Wirtschaft

Ökonomen-Barometer Talfahrt macht Pause

Nach dem Absturz im laufenden Jahr findet das Ökonomen-Barometer zunächst einen Boden. Allerdings bleibt das Barometer noch unter der Wachstumsschwelle. Die jüngsten Konjunkturdaten geben zwar Anlass zur Hoffnung, die EU-Schuldenkrise ist jedoch noch lange nicht überstanden.

Führende Volkswirte erwarten für das kommende Jahr eine deutliche wirtschaftliche Abkühlung in Deutschland, aber keine Rezession. Das geht aus dem Ökonomen-Barometer von Euro am Sonntag und dem Nachrichtensenders n-tv für den November hervor. Demnach blieb die Einschätzung der aktuellen Lage zuletzt mit 59,6 Punkten gegenüber dem Vormonat nahezu unverändert.

Werte unter 50 signalisieren einen Rückgang der Wirtschaftsleistung.

Werte unter 50 signalisieren einen Rückgang der Wirtschaftsleistung.

Auch der Erwartungswert verharrte mit 47,3 Punkten weitgehend auf dem Niveau der beiden Vormonate. Damit hat sich das Ökonomen-Barometer nach der steilen Talfahrt seit Jahresanfang zuletzt stabilisiert. Allerdings signalisieren Werte unter 50 Punkten eine wirtschaftliche Schrumpfung.

Zur jüngsten Beruhigung dürften die einigermaßen robusten Konjunkturdaten beigetragen haben. So legte der Export im September im Jahresvergleich um 0,5 Prozent auf 95 Mrd. Euro zu. Auch am Arbeitsmarkt ist die Lage bislang noch gut. Im Oktober sank die Arbeitslosenzahl gegenüber dem Vormonat um 59.000 auf 2,74 Millionen und damit auf den niedrigsten Stand seit Oktober 1991. Die gute Beschäftigungslage treibt den Konsum. Angekurbelt von aufwilligen Verbrauchern, wuchs die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal mit einem Plus von 0,5 Prozent unerwartet kräftig. Allerdings wachsen auch die Risiken: "Die Schuldenproblematik legt sich wie Mehltau auf die Konjunktur", warnte etwa der Chef der Wirtschaftsweisen, Wolfgang Franz, vor wenigen Tagen.

Ist das Rettungspaket für Griechenland geeignet, die Finanzmärkte auf Sicht von einem Jahr zu beruhigen?

Ist das Rettungspaket für Griechenland geeignet, die Finanzmärkte auf Sicht von einem Jahr zu beruhigen?

Ungeachtet des unlängst verabschiedeten Rettungspakets für Griechenland erwartet die Mehrheit der befragten Ökonomen keine wesentliche Beruhigung der Finanzmärkte im kommenden Jahr. So erklärten 52 Prozent, auch 2012 werde die Situation an den Finanzmärkten unruhig bleiben, immerhin 40 Prozent sagten dagegen, die Lage werde sich entspannen. Die EU-Pläne sehen unter anderem ein neues milliardenschweres Hilfspaket für Griechenland, eine Aufstockung des Rettungsschirms EFSF, sowie härtere Eigenkapitalanforderungen für Banken vor.

Mit dem verabschiedeten Rettungspaket habe man "wahrscheinlich genug Zeit gekauft, um die nächsten zwölf Monate ohne Kernschmelze an den Finanzmärkten zu überstehen", sagte Prof. Jürgen Kähler von der Uni Erlangen-Nürnberg. Auch Jochen Kurt Hartwig, Leiter der Abteilung Internationale Konjunktur an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich erklärte, das Paket sei "noch nicht das letzte Wort", leiste aber einen "positiven Beitrag". Demgegenüber warnte Prof. Oliver Holtemöller vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), es sei allenfalls "eine vorübergehende Beruhigung zu erwarten". Die grundlegenden Probleme wie die institutionelle Unterbindung übermäßiger Staatsschulden seien noch nicht gelöst. Auch Prof. Ulrich van Suntum von der Uni Münster zeigte sich skeptisch. Das Vertrauen der Finanzmärkte lasse sich nicht dadurch gewinnen, dass die Retter selbst immer höhere Risiken eingingen. "Nur massive und unumkehrbare Reformen in Richtung fiskalischer Solidität könnten dies leisten, aber davon sind wir meilenweit entfernt."

Unterdessen treffen CDU-Pläne zur Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns in Deutschland unter Ökonomen auf überraschend hohe Sympathie. Immerhin 32 Prozent der Volkswirte halten die Initiative für richtig, 58 Prozent lehnen den Vorstoß indes kategorisch ab.

Für das Ökonomen-Barometer wurden vom 8. bis zum 15. November rund 600 Volkswirte in Banken, Forschungseinrichtungen und Wirtschaftsverbänden befragt.

Für das Ökonomen-Barometer wurden vom 8. bis zum 15. November rund 600 Volkswirte in Banken, Forschungseinrichtungen und Wirtschaftsverbänden befragt.

Nach dem auf dem jüngsten Parteitag verabschiedeten Antrag hat sich die CDU für eine "allgemein verbindliche Lohnuntergrenze" für Branchen ausgesprochen, in denen kein tariflich festgelegter Lohn existiert. Die Höhe soll eine Kommission von Arbeitnehmern und Arbeitgebern festlegen. "Die zunehmende Schere von Hoch- und Niedriglohnbeziehern geht zu weit auseinander, um im Sinne einer sozialen Marktwirtschaft noch sozialen Frieden ohne Mindestlohnregulierung sicherzustellen", sagte Prof. Karl Justus Bernhard von der Uni Freiburg. Prof. Stephan Klasen von der Uni Göttingen begrüßte die Pläne ebenfalls: "Wir brauchen -einen Mindestlohn allein schon deshalb, weil Aufstocker im Hartz-IV-System perverse Anreize an Arbeitgeber geben, Löhne zu senken."  

Dagegen warnten viele Experten vor den Folgen für den Arbeitsmarkt. Mindestlöhne vernichteten Arbeitsplätze, erklärte Prof. Wilfried Fuhrmann von der Uni Potsdam. "Entweder fallen dann Jobs weg oder die Schwarzarbeit steigt", sagte auch Prof. Siegfried Franke von der Uni Stuttgart.

Quelle: ntv.de

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