Silberstreif am Horizont Spaniens Renditen sinken
20.12.2011, 16:27 UhrSpanien muss für kurz laufende Staatsanleihen überraschend niedrige Zinsen zahlen. Einige Börsianer hofften, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Doch andere sind pessimistisch.
Die hohe Nachfrage und der deutliche Rendite-Rückgang bei der Emission spanischer Staatsanleihen hat die Stimmung an den europäischen Bond-Märkten aufgehellt. "Dies ist eine weitere eindrucksvolle Auktion und ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk", sagte Rentenmarkt-Experte Nicholas Spiro vom Anlageberater Spiro Sovereign Strategy. "Spanien ist aber alles andere als über den Berg. Die Wirtschaft liegt immer noch am Boden und es drohen weitere Rating-Herabstufungen."
Spanien sammelte mit drei- und sechsmonatigen Papieren 5,6 Mrd. Euro bei Investoren ein - rund eine Mrd. Euro mehr als geplant. Das Volumen der Gebote war rund drei Mal so hoch. Gleichzeitig halbierten sich die Renditen im Vergleich zu den vorangegangenen Auktionen. Für 3-monatige Schatzwechsel lag die Durchschnittsrendite bei 1,7 Prozent, für 6-monatige Schatzwechsel bei 2,4 Prozent.
Die Renditen der bereits gehandelten, richtungsweisenden zehnjährigen Anleihen Spaniens und auch Italiens gingen daraufhin auf 5,126 beziehungsweise 6,651 Prozent zurück. Auch französische und belgische Titel waren gefragt. Im Gegenzug zogen sich einige Investoren aus Bundesanleihen zurück.
Einige Börsianer hofften, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Sie setzten darauf, dass Banken einen Teil der von der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Verfügung gestellten Liquidität in die relativ hoch verzinsten Anleihen von Italien, Spanien & Co. stecken. "Der eine oder andere wird die zusätzliche Liquidität sicher dazu nutzen", sagte ein Händler.
Banken halten sich zurück
Zinsstratege Achilleas Georgolopoulos von der Lloyds Bank warnte aber, die aktuelle Entwicklung sei saisonal. "Im Januar werden wir wieder stark steigende spanische und italienische Renditen sehen. Es wird ziemlich heftig, sowohl in Bezug auf das Emissionsvolumen als auch in Bezug auf die Marktreaktionen." Die beiden Staaten müssen in der ersten Jahreshälfte 2012 mehrere Hundert Milliarden Euro refinanzieren.
Nach Ansicht von Unicredit-Chef Federico Ghizzoni können Euro-Länder dabei nicht auf die Banken setzen. "Ich sehe keinen Sinn darin, die Bonds zu kaufen", erklärte der Top-Banker. Zwar dürfte die Bankenbranche zugreifen, wenn die Europäische Zentralbank am Mittwoch den Markt wie angekündigt mit Geld flutet. Doch wenn die ausgetrockneten Institute nach dieser herbeigesehnten Kapitalspritze überhaupt noch überschüssige Liquidität hätten, dann werde das Geld in Darlehen für Unternehmen fließen, um die befürchtete Kreditklemme zu verhindern, betonte Ghizzoni.
Das ist eine Kampfansage an die europäischen Politiker. Sie hoffen, dass das billige EZB-Geld am Ende vor allem den angeschlagenen Schuldenstaaten hilft. Allein im Januar müssen die Euro-Staaten 80 Mrd. Euro an Bonds verkaufen. Die Banken waren über Jahrzehnte verlässliche Abnehmer, vor allem von Staatsanleihen ihrer Heimatländer.
Doch ob sich alle Banken tatsächlich so zurückhalten werden wie von Ghizzoni angekündigt, bleibt abzuwarten. Denn Banken können sich EZB-Geld zu einem Prozent leihen – und bei zehnjährigen italienischen oder spanischen Anleihen sehr viel höhere Renditen einstreichen.
Geldhäuser in Schwierigkeiten
Allerdings: Seit private Gläubiger bei Griechenland zur Kasse gebeten wurden und milliardenschwere Abschreibungen anfielen, haben europäische Staatsanleihen ihren Status als sichere Anlageklasse verloren. Weitere Belastungen sind kaum kalkulierbar, möglicherweise müssen die Bonds künftig sogar mit Eigenkapital unterlegt werden. "Wenn dich die Investoren ständig fragen, was du in Deinen Büchern hast, und der Vorstand eher will, dass du die Anleihe-Bestände runterfährst, dann ziehen wirtschaftliche Argumente nicht mehr", sagt ein Finanzexperte von einem der größten europäischen Geldhäuser.
Hinzu kommt, dass viele Banken selbst in größter Refinanzierungsnot stecken, da sie sich aus eigener Kraft kaum mehr frische Mittel verschaffen können. Europas Geldhäuser müssen im neuen Jahr 725 Mio. Euro refinanzieren. "Besonders im ersten Quartal wird es bei der Refinanzierung eng werden", warnte in dieser Woche EZB-Präsident Mario Draghi. Bei großen Namen wie Unicredit, BNP Paribas, oder HSBC werden jeweils Schulden über 30 Mrd. Euro und mehr fällig, wie die Analysten von Nomura unlängst vorrechneten.
Gewaltige Summen - da sei sich jeder selbst der Nächste, sagen viele Banker hinter vorgehaltener Hand. "Die Häuser brauchen die EZB-Liquidität, um ihre eigene Refinanzierung im nächsten Jahr durchzustehen. Genau dahin wird das Geld fließen", meint der Kapitalmarktchef einer europäischen Großbank. Dass die Institute ihre Staatsanleihen-Bestände ausbauen, sei reines Wunschdenken der Politik. Die Reduzierung der Bestände sei in vollem Gange. "Die Banken müssen Bilanzen kürzen. Wer jetzt aufstockt, der stürzt sich nur noch tiefer in die Krise."
Fonds in den Startlöchern
Ob die großen internationalen Fondsgesellschaften die Euro-Staaten am Ende retten können, ist ungewiss. Auf der Suche nach satten Renditen für ihre Kunden stehen manche Häuser aber schon wieder in den Startlöchern für Peripherie-Bonds, da deutsche und britische Papiere kaum noch etwas abwerfen. Das machte unlängst etwa die Deutsche-Bank-Tochter DWS klar. Und auch State Street Global Advisors denkt ähnlich, wie der oberste Anleiheexperte Kevin Anderson betont. Bei Italien-Anleihen greife er schon wieder zu, bei Spanien-Bonds stehe er kurz davor. "Die Bewertungen sind da jetzt sehr viel interessanter."
Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa