Drama um Schlecker Stuttgart startet letzten Versuch
28.03.2012, 22:13 Uhr
(Foto: dpa)
Baden-Württemberg lässt beim Ringen um die Schlecker-Transfergesellschaften nicht locker. Wirtschaftsminister Schmid soll nun von den anderen Ländern 45 Millionen Euro einsammeln. Der SPD-Politiker hat dafür allerdings nur Zeit bis Donnerstag 8 Uhr. Ist Schmid erfolgreich, dann schießt Stuttgart 70 Millionen Euro vor.
Baden-Württemberg unternimmt einen letzten Rettungsversuch für Schlecker-Transfergesellschaften. Der Landtagsfinanz- und Wirtschaftsausschuss beschloss, dass Wirtschaftsminister Nils Schmid bis 8.00 Uhr am Donnerstagmorgen 45 Millionen Euro an Bürgschaftszusagen für eine Auffanglösung zugunsten der insolventen Drogeriekette bei anderen Bundesländern einsammeln soll.
"Wir werden eine Nachtschicht einlegen", sagte der SPD-Politiker. In dieser wolle er 13 Länder zu Zusagen bewegen. Die schwarz-gelben Landesregierungen in Sachsen und Niedersachsen hatten erklärt, definitiv nicht mitzumachen.
Sollte Schmids Werben Erfolg haben, würde Baden-Württemberg für die notwendige Garantie von 70 Millionen Euro in Vorleistung treten. Sollte das nicht gelingen, bliebe es bei dem Aus für etwa 11.000 Schlecker-Beschäftigte. Sie stünden bis Ende der Woche auf der Straße. Schmid erklärte, er bedauere, dass der Beschluss des Ausschusses den Schlecker-Beschäftigten noch nicht die gewünschte Sicherheit bringe.
Schlecker-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz sagte: "Für mich bleibt die Hoffnung, dass die anderen Länder mitziehen." Doch die Zusage brauche er "bis morgen früh um 8.00 Uhr." Andernfalls gingen die Kündigungen an die Betroffenen raus.
Die Bundesländer konnten sich zuvor nach langem Tauziehen nicht auf eine gemeinsame Bürgschaft für den KfW-Kredit für den Aufbau einer solchen Auffanggesellschaft einigen. Eine zwischenzeitlich in Erwägung Drei-Länder-Lösung mit Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen war am Widerstand aus München gescheitert.
Bürgschaft "noch vertretbar"
Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode bezweifelt, dass Schlecker überhaupt eine Zukunft hat. In einem Brief an Schmid bezeichnete er die Umsatzprognosen von Geiwitz als zu optimistisch. Deshalb blieben "im Ergebnis sogar Zweifel, ob der Insolvenzverwalter überhaupt während der Dauer der geplanten Transfergesellschaft den Geschäftsbetrieb aufrecht erhalten kann", so der FDP-Politiker.
Damit drohten auch die als Sicherheit angebotenen Auslandsgesellschaften an Wert zu verlieren. Geiwitz erklärte, die unterschiedlichen Einschätzungen beruhten auf "Interpretationsspielräumen". Die Wirtschaftsprüfungsfirma PwC war in einem Gutachten zu dem Schluss gekommen, dass die Bürgschaft "noch vertretbar" sei.
Abfindung statt Transfer
Zweifel an Transfergesellschaften für Schlecker-Beschäftigte gibt es jedoch nicht nur finanziell: Nach Ansicht des Arbeitsmarktforschers Hilmar Schneider ist der Nutzen solcher Gesellschaften höchst zweifelhaft. Er rät Schlecker-Mitarbeitern daher, lieber eine Abfindung für ihre Kündigung zu akzeptieren: "Es ist ganz eindeutig lukrativer, eine Abfindung anzunehmen", sagte Schneider. Schließlich entfalle der Abfindungsanspruch für all diejenigen, die sich von der Transfergesellschaft weitervermitteln ließen.
Dass Transfergesellschaften gekündigte Arbeitnehmer nicht zwingend besser in einen neuen Job vermitteln als die Bundesagentur für Arbeit, hat Schneider in einer Studie des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) herausgefunden. Ergebnis: "All das, was die Transfergesellschaft macht, kann man bei der Bundesagentur für Arbeit auch haben. Denn wenn es keine Stellen gibt im ländlichen Raum, dann findet die Transfergesellschaft auch keine." In den meisten Fällen seien Transfergesellschaften deshalb "Geldverschwendung". "Da werden öffentliche Gelder schlicht und ergreifend zweckentfremdet."
Transfergesellschaften seien bei Entlassungen im großen Stil ein beliebtes Mittel, um Kosten für Abfindungen zu sparen und lästige Kündigungsprozesse zu vermeiden, sagte Schneider. "Das geht in der Regel relativ geräuschlos. Wenn es um reine Abfindungsverhandlungen geht, kann es sehr konfliktträchtig werden." Auch die Politik habe durch das Modell einen Imagegewinn. "Mit einem Transfermodell kann man auch etwas für die Arbeitslosenstatistik tun. Wenn die Leute in die Transfergesellschaft gehen, sind sie erst einmal beschäftigt und tauchen in der Arbeitslosenstatistik nicht auf."
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi setzt sich dagegen für eine Transfergesellschaft im Beispiel Schlecker ein. Diese ermögliche den Schlecker-Frauen eine verlängerte ökonomische Absicherung. Denn die Frauen erhielten sechs Monate lang 80 Prozent ihres bisherigen Gehaltes, bevor sie Arbeitslosengeld beantragen müssten. Auch gewährleiste eine derartige Übergangslösung eine intensivere Qualifizierung der Frauen, als die Bundesagentur für Arbeit dies bieten könne.
Quelle: ntv.de, dpa/rts