbus hält sich bislang zu den Hintergründen des Zwischenfalls bedeckt. "Wir kennen die Ursache noch nicht", sagte Airbus-Chef Tom Enders der "Bild"-Zeitung. Druck von Kunden wegen Sicherheitsbedenken habe es bislang nicht gegeben, sagte Airbus-Verkaufschef John Leahy am Rande einer Veranstaltung in China. Der Chef der Airbus-Mutter EADS, Louis Gallois, sagte zum Wochenschluss, dass Flüge mit dem A380-Superjumbo trotz des Vorfalls sicher seien. "Die Sicherheit des Flugzeugs wurde niemals in Frage gestellt. Der A380 ist so konstruiert, dass er die Probleme, die Qantas hatte, bewältigen kann. Der Ausfall eines Triebwerks kann auftreten", fügte Gallois hinzu.
Der Airbus-Konzern rief Kunden zu Sicherheitschecks auf, deren A380 wie der von Qantas mit einem Rolls-Royce-Triebwerk laufen. Dazu gehören auch Lufthansa und Singapore Airlines. Die A380-Airlines Emirates und Air France-KLM sind dagegen nicht betroffen. Sie benutzen Triebwerke der Rolls-Royce-Rivalen General Electric und Pratt & Whitney.
Eine Lufthansa-Maschine stillgelegt
Die Lufthansa zog einen A380, der am Donnerstagabend von Frankfurt nach Johannesburg fliegen sollte, aus dem Verkehr, weil die Zeit für eine Überprüfung der Triebwerke vor dem Abflug nicht ausgereicht habe. "Wir haben also nur aus dem Grund, dass wir nicht genug Vorlauf hatten, ein anderes Flugzeug eingesetzt, und zwar eine A340", sagte ein Lufthansa-Sprecher. Ansonsten sollte der Verkehr mit den drei Airbus-Großraumfliegern wie beim größten A380-Nutzer Emirates normal weiterlaufen.
Die aus sechs Maschinen bestehende A380-Flotte von Qantas blieb weiterhin am Boden. Die Sicherheitsprüfung sollte bis zu 48 Stunden dauern. "Wenn wir bei den Untersuchungen nichts finden, was dagegen spricht, werden die Flugzeuge wieder in Betrieb gehen", sagte Qantas-Chef Alan Joyce am Freitag in Sydney. Singapore Airlines, die ihre elf A380 ebenfalls zurückgehalten hatte, gab die Maschinen nach einer Inspektion inzwischen wieder für den Flug frei.
Flugsicherung warnte
Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) forderte die Fluggesellschaften bereits im August zu zusätzlichen Kontrollen der A380-Triebwerke "Trent 900" auf. Hintergrund sei eine ungewöhnliche Abnutzung bestimmter Bauteile, hieß es in der entsprechenden Direktive. Ein EASA-Sprecher erklärte aber, die Behörde ordne regelmäßig solche Sicherheitschecks an. Ein Zusammenhang zu dem Unfall in Singapur werde nicht gesehen.
Die britische Traditionsfirma Rolls-Royce hat die Turbine "Trent 900" extra für den Riesenflieger neu entwickelt. Auch mit den noch nicht fertigen Triebwerken für das mehrfach verschobene Boeing-Flugzeug 787 hat Rolls-Royce Probleme. An der Börse geriet die Rolls-Royce-Aktie weiter unter Druck. Sie verlor mehr als fünf Prozent, nachdem sie bereits am Donnerstag ebenfalls fünf Prozent nachgegeben hatte. EADS-Titel erholten sich dagegen und notierten in Paris 0,7 Prozent im Plus.
Die Qantas-Maschine musste am Donnerstag mit 459 Menschen an Bord notlanden. Kurz nach dem Start war eines der vier Triebwerke in Brand geraten. Passagiere berichteten von einer Explosion, Teile des Triebwerksgehäuses fielen vom Himmel herab. Verletzt wurde niemand.
Nach Auskunft der australischen Behörde für Verkehrssicherheit gibt es keine Hinweise auf einen absichtlichen Eingriff. Der Zwischenfall warf neue Schatten auf das europäische Prestigeprojekt A380, nachdem sich dieses durch zahlreiche Pannen mehrfach verzögert und erheblich verteuert hatte. Der Großraumflieger ist erst seit 2007 in Betrieb.
Quelle: ntv.de, sla/rts