Wirtschaft

Teures Jukos-Erbe Russland droht Milliardenrechnung

Spezialkräfte stehen im Jahre 2004 vor dem Jukos-Konzernsitz in Moskau.

Spezialkräfte stehen im Jahre 2004 vor dem Jukos-Konzernsitz in Moskau.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

In einigen Tagen wird der Kreml feststellen, was ihn die Zerschlagung des ehemaligen Ölkonzerns Jukos kosten könnte. Ein Gericht in den Niederlanden entscheidet über eine üppige Schadenersatzforderung.

In Kürze könnte der Kreml eine stattliche Rechnung präsentiert bekommen. Der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag verhandelt seit geraumer Zeit über eine milliardenschwere Forderung des zerschlagenen Ölkonzerns Jukos. Am kommenden Montag werde das Gericht seine Entscheidung bekannt geben, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg. Und es spricht demnach einiges dafür, dass Russland eine hohe Entschädigungssumme zahlen muss.

Jukos gehörte einst Michail Chodorkowski und war einer der größten Ölkonzerne Russlands. Als sich der Oligarch im Jahre 2003 offen gegen den Präsidenten Wladimir Putin stellte, ließ ihn dieser verhaften. Chodorkowski wurde in zwei Prozessen wegen Betrugs, Steuerhinterziehung und Geldwäsche zu einer langjährigen Lagerhaft verurteilt. Mittlerweile wohnt der ehemals reichste Mann Russlands in der Schweiz.

Jukos wurde zerschlagen. Da ein Gericht die Barmittel des Konzerns eingefroren hatte, konnte das Management die milliardenschweren Steuernachforderungen nicht begleichen. Daraufhin wurde Jukos zerlegt, die wichtigste Konzerntochter Juganskneftegas ging in einer windigen Auktion mit nur zwei Bietern an die bis dahin völlig unbekannte Baikal Finance Group. Die zahlte umgerechnet 7 Milliarden Euro. Investmentbanker hatten die Tochter zwischen 11,5 und 13,5 Milliarden Euro bewertet.

Ein paar Tage später kaufte der staatliche Ölkonzern Rosneft Baikal. In den kommenden Monaten wurde der Rest des Jukos-Vermögens auf die gleiche Art verkauft wie Juganskneftegaz: Bei den Auktionen traten zwei Bieter auf, der unbekannte bekam den Zuschlag knapp über dem Mindestgebot und reichte das Ersteigerte später an Rosneft weiter.

Aufsichtsratschef des vom Staat kontrollierten Konzerns war Vize-Kremlchef Igor Setschin. Der Putin-Vertraute und ehemalige Geheimdienstoffizier wurde später Chef des Unternehmens. Er gilt als Kopf hinter dem Vorgehen gegen Jukos und Chodorkowski - und steht wie der Kreml-Konzern auf der Sanktionsliste der US-Regierung.

Es geht um viel Geld

103 Milliarden Dollar Schadenersatz von Russland fordert GML. In dieser Holding war der Großteil der Jukos-Anteile gebündelt. Es gilt als zwar unwahrscheinlich, dass GML tatsächlich die volle Summe zugesprochen wird. Das liegt unter anderem daran, dass der Den Haager Schiedsgerichtshof kein Gericht im eigentlichen Sinn ist, wie etwa der Internationale Strafgerichtshof. Die streitenden Parteien bestimmen jeweils die gleiche Anzahl von Richtern des Verfahrens, diese einigen sich auf weitere Richter.

Dennoch dürfen die Kläger hoffen, dass Russland zu einer milliardenschweren Entschädigung verpflichtet wird. GML habe durchaus gute Aussichten, zitiert Bloomberg Gus van Harten, Professor an der kanadischen York University. Der Jurist hat sich auf Schiedsgerichtsbarkeit spezialisiert. Der GML-Vorsitzende Tim Osborn sieht das genauso: "Ich bleibe zuversichtlich, dass wir eine substantiellen Teil der Schäden ersetzt bekommen", sagte er Bloomberg im Juni.

Sollte Russland tatsächlich zu Zahlungen verurteilt werden, ist es allerdings unwahrscheinlich, dass der Kreml die Rechnung widerspruchslos begleicht. Deshalb wird GML dann versuchen müssen, die Forderungen vor ordentlichen Gerichten in verschiedenen Ländern einzutreiben - und wird dabei russischen Besitz im Ausland pfänden wollen. Vor allem Rosneft dürfte im Visier stehen. Hedgefonds haben auf diese Weise der argentinischen Regierung in ihren Prozessen um die Begleichung von Schulden großen Ärger bereitet. Zwischenzeitlich wurde sogar ein Schulschiff der Marine in Ghana an die Kette gelegt. Fest steht wohl: Zahlreiche Anwälte dürfen sich auf jahrelange, lukrative Verfahren freuen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen