Wirtschaft

Italiener machen Ernst S&P-Vertreter im Verhör

Einzelfall, der Beispiel macht? ESMA bekommt Arbeit.

Einzelfall, der Beispiel macht? ESMA bekommt Arbeit.

(Foto: REUTERS)

Die US-Ratingagentur Standard & Poor's steht mächtig in der Kritik. Ihr Vorgehen in der griechischen Schuldenkrise ist dafür nur ein Anlass. Italiens Börsenaufsicht knöpft sich S&P jetzt vor wegen deren "zu schnellen Bewertung" des italienischen Sparpakets. Auch die europäische Marktaufsicht ESMA kommt erstmals ins Spiel.

Erstmals seit Schaffung der europäischen Marktaufsichtsbehörde ESMA zur Überwachung der Ratingagenturen hat eine Behörde von den neuen Möglichkeiten Gebrauch gemacht. Die italienische Börsenaufsicht Consob befragte Vertreter der US-Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) zum Zeitpunkt und zu den Quellen ihrer Bewertung des italienischen Sparpakets. Die Befragung habe zwei Stunden gedauert, sagte ein Sprecher der Consob. Die Vertreter der Ratingagentur hätten Antworten geliefert, müssten aber noch Dokumente nachreichen.

Die Regierung in Rom hatte am Donnerstagabend ein Sparpaket verabschiedet. Bereits Freitagmittag, als die Börsen also noch geöffnet waren, veröffentlichte S&P seine Bewertung - in der Tendenz negativ.Die Börsenaufsicht kritisierte, die Einzelheiten des Sparplans seien noch gar nicht offiziell bekannt gewesen, die Bewertung der Ratingagentur fuße also auf "Indiskretionen der Presse".

Moody's kommt auch noch dran

Auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung sei fraglich, da die Bewertung die Kurse beeinflussen konnte. Die Consob hatte die Ratingagenturen vor einem Jahr aufgefordert, ihre Bewertungen erst dann zu veröffentlichen, wenn die Börsen geschlossen haben.

Am Freitag will die Börsenaufsicht auch Vertreter der Ratingagentur Moody's vorladen. Sie sollen befragt werden, weil am Tag nach der Veröffentlichung der Moody's-Bewertung die Kurse der italienischen Banken an der Börse sehr stark gefallen waren.

ESMA gegen Ratingagenturen

Böse Miene bei Berlusconi: Nach Griechenland hat Italien den zweithöchsten Schuldenstand in der Euro-Zone.

Böse Miene bei Berlusconi: Nach Griechenland hat Italien den zweithöchsten Schuldenstand in der Euro-Zone.

(Foto: REUTERS)

Auch die Aufsichtsbehörde für die Ratingagenturen, die ESMA (European Securities and Markets Authority) in Paris, soll sich in der kommenden Woche mit den Vorgängen befassen, wie der Sprecher der Consob sagte. Die Behörde war als Konsequenz aus der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise geschaffen worden. Sie nahm ihre Arbeit zu Jahresbeginn auf.

Ratingagenturen bewerten die Kreditwürdigkeit von Unternehmen, aber auch von Staaten. Wird das Ausfallrisiko von Krediten an eine Firma oder einen Staat von ihnen höher eingeschätzt, verlangen Banken und Investoren höhere Zinsen. Damit haben Ratingagenturen erheblichen Einfluss auf die Finanzmärkte. Kritiker werfen den Agenturen vor, durch die Absenkung der Kreditwürdigkeit mehrerer Euro-Länder die Krise der Euro-Zone mit verursacht zu haben.

Die Agenturen werden auch für die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 mit verantwortlich gemacht, welche die weltweite Finanzkrise auslöste. Mit zu guten Ratings hätten sie über die Schieflage der Bank hinweggetäuscht.

Italiens milliardenschweres Sparpaket wurde in der vergangenen Woche vom Kabinett verabschiedet. Es soll 2014 einen ausgeglichenen Haushalt ermöglichen und das Land gegen die Schuldenkrise immunisieren. Insgesamt sieht das Paket Einsparungen von rund 47 Mrd. Euro vor und muss nun innerhalb von 60 Tagen vom Parlament abgesegnet werden.

Quelle: ntv.de, bad/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen