Obermann knöpft sich Amerika vor Telekom bläst zur Aufholjagd
19.01.2011, 14:22 UhrTelekom-Investoren blicken nach New York. Auf einem Investorentag geben Telekom-Chef Obermann und T-Mobile-Chef USA Humm Informationen zur operativen Firmenstrategie für T-Mobile USA. Ziel ist die erfolgreiche Aufholjagd auf die großen Rivalen AT&T und Verizon Wireless.
Rene Obermann hat in seinen vier Jahren auf dem Chefsessel der Deutschen Telekom schon viel geschafft - doch sein Meisterstück hat er noch vor sich: die Sanierung der in Seattle ansässigen US-Tochter. Seit seinem Amtsantritt November 2006 hat er einst zerstrittene Sparten zusammengelegt, Gewerkschafter beruhigt und selbst Bestechungsvorwürfe unbeschadet überstanden. Aber das sind alles Peanuts im Vergleich zu den Problemen in Amerika. Auf dem nach Deutschland wichtigsten Markt laufen der Telekom nicht nur die Kunden davon, in den kommenden Jahren müssen auch noch Milliarden in den Ausbau des Handynetzes investiert werden. Investoren beunruhigt diese böse Mischung schon länger.
Obermann und der neue US-Chef Philipp Humm starten deshalb eine Charmeoffensive: In einem schicken Wolkenkratzer in Manhattan werden sie darlegen, wie sie die angeschlagene Telekom-Tochter T-Mobile USA wieder flottkriegen wollen. Doch hinter den Kulissen dämpfte die Telekom bereits die Erwartungen. "Das wird nicht der große Befreiungsschlag, den manche erwarten", sagt ein Telekom-Vorstand. Den lange erwarteten Durchbruch beim Thema Netzausbau werde Humm bei seinem ersten öffentlichen Auftritt im neuen Job nicht aus dem Hut zaubern. Jedoch werde er neue Ziele festlegen, wo T-Mobile in den nächsten 18 Monate hin wolle, sagt eine mit der US-Strategie vertraute Person. Ein weiterer Punkt: T-Mobile werde künftig wahrscheinlich viel stärker die Qualität des eigenen Netzes betonen und zu einer zentralen Werbebotschaft machen, sagt Commerzbank-Analystin Heike Pauls. Daneben werde die Firma versuchen, mit besonders günstigen Smartphones zu punkten. Allerdings bleibe der Telekom auch nicht viel anderes übrig, da lukrative Vieltelefonierer bereits bei AT&T und Verizon unterschrieben haben - nur dort kriegen sie das iPhone von Apple dazu.
Telekom-Expertin Pauls gibt der neuen Strategie wenig Chancen: "Den Turnaround wird die Telekom damit in den USA nicht hinkriegen."
Vor allem die großen Rivalen AT&T und Verizon Wireless dürfte Humm künftig aggressiver angehen. Einen ersten Marketing-Coup landete T-Mobile bereits vor kurzem. Die Firma erzählt ihren Kunden, dass ihr Netz schneller sei als das der Konkurrenz und das mit dem Begriff "4G" beworben. "4G" steht in der Technologie-Welt eigentlich für neue und superschnelle Übertragungstechniken wie LTE, die aber noch kaum verbreitet sind. Auch T-Mobile arbeitet noch mit herkömmlicher Funktechnik, "3G" genannt. Angespornt von einer neuen Werbekampagne sprangen die Amerikaner trotzdem darauf an. Die Rivalen mussten nachziehen und schmückten sich ebenfalls mit dieser Bezeichnung.
Auf dem einstigen Boommarkt USA kämpft der deutsche Branchenprimus schon seit längerem mit Gegenwind. Als Markt-Vierter tritt T-Mobile USA mit rund 33 Millionen Kunden auf der Stelle, der Gewinn der US-Tochter sinkt. Mit 16 Mrd. Euro erwirtschaftet die Telekom dort ein Viertel ihres Konzernumsatzes.
Teurer Netzausbau
Und die Schwierigkeiten werden in den nächsten Jahren noch viel größer. Nach Ansicht von T-Mobile USA dürfte das eigene Handynetz zwar noch mindestens zwei Jahre für alle erdenklichen Internet-Spielereien auf dem Handy ausreichen, doch spätestens dann muss auf LTE umgestellt werden. Da das in einem so großen Land wie den USA langwierig und teuer ist, muss der Startschuss bald fallen - die Telekom geht intern von 2011 aus.
Um die Kosten zu senken, könnte T-Mobile sich etwa mit Rivalen wie dem drittgrößten Anbieter Sprint zusammentun, der vor ähnlichen Problemen steht. Aber bei einer Partnerschaft werden nicht nur die Kosten, sondern auch der Umsatz geteilt, erläutert ein Telekom-Insider. Deshalb sei diese Lösung nicht so attraktiv. Vielmehr herrsche im Vorstand die Ansicht vor, dass T-Mobile den Ausbau allein stemmen solle. Um aus eigener Kraft zu wachsen, braucht die US-Tochter aber neue Funkfrequenzen. Die hat der Netzbetreiber Clearwire zu bieten und will sie eigentlich auch verkaufen. Doch Rivale Sprint hält die Mehrheit an Clearwire und dürfte kein Interesse daran haben, dem missliebigen Konkurrenten T-Mobile zu helfen.
Eine weitere Option wäre eine Partnerschaft mit dem US-Hedgefonds Harbinger. Dessen Chef Philip Falcone hält die Telefonbranche seit einiger Zeit mit seinen Plänen für ein vollkommen neues US-Hochgeschwindigkeitsnetz in Atem, für das er zwei Mrd. Dollar eingesammelt hat und noch weitere sechs Milliarden Dollar braucht. Ein Einstieg wäre riskant, sagt Pauls. "Wenn das schiefgeht, ist T-Mobile gelackmeiert."
Und zu viel Geld darf die Telekom ohnehin nicht ausgeben. Sie hat ihren Aktionären schließlich eine Mindest-Dividende versprochen bis 2012. Rene Obermann muss bei seinem Meisterstück auf Vieles achten.
Quelle: ntv.de, rts