Luxusreisen mit dem Stahlkonzern? Thyssen-Vorstand gibt auf
02.12.2012, 13:11 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Im Vorstand bei ThyssenKrupp tut sich eine Lücke auf: Stahl-Manager Claassen zieht sich nach schweren Vorwürfen von seinem Posten zurück. Der Staatsanwalt ermittelt wegen Untreue - ausgerechnet gegen die Führungskraft, die bei dem Dax-Konzern die Einhaltung der guten Unternehmensführung überwachen soll.

Hier sitzen die Mitglieder des Vorstands noch gemeinsam auf dem Podium: Heinrich Hiesinger, Guido Kerkhoff, Jürgen Classen (v.l., Archivbild).
(Foto: © ThyssenKrupp AG)
Der Druck von allen Seiten war offenbar zu groß: Der seit Wochen wegen angeblicher Luxusreisen in der Kritik stehende ThyssenKrupp-Vorstand Jürgen Claassen gibt seine Position auf. Der Manager habe den Aufsichtsrat gebeten, ihn "bis auf Weiteres" von seinen Aufgaben zu entbinden, teilte der Konzern am Wochenende mit.
Der Aufsichtsrat werde darüber in seiner Sitzung am 10. Dezember entscheiden, hieß es in einer knapp gehaltenen Mitteilung. Claassen selbst wollte sich darüber hinaus nicht zu den Vorwürfen äußern. Der frühere Kommunikationschef des Mischkonzerns und langjährige Vertraute von Aufsichtsratschef Gerhard Cromme soll Presseberichten zufolge Journalisten zu Luxusreisen eingeladen haben, deren geschätzter Wert zum Teil bei 15.000 Euro lag. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen wegen Untreue gegen ihn eingeleitet.
Claassen war zuletzt wegen luxuriöser Reisen in die USA verstärkt unter Druck geraten, die er Berichten zufolge von seinem Arbeitgeber finanzieren ließ, obwohl sie nicht vornehmlich dienstlich waren. Unter anderem soll Claassen 2010 in Miami die teuerste Suite im Ritz Carlton angemietet und dies dem Konzern in Rechnung gestellt haben, obwohl die Reise vor allem Freizeitcharakter gehabt habe. Weitere Vorwürfe bezogen sich auf teure Auslandsreisen für Journalisten, die Claassen seinerzeit als Kommunikationschef von ThyssenKrupp finanziert haben soll.
Compliance-Mann unter Druck
In der Mitteilung begründete der 54-Jährige seine Entscheidung mit der Sorge um das Wohl des Unternehmens. "Durch diesen Schritt möchte ich angesichts der derzeitigen öffentlichen Berichterstattung Schaden vom Unternehmen fernhalten, dem ich mich seit über 28 Jahren tief verbunden fühle", ließ er über den Konzern mitteilen. Offiziell bleibt er zumindest bis zur Sitzung des Aufsichtsrats am Montag in einer Woche im Amt.
Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler Claassen arbeitete seit 1985 in verschiedenen ranghohen Funktionen zunächst im Krupp-Konzern. Nach der Fusion mit Thyssen im Jahr 1999 setzte er seine Karriere dort fort. Besonders pikant: Als Vorstandsmitglied ist Claassen seit 2011 unter anderem für den Bereich Compliance verantwortlich, also für die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften und die konzerninterne Umsetzung der Prinzipien einer guten Unternehmensführung. Claassen ist ein langjähriger Weggefährte von ThyssenKrupp-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme.
Ein Konzern auf falschem Fuß
ThyssenKrupp hatte nach den ersten Vorwürfen im November noch die Bedeutung von Pressereisen betont. "Pressereisen sind bei ThyssenKrupp - wie bei vielen anderen großen Unternehmen auch - ein wichtiges Element der Medienarbeit", hieß es vor rund drei Wochen. Pressereisen würden "intern und extern transparent im Einklang sowohl mit unseren internen Regularien als auch mit den einschlägigen Rechtsvorschriften" durchgeführt. Inzwischen hat der Konzern selbst eine interne Untersuchung der Vorwürfe im Zusammenhang mit den Reisen des Vorstands angestoßen.
Der Fall Claassen kommt für den größten deutschen Stahlkonzern zur Unzeit, so dass Cromme und Vorstandschef Heinrich Hiesinger rasch Klarheit in der Frage anstreben dürften. Der Konzern kämpft noch mit den Folgen seiner jahrelangen Teilnahme an verbotenen Preisabsprachen von Schienenherstellern. Hier drohen hohe Schadenersatzforderungen der Deutschen Bahn und kommunaler Verkehrsbetriebe. Mitarbeiter der Tochter GfT Bautechnik sollen zudem in Osteuropa unsauber gearbeitet haben. Wegen des Verdachts auf Untreue hat ThyssenKrupp deshalb die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.
Der große Tag rückt näher
Auf seiner Sitzung am 10. Dezember soll sich der Aufsichtsrat auch mit dem Jahresabschluss des Geschäftsjahres 2011/12 (per Ende September) befassen. Dieser wird einen Tag später auf einer Pressekonferenz in Essen präsentiert, bei der Claassen in der Vergangenheit stets dabei war.
Für das Geschäftsjahr werden in dem amerikanischen Stahlgeschäft hohe Verluste erwartet. Hiesinger sucht für die Sparte mit den neuen Werken in Brasilien und den USA händeringend nach Käufern, um die hohen Schulden des Konzerns zu drücken.
Quelle: ntv.de, AFP/rts