Tod des Finanzchefs Ackermann tritt bei Zurich zurück
29.08.2013, 08:25 Uhr
Zieht Konsequenzen: Josef Ackermann.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der ehemalige Deutsche-Bank-Chef Ackermann gibt seinen Posten als Verwaltungsratschef des Versicherungskonzerns Zurich auf. Der Schritt kommt überraschend - und fällt nicht nur zeitlich zusammen mit dem Suizid des Finanzchefs.
Einer der größten Finanzkonzerne der Schweiz muss überraschend auf seinen prominenten Verwaltungsratschef verzichten: Josef Ackermann - bis vergangenes Jahr noch Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank - zieht sich mit sofortiger Wirkung aus allen seinen Funktionen im Verwaltungsrat des Versicherungsriesen zurück.
Ackermann reagiert damit auf das Drama um Finanzvorstand Pierre Wauthier, das die Versicherungsgruppe vor wenigen Tagen schwer getroffen hatte. "Der unerwartete Tod Pierre Wauthiers hat mich zutiefst erschüttert", hieß es in einer Mitteilung. "Ich habe Grund zur Annahme, dass die Familie meint, ich solle meinen Teil der Verantwortung hierfür tragen, ungeachtet dessen, wie unbegründet dies objektiv betrachtet auch sein mag", erklärte Ackermann. "Daher sehe ich eine weitere erfolgreiche Führung des Verwaltungsrates zum Wohle der Zurich in Frage gestellt."
"Um jegliche Rufschädigung zu Lasten von Zurich zu vermeiden, habe ich beschlossen, von allen meinen Funktionen im Verwaltungsrat mit sofortiger Wirkung zurückzutreten", teilte Ackermann mit. Der stellvertretende Verwaltungsratspräsident Tom de Swaan wird die Funktion des amtierenden Verwaltungsratspräsidenten übernehmen.
Ackermann war nach seinem Ausscheiden bei der Deutschen Bank seit März 2012 Verwaltungsratspräsident bei der Zurich Gruppe. Wie bei angelsächsischen Unternehmen ist der Verwaltungsrat in der Schweiz einflussreicher als etwa ein deutscher Aufsichtsrat. Zwar lenkt der Vorstandsvorsitzende - bei Zurich Martin Senn - die täglichen Geschäfte, doch der Chef des Verwaltungsrats hat oft einen ähnlich großen Einfluss auf die Strategie.
Die Aktien von Zurich Insurance gerieten nach der Ankündigung Ackermanns unter Druck. Sie fielen in Zürich um 1,5 Prozent und damit auf den tiefsten Stand seit acht Monaten. "Was immer letzten Endes hinter dem Tod des Finanzchefs stehen mag - der Rückzug Ackermanns schwächt den Konzern", sagte ein Händler. Kaum ein anderer Banker in Europa habe so viel Erfahrung und gute Kontakte zu Unternehmen, in die Finanzwelt und nicht zuletzt in die Politik wie der frühere Deutsche-Bank-Chef. Mit dem Ausscheiden Ackermanns könne Zurich Insurance diese Erfahrungen und Kontakte nicht länger gewinnbringend nutzen, sagt der Händler.
Zu viel Druck an der Spitze?
Pierre Wauthier war Anfang der Woche an seinem Wohnort leblos aufgefunden worden Die Polizei geht von einem Freitod aus. Andere Schlüsse ließen die gerichtsmedizinischen Untersuchungen nicht zu, hieß es. Angaben zu Hintergründen des Suizids machte die Polizei nicht.
Wauthier, der neben der britischen auch die französische Staatsbürgerschaft besaß, wurde 1960 geboren und kam 1996 zu dem Versicherer, 2011 wurde er zum Finanzvorstand ernannt. Seine Aufgaben übernimmt kommissarisch Group Controller Vibhu Sharma.
Das Drama um Wauthier wirft nicht nur unter Investoren heikle Fragen auf: Der Zurich-Finanzchef ist bereits der zweite Topmanager in der Schweiz, der sich innerhalb weniger Wochen das Leben genommen hat. Erst vor kurzem wurde der Chef des Telekomkonzerns Swisscom, der Deutsche Carsten Schloter, tot in seinem Haus im schweizerischen Freiburg aufgefunden. Die Polizei geht auch hier von Selbstmord aus.
Hohe dreistellige Millionengewinne
Auf die wirtschaftliche Lage der beiden Konzerne lassen sich die Vorfälle wohl nicht zurückführen. Swisscom hatte Anfang August für das erste Halbjahr einen Reingewinn von 819 Millionen Schweizer Franken (rund 665 Mio. Euro) ausgewiesen. Der Rückgang zum Vergleichszeitraum aus dem Vorjahr belief sich auf lediglich 9,7 Prozent. Der nach eigenen Angaben führende Schweizer Telekomkonzern ist zudem mit rund 6,3 Millionen Mobilfunkkunden, 902.000 TV-Kunden und 1,7 Millionen betreuten Breitband-Anschlüssen breit aufgestellt. Der Umsatz lag im ersten Halbjahr bei 5,6 Milliarden Franken.
Der Schweizer Versicherungskonzern Zurich leidet unterdessen zwar weiter unter dem Zinstief, konnte im zurückliegenden Quartal allerdings allen Belastungen zum Trotz einen Überschuss von umgerechnet 595 Millionen Euro erzielen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ergab sich hier ein Minus von 27 Prozent. Operativ ging der Gewinn um 18 Prozent auf 937 Millionen Dollar nach unten. Bei beiden Werten verfehlte der Konzern die Erwartungen der Experten, der Aktienkurs gab deutlich nach - allerdings nicht in Besorgnis erregenden oder besonders ungewöhnlichen Ausmaßen. Hinter den Kulissen könnte es durchaus Kritik an Wauthier gegeben haben. Belege dafür gibt es allerdings nicht.
Bei der Zahlenvorlage bereitete Zurich-Vorstandschef Senn vor allem das niedrige Leitzinsniveau in der Eurozone und dem Dollar-Raum große Sorgen: "Das wirtschaftliche Umfeld bleibt angesichts niedriger Zinssätze schwierig und setzt unsere Kapitalerträge unter Druck", hatte Senn Mitte August - wenige Tage vor dem Tod seines Finanzchefs - erklärt.
Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa