Das Glas ist (wieder) halb voll "Troika" macht Athen Hoffnung
20.09.2011, 23:00 Uhr
Griechenlands Finanzminister Venizelos ist zu harten Einschnitten bereit.
(Foto: picture alliance / dpa)
Während eine Ratingagentur die Pleite Griechenlands erwartet, kämpft Athen verbissen um die Freigabe von Milliardenhilfen - und erzielt diesbezüglich zumindest einen Teilerfolg: Die Vertreter von EU-Kommission, EZB und IWF kehren nach Athen zurück.
Griechenland darf weiter auf neue Finanzhilfen der anderen Euro-Staaten hoffen. Die Experten der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalem Währungsfonds (IWF) werden Anfang kommender Woche wieder nach Athen zurückkehren. Dies wurde nach einer Telefonkonferenz der sogenannten "Troika" mit dem griechischen Finanzminister Evangelos Venizelos von der EU-Kommission mitgeteilt.
Bei den telefonischen Beratungen der Experten seien "gute Fortschritte" gemacht worden, hieß es in der Mitteilung. Die Missionschefs der drei Institutionen würden über die Einhaltung der griechischen Versprechen für eine Sanierung der Staatsfinanzen und über die dafür notwendigen politischen Entscheidungen sprechen, hieß es. Schon in den kommenden Tagen werde es "technische Diskussionen" in Athen geben.
Erklärung am Mittwoch
Der Sprecher des griechischen Finanzministeriums kündigte an, nach dem neuerlichen Telefonat mit der Troika werde die Regierung voraussichtlich am Mittwoch zu einer Kabinettssitzung zusammenkommen und danach eine Erklärung abgeben.
Ein positiver Bericht der Troika über die Athener Budgetsanierung ist Vorbedingung für die Auszahlung der nächsten Kredittranche von 8 Mrd. Euro aus dem alten Hilfsprogramm von 110 Mrd. Euro.
Fitch schürt Ängste
Derweil rechnet die Ratingagentur Fitch fest mit einer Pleite Griechenlands. Dennoch sei zu erwarten, dass der hoch verschuldete Staat in der Eurozone bleibt, schrieb David Riley, zuständig für die staatliche Bonitätseinstufungen bei Fitch in einem Kommentar.
Die Sorge, dass die Eurozone auseinanderbrechen könnte, hält die Ratingagentur für weit übertrieben. Sie erwartet auch nicht, dass der Zusammenbruch von Finanzinstituten zugelassen wird, die für das Finanzsystem wichtig sind.
Riskanter Präzedenzfall
Ein Euro-Abschied Griechenlands wäre ökonomisch widersinnig, erklärte Riley. Falls das Land mit Einverständnis der Partner (weil es anders nicht ginge und vorgesehen sei) austrete, dann werde dadurch nur ein riskanter Präzedenzfall geschaffen. Denn auch die Glaubwürdigkeit anderer Staaten, in der Eurozone zu bleiben, werde untergraben. Andere Euro-Krisenländer würden dann schneller der Gefahr der Kapitalflucht ausgesetzt, das Risiko einer Staatschulden- und Bankenkrise würde extrem steigen.
Athen dementierte Gerüchte, wonach in dem hoch verschuldeten Land ein Referendum über den Verbleib Griechenlands im Euroland geplant sei. "Die Beteiligung Griechenlands an der Eurozone und dem Euro ist eine unwiderrufliche und fundamentale nationale Entscheidung", erklärte der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos. Venizelos bestritt, dass Griechenland ein zentrales Problem der Eurozone darstellt, dazu habe das Land nicht die Größe. Die Probleme, die das Land in der Eurozone verursacht habe, werde Griechenland mit der Umsetzung seines Spar- und Reformprogramms wieder gut machen. "Dazu sind wir entschlossen", sagte Venizelos.
Sparen muss sein
Athen will den aufgeblähten Staatsapparat drastisch verkleinern. Die Zahl der Staatsbediensteten soll sich im Vergleich zu 2009 um 50.000 sofort und um weitere 100.000 bis 2015 verringern. 117 Betriebe, die vom Staatshaushalt unterstützt werden, sollen sobald wie möglich schließen. Im Staatssektor arbeiten nach letzten offiziellen Angaben über 700.000 Staatsbedienstete, hinzu kommen rund 200.000 Mitarbeiter in staatlichen subventionierten Unternehmen wie dem Fernsehen oder der Elektrizitätsversorgung.
Neue Streikwelle droht
Bereits für diesen Donnerstag kündigten die Gewerkschaften der Bahnen von Athen einen 24-stündigen Streik an. Sämtliche U-Bahnen, S-Bahnen und Straßenbahnen von Athen sollen für 24 Stunden bestreikt werden. Auch diese Gewerkschaften protestieren gegen eine bevorstehende Entlassungswelle.
Seit 1911 aber können Beamte in Griechenland nicht entlassen werden. So steht es in der Verfassung. Die sozialistische Regierung unter Ministerpräsident Papandreou will sich aber auf einen Satz zum Status der Beamten berufen, in dem es heißt: "Sie sind unkündbar, solange ihr Plan-Arbeitsplatz oder ihre Behörde existiert." Mit der Schließung von Behörden könnte die Entlassung aber ermöglicht werden, hieß es von Beobachtern.
Kleine Summen mit großer Wirkung
Zentrale weitere Maßnahme für die Sanierung der Staatsfinanzen soll die bereits angekündigte Immobilien-Sondersteuer sein. Demnach soll jeder Grieche, der eine Wohnung oder ein Haus besitzt, in diesem und im kommenden Jahr eine Abgabe zwischen 50 Cent und 16 Euro pro Quadratmeter zahlen - je nach Wert der Immobilie. Auch Renten sollen weiter gekürzt werden, hieß es.
Rainer Brüderle, FDP-Bundestagsfraktionschef, forderte Griechenland indes auf, mehr europäische Fördergelder abzurufen: "Die Griechen haben nur 30 Prozent der Fördergelder für Regionalentwicklung, Straßenbau und Infrastruktur abgerufen. Sie sind offenbar nicht in der Lage die Anträge auf den Weg zu bringen", sagte er in "Das Duell" bei n-tv. "Geld ist da, aber mehr als hinstellen kann man ja nicht -sie müssen es auch wirklich nehmen."
Etwas Ruhe an den Märkten
Griechenland beschafft sich unterdessen weiter kleinere Summen auf dem Finanzmarkt. Am Dienstag wurden nach Angaben des Finanzministeriums 1,625 Mrd. Euro mit einer Laufzeit von 13 Wochen aufgenommen. Der Zinssatz beträgt 4,56 Prozent; leicht höher als im August dieses Jahres, als Griechenland sich eine ähnliche Summe lieh (damals zu 4,50 Prozent). Griechenland braucht dringend auch diese kleinere Summen - dies reicht aber nicht, um die Schulden abzubauen. Es ginge vielmehr darum, die Märkte zu testen, erklärten Beobachter.
Indes hat die Aussicht auf baldige Klarheit im Fall Griechenlands die europäischen Märkte ins Plus gezogen. Der Deutsche Aktienindex Dax in Frankfurt schloss mit einem Plus von 2,9 Prozent. Die Herabstufung Italiens durch die Rating-Agentur S&P löste bei den Anlegern keine Panik aus.
Dennoch stellt sich wegen der Hängepartie um Griechenland und die Entwicklung in anderen Schuldenstaaten wie Italien bislang keine nachhaltige Beruhigung an den Märkten ein. Die anhaltend hohe Nachfrage nach den als sicher geltenden Bundesanleihen spiegelte dies wider. Der richtungsweisende Bund-Future gewann 26 Ticks auf 137,69 Zähler. "Die Glaskugel war noch nie so unzuverlässig wie heute", brachte ein Händler die Ratlosigkeit vieler seiner Kollegen auf den Punkt.
Quelle: ntv.de, bad/dpa/rts