Rating setzt Regierungen unter Druck S&P heizt der Eurozone ein
14.01.2012, 18:25 Uhr
Das "AAA" ist dahin: Die Grande Nation muss den Schock erst einmal verdauen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Nach dem Rundumschlag gegen neun Staaten der Eurozone bemüht sich die Ratingagentur S&P zwar um kleine, versöhnliche Signale. Die Europäische Zentralbank habe im Kampf gegen die Schuldenkrise alles richtig gemacht, lobt Europa-Analyst Kraemer. Doch die S&P-Urteile setzen die Euro-Retter mächtig unter Druck. In Frankreich stachelt der Verlust der Bestnote den Wahlkampf an.
Die Herabstufung von Frankreich und acht weiteren Euro-Ländern verschärft europaweit den Spardruck. Am Tag nach der Aufsehen erregenden Notenvergabe durch die US-Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) sahen sich nicht nur Politiker aus den unmittelbar betroffenen Staaten zu Stellungnahmen und Erklärungen genötigt.

Die Entscheidung war angekündigt und hätte schlimmer ausfallen können: Leichter wird das Leben für Europa dadurch nicht.
(Foto: dapd)
Nach den harten Urteilen der Bonitätswächter drängte Kanzlerin Angela Merkel die EU-Staaten zu schnellen Entscheidungen über den neuen Rettungsschirm und zu Sparpaketen für alle Euro-Mitglieder. Auch in Sachen Finanzmarktgesetzhebung sorgt die S&P-Entscheidung offenbar für Eile: Um den Einfluss der Ratingagenturen zu mindern, kann sich Merkel eigenen Angaben zufolge auch Gesetzesänderungen vorstellen.
Während aus der Opposition warnende Töne zu hören sind, bemüht sich die schwarz-gelbe Bundesregierung um Gelassenheit angesichts der Herabstufungen. Doch welche Folgen für Europas Musterschüler Deutschland tatsächlich zu erwarten sind, ist auch 24 Stunden nach der Entscheidung vom Freitagabend unklar. Merkel geht zunächst nicht von weiteren Belastungen aus. Es handele sich zudem nur um das Urteil einer der drei großen Agenturen, betonte die Kanzlerin.
Europas Politiker hätten nicht genug getan, um die Schuldenkrise einzudämmen, begründete S&P die umstrittene Herabstufung. Die Ratingagentur zeigte sich enttäuscht von den . Eine Überprüfung der Ratingnoten . Die Umsetzung des angedrohten Schrittes erhöht nun den Druck auf ganz Europa: Denn es dürfte schwerer und teurer werden, sich frisches Geld am Kapitalmarkt zu leihen. Neben Frankreich und Österreich stufte S&P auch Italien, Spanien, Portugal, die Slowakei, Slowenien, Malta und Zypern herab. Ersten Einschätzungen zufolge wackelt mit der Herabstufung Frankreichs nun auch die Bestnote des Rettungsfonds EFSF.
Mit Blick auf weitreichenden Folgen des Ratings betonte Merkel, sie unterstützte Vorschläge aus der Unionsfraktion zu möglichen Gesetzesänderungen. So müsse man darüber nachdenken, ob es sinnvoll sei, dass für Versicherer bei Herabstufungen der Ankauf bestimmter Staatsanleihen nicht mehr möglich sei. Die strikten Regeln würden einen "sich selbst verstärkenden Effekt" auslösen, sagte sie.
Muss jetzt alles schneller gehen?
Außerdem solle der permanente Rettungsschirm ESM ihrer Ansicht nach so schnell wie möglich seine Arbeit aufnehmen. Bislang soll er bis Juli den bisherigen Rettungsfonds EFSF ablösen. Dieser muss sich am Markt das Geld für hilfsbedürftige Euro-Länder beschaffen, was bei einer Abstufung der Kreditwürdigkeit von ihn tragenden Ländern teurer werden kann.
Damit der Fonds 440 Mrd. Euro verleihen kann, müssen die Euroländer Garantien in Höhe von 780 Mrd. Euro bereitstellen. Diese Summe könnte sich durch die Herabstufungen erhöhen. Der künftige ESM wird zwar direkt mit Kapital der Euroländer gefüllt, aber die Beschaffung der Milliardensummen könnte gerade für Frankreich nun teurer werden.
Merkel sagte ferner, man müsse die Basis der Rettungsschirme wohl erweitern. "Auf je weniger Länder das konzentriert ist, umso anfälliger werden diese Gebilde." Hinzu komme, "dass im Moment das Vertrauen der Anleger in europäische Staatsanleihen nicht ausreichend gut ist". FDP-Finanzexperte Frank : Alleine die Herabstufung von Frankreich und Österreich führe dazu, "dass Deutschland nicht mehr rund 40 Prozent, sondern fast 75 Prozent zum Triple-A des Euro-Rettungsfonds EFSF beiträgt", sagte Schäffler dem "Handelsblatt". Damit sei indirekt auch das deutsche Spitzenrating in Gefahr.
In Frankreich, der zweitgrößten Euro-Volkswirtschaft, nutzte die Opposition rund drei Monate vor den Präsidentschaftswahlen das negative Rating-Urteil . Der Präsidentschaftskandidat der Sozialistischen Partei (PS), François Hollande, warf der Regierung Scheitern vor.
Nach Angaben der Regierung hat Frankreich genügend finanzielle Reserven eingeplant, um mögliche Zinsanstiege aufzufangen. "Die von uns ergriffenen budgetären Maßnahmen sind im derzeitigen Stadium ausreichend", sagte Premierminister François Fillon.
S&P schmeichelt der EZB
Lobende Worte fand ein S&P-Sprecher für das Wirken der Europäischen Zentralbank (EZB): Nach Einschätzung von Standard & Poor's haben die Währungshüter eine Verschärfung der europäischen Schuldenkrise verhindert. Die Notenbank habe durch flexibles Handeln die Situation im europäischen Bankensektor zumindest kurzfristig entschärft, sagte der Europa-Chefanalyst des US-Ratingriesen, Moritz Kraemer, in einer Telefonkonferenz. Dagegen werde die Politik den "wachsenden Herausforderungen der Krise" nicht gerecht.
Die EZB hatte kurz vor Weihnachten über einen außergewöhnlich langen Dreijahreskredit fast 500 Mrd. Euro an Geldinstitute der Eurozone ausgereicht. Zudem lockerte sie die Kriterien für Sicherheiten, die Banken für Zentralbankgeld hinterlegen müssen. Damit wollen die Währungshüter ein Austrocknen der Kreditströme verhindern und mögliche Negativfolgen für die Konjunktur abfedern.
Standard & Poor's (S&P) hatte am späten Freitagabend an insgesamt 9 der 17 Eurostaaten schlechtere Noten für ihre Kreditwürdigkeit vergeben. Frankreich und Österreich verlieren erstmals seit Beginn der Länderratings 1975 ihre Top-Bonität "AAA" und werden um eine Stufe auf "AA+" herabgestuft. Deutschland dagegen bewertet S&P weiterhin mit der Bestnote "AAA".
Quelle: ntv.de, mmo/dpa