G20 unter neuer Federführung Sarkozy hat viel vor
18.02.2011, 15:30 Uhr
Mit einer Handvoll Themen begrüßt Frankreichs Präsident Sarkozy am Abend die Mächtigen der Wirtschafts- und Finanzwelt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Auf dem Gipfel in Paris läutet Frankreich das Jahr des Vorsitzes über die G20- und G8-Gruppe ein. Präsident Sarkozy hat eine Fünf-Punkte-Liste dabei, die er abarbeiten will. Doch möglicherweise muss er mehr Zeit darauf verwenden, alte Streitpunkte nicht wieder hochkochen zu lassen.

Sarkozy hat sich einiges vorgenommen und will im Jahr des Vorsitzes über die G20- und G8 Meilensteine setzen.
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Jetzt ist er an der Reihe und er will wieder mehr Zug in die Veranstaltung bringen: Der französische Präsident Nicolas Sarkozy ist der Gastgeber des G20-Gipfels am Wochenende und startet damit das Jahr des Vorsitzes über die mächtigen Wirtschaftsnationen. Unter seiner Federführung sollen die Industrie- und Schwellenländer die ausufernden Rohstoffpreise, das Weltwährungssystem, die wirtschaftlichen Ungleichgewichte, die Regulierung der Finanzmärkte sowie die Unterstützung der Entwicklungsländer beim Kampf gegen den Klimawandel in den Griff kriegen.
Eine volle Agenda, die sich wohl kaum an zwei Tagen in Paris abarbeiten lässt. Und so bemühte sich Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde die Erwartungen etwas zu dämpfen. Es wäre schon viel gewonnen, wenn sich die G20 an diesem Wochenende auf erste Grundsätze verständigen könnten, so Lagarde. Der Blick auf die To-Do-Liste der Gipfelteilnehmer lässt erahnen, dass die Finanzministerin mit ihrer vorsichtigen Einschätzung richtig liegen könnte.
Abschaffung der Ungleichgewichte
Das unterschiedliche Tempo des weltweiten Wirtschaftswachstums bereitet den G20-Ländern Kopfzerbrechen. "Während die meisten Industrieländer ein moderates Wachstum und eine hohe Arbeitslosigkeit verzeichnen, erfahren die Schwellenländer ein stärkeres Wachstum mit einigen Anzeichen einer Überhitzung", heißt es in einem Entwurf des Kommuniques für das Treffen. Finanzministerin Lagarde hofft, dass sich die G20 auf Instrumente zur Messung der wachsenden Ungleichgewichte zwischen den Wirtschaftsregionen einigen können.

Doch wahrscheinlich wird ihm eher die Rolle eines Schlichters zuteil werden...
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Konkret geht es darum, wie Leistungsbilanzüberschüsse oder Außenhandelsdefizite einzelner Länder als Ursache von Ungleichgewichten vermindert werden können. Im Gespräch sind fünf Indikatoren: Leistungsbilanzsalden, reale Wechselkurse, Währungsreserven, Haushaltsdefizite plus Schuldenstand eines Landes sowie die jeweilige private Sparquote. Angedacht ist, dass der Internationale Währungsfonds Länder, die diese Merkmale nicht einhalten, bestraft.
Doch gegen konkrete Zielvorgaben wehren sich vor allem die Exportnationen Deutschland und China. Im vergangenen Jahr hatte sich Deutschland vehement gegen einen Vorschlag aus den USA gestemmt, Leistungsbilanzüberschüsse nicht über vier Prozent der Wirtschaftsleistung steigen zu lassen. Lagarde will diesen Streit am Wochenende nicht wieder aufleben lassen und setzt erst einmal auf grundsätzliche Einigungen: Zielmarken sollten erst in einem zweiten Schritt festgelegt werden.
Bretton Woods II
Die Reform des Welt-Währungssystems gehört ebenfalls zu den Schwerpunkten des G20-Gipfels. Und dabei ist Präsident Sarkozy und seiner Finanzministerin Lagarde kein Vergleich zu hoch: "Ich bin immer vorsichtig mit allzu ambitionierten Zielen. Wenn wir aber so ein System hinkriegen und es von der Nachwelt einmal Bretton-Woods-II genannt wird, soll mir das recht sein", sagte Lagarde. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren auf der Konferenz von Bretton Woods in den USA die Grundlagen für ein neues Währungssystem gelegt worden, das auf festen Wechselkursen beruhte, inzwischen aber überholt ist.

...und er wird sich bemühen müssen, alte Streitpunkte wie die Forderung der USA nach einer Obergrenze für Leistungsbilanzüberschüsse nicht hochkochen zu lassen.
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Lagarde schlägt nun Bandbreiten vor, in denen bestimmte Währungen schwanken können. Außerdem müsse der Übergang von einer auf den US-Dollar gestützten Währungsreserve hin zu einem breiteren Währungskorb organisiert werden. So soll künftig auch der chinesische Yuan im Währungskorb liegen. Dieser Vorstoß sorgt jedoch auch in der Bundesregierung für Irritationen. Bis zum abschließenden Weltwirtschaftsgipfel im November in Cannes sollen Deutschland und Mexiko nun den G20-Partnern Empfehlungen für ein neues Weltwährungssystem unterbreiten. Beide Länder leiten die entsprechende Finanz-Arbeitsgruppe der G20.
Über das Rekordniveau bei den weltweiten Währungsreserven soll dagegen den Angaben zufolge nur "vorsichtig" gesprochen werden. Alleine China hat umgerechnet mehr als 2,8 Billionen US-Dollar gehörtet, dabei ist das Geld nicht nur in US-Währung sondern auch in den Euro angelegt.
Rohstoff- und Lebensmittelpreise
Weiteres Thema sind die enorm gestiegenen Preise für Rohstoffe und Nahrungsmittel. "Das stellt viele Länder und Regionen vor besonderen Herausforderungen", heißt es. Experten schätzen, dass 29 Länder die Nahrungsmittelknappheit ohne externe Hilfe nicht bewältigen können. Etwa eine Milliarde Menschen werden als unterernährt eingestuft. Als Alarmzeichen gilt, dass bei den jüngsten Unruhen in Nordafrika, die das Ende der Regimes in Tunesien und Ägypten bedeuten, auch drastische Verteuerungen von Lebensmitteln eine wichtige Rolle spielten.
Kampf gegen Spekulanten

Denn ansonsten endet der Gipfel ohne eine neue Richtung für die Weltwirtschaft vorzugeben.
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In diesem Zusammenhang geht es auch um eine bessere Aufsicht bei spekulativen Finanzprodukten im Handel mit Metallen oder Nahrungsmitteln. Sarkozy sieht die Spekulanten als eine der Hauptverursacher der Preissprünge. Im Rohölhandel sorgt bereits eine gemeinsame Datenbank (Jodi/ Joint Oil Data Initiative) für mehr Transparenz bei Angebot und Nachfrage. Dieses Instrument könnte auf andere Bereiche ausgedehnt werden, heißt es. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat zudem internationale Kriterien zur Stabilisierung der Rohstoffmärkte gefordert. Ein Lösungsweg könne sein, dass wie bei Finanzgeschäften nicht außerhalb von transparenten Märkten gehandelt werden dürfe, so Schäuble.
Bei diesem Punkt werden die Industrieländer voraussichtlich schnell auf einen Nenner kommen. Allerdings könnten die Schwellenländer Bedenken anmelden, weil sie festgelegte Preise fürchten.
Reform der Finanzmärkte
Dauerthema ist und bleibt die weitere Reform der Finanzmärkte. "Es ist nicht so, dass wir es uns leisten können, einen Gang zurückzuschalten – im Gegenteil", hieß es in Berlin. Auf der Agenda steht am Wochenende der Umgang mit systemrelevanten Finanzinstituten. Bis Mitte des Jahres soll feststehen, welche Institute global systemrelevant sind.
Bis Ende 2011 könnten dann zusätzliche Eigenkapitalauflagen für solche Institute folgen. Dabei geht es auch um Nicht-Banken wie Versicherer oder Hedgefonds. Mit Blick auf Geldwäsche und Terrorfinanzierung soll zudem eine Liste mit nicht kooperativen Ländern erstellt werden.
Ein Wochenende haben die Gipfelteilnehmer nun Zeit, die Marschrichtung festzulegen. Wenn es nach dem Taktgeber Nicolas Sarkozy ginge, würden sie flott voranschreiten. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass schon ein Wegeplan ein großer Fortschritt wäre.
Quelle: ntv.de, sla/DJ/dpa/rts