Wirtschaft

Banken brauchen noch mehr Geld Spanien sucht nach Hilfe

Begegnung in Chicago: Spaniens Ministerpräsident Rajoy wirbt angeblich bei Kanzlerin Merkel für direkte Hilfen der EZB an spanische Banken.

Begegnung in Chicago: Spaniens Ministerpräsident Rajoy wirbt angeblich bei Kanzlerin Merkel für direkte Hilfen der EZB an spanische Banken.

(Foto: picture alliance / dpa)

Spanien kommt nicht aus der Rezession, seine maroden Banken brauchen offenbar neue Milliardenhilfen - doch Ministerpräsident Rajoy will aus Angst um die Folgen an den Finanzmärkten nicht unter den Euro-Rettungsschirm kriechen. Nun heckt er möglicherweise einen neuen Plan aus, um über die Hintertür an Hilfskredite zu gelangen - und spricht auch schon mit Kanzlerin Merkel darüber.

Geld für Banken in Schieflage: Madrid klopft verschiedene Lösungswege ab.

Geld für Banken in Schieflage: Madrid klopft verschiedene Lösungswege ab.

(Foto: dpa)

Die spanische Wirtschaft wird nach Prognose der Regierung im Frühjahr nicht aus der Rezession finden. Das Bruttoinlandsprodukt werde im zweiten Quartal ähnlich stark sinken wie zu Jahresbeginn, sagte Wirtschaftsminister Luis De Guindos. Die 17 autonomen Regionen Spaniens wollen nach den Worten von Finanzminister Cristobal Montoro trotz der Wirtschaftskrise dennoch ihre Neuverschuldung abbauen. "Es gibt keinen anderen Weg für Spanien, als das Defizit zu senken", sagte er. Die Regierung musste erst am Freitag die Defizitzahlen für 2011 anheben, weil drei Regionen ihre Zahlen nach oben korrigieren mussten.

Nach der erneuten Korrektur der Defizitzahlen Spaniens schickt die Europäische Statistikbehörde Eurostat eigene Experten nach Madrid. Die Fachleute sollen noch in dieser Woche eintreffen und prüfen, ob die jüngste Revision ausreiche, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission. Eurostat werde mit dem spanischen Statistikamt zusammenarbeiten um sicherzustellen, dass "solch ein Problem nicht wieder auftritt". Das spanische Wirtschaftsministerium hatte vorige Woche die Defizitzahl für 2011 nochmals heraufgesetzt. Der Fehlbetrag im Haushalt 2011 habe bei 8,9 statt 8,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gelegen, hieß es. Schuld daran seien erhöhte Ausgaben einiger Regionen.

Dem spanischen Bankensektor drohen unterdessen weitere Notoperationen: Der erst kürzlich teilverstaatlichte spanische Sparkassenriese Bankia steht offenbar kurz vor einer weiteren Kapitalspritze. Der neue Chef des Instituts, Jose Ignacio Goirigolzarri, wolle beim spanischen Bankenrettungsfonds (FROB) um 10 Mrd. Euro für die Bankia-Mutter Banco Financiero y de Ahorros SA (BFA) bitten, berichtet die Tageszeitung ABC unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen. Der Antrag beim Rettungsfonds solle bis Mitte der Woche eingereicht werden. Es werde erwartet, dass der Rettungsfonds BFA-Aktien kaufen wird. BFA hält 45 Prozent an Bankia. Bereits Ende 2010 hatte FROB 4,47 Mrd. Euro in das kriselnde Institut gesteckt.

Nur 70 Prozent der Banken gesund

Der Internationale Währungsfonds (IWF) stellt den spanischen Banken unterdessen ungewollt ein verheerendes Zeugnis aus. In einem noch nicht veröffentlichten Bericht kommt der IWF laut einem Medienbericht zu dem Ergebnis, dass 70 Prozent der Banken des Landes gesund sind. Skeptische Beobachter können dieses Attest allerdings auch andersherum lesen: 30 Prozent des spanischen Bankensektors sind krank. Sie bräuchten wahrscheinlich staatliche Milliarden für die Sanierung ihrer Bilanzen, zitiert die Zeitung El Mundo aus dem IWF-Bericht. Dabei mache die Großbank Bankia die Hälfte des benötigten Kapitals aus.

Die Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte die Banken gezwungen, ihre Risikopuffer zu erhöhen, um sich vor Abschreibungen auf Immobilienkredite zu schützen. verfügt, dass die Institute 30 Mrd. Euro an Rückstellungen bilden müssen, um Verluste aus dem Hypotheken-Geschäft auffangen zu können. Seit dem Platzen der Immobilienblase kämpfen die spanischen Geldhäuser mit immer mehr faul werdenden Darlehen.

Rajoy lotet angeblich EZB-Hilfen für Banken aus

Der Regierungschef hatte angesichts der schwierigen Lage erst vor wenigen Tagen Alarm geschlagen. Es sei für sein Land sehr schwierig, sich am Markt zu einem angemessen Preis zu finanzieren. Trotz der Probleme seines Landes will Rajoy nicht unter den Euro-Rettungsschirm EFSF kriechen und hat mehrfach direkte europäische Notkredite für seine Regierung abgelehnt. Hinter den Kulissen machte sich Spanien aber dafür stark, die Vergaberichtlinien des EFSF aufzuweichen, damit der Rettungsschirm künftig direkte Geldspritzen an marode Banken verteilen kann - ohne Umweg über nationale Regierungen.

Das hatten die EFSF-Geberländer - allen voran Deutschland - aber vehement abgelehnt. Der Grund für Rajoys Einfallsreichtum ist einfach: Der EFSF darf zwar Geldspritzen für angeschlagene Banken verabreichen, allerdings dürfen auch diese Finanzhilfen nicht direkt, sondern nur über die Regierungen fließen - im Gegenzug müssen sie Sparauflagen erfüllen und riskieren ihre Glaubwürdigkeit an den Finanzmärkten. Genau dieses Problem wollte Spanien mit den direkten Hilfen für seine Banken umgehen.

Doch da die Probleme im Bankensektor Rajoy zunehmend über den Kopf wachsen, lotet der Regierungschef nun möglicherweise einen weiteren Weg aus, um über die Hintertür an europäische Hilfskredite zu gelangen: Der spanische Ministerpräsident suche die Unterstützung von Bundeskanzlerin Merkel für eine Liquiditätsspritze der Europäischen Zentralbank (EZB) an die spanischen Banken, berichtet die Zeitung "El Pais" unter Berufung auf Regierungskreise. Rajoy wolle nicht um Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds bitten, da dies "sein politisches Ansehen zerstören" würde, und eine Belastung für ganz Spanien zur Folge hätte wegen der mit den Finanzhilfen verbundenen Auflagen, schreibt die Zeitung.

Da Rajoy aber wegen der steigenden Refinanzierungskosten Spaniens und der Rezession in der Wirtschaft kaum noch über Optionen verfüge, ohne internationale Hilfsmaßnahmen auszukommen, suche er nun die Hilfe der EZB. Diese beinhalte auch den Kauf von Staatsanleihen, so "El Pais" weiter. Die Regierung wollte zu dem Bericht keine Stellung nehmen. Rajoy hat am Rande des Nato-Gipfels über die angespannte wirtschaftliche Lage in seinem Land gesprochen. Merkel unterstütze die Reformen der Regierung in Madrid, sagte Rajoy. Beide unternahmen zusammen eine Bootstour - Zeit für vertrauliche Gespräche dürfte es also reichlich gegeben haben.

Quelle: ntv.de, hvg/DJ/dpa/rts

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