Wirtschaft

Exportsünder Deutschland? Überschüsse verärgern die Eurozone

Sündigt Deutschland schwer?

Sündigt Deutschland schwer?

(Foto: picture alliance / dpa)

Deutschland bekommt Ärger aus Brüssel. Die hohen Exportüberschüsse sind der EU-Kommission ein Dorn im Auge. Hierzulande stößt die Kritik weitgehend auf Unverständnis. Dabei hat die Behörde nicht ganz Unrecht.

Deutschland ist stolz auf seine Exportstärke und sieht sich als Erfolgsmodell und Vorbild für andere Staaten der Eurozone. Dort aber kommt das Selbstbewusstsein nicht überall gut an. Denn während hier die Konjunktur brummt, herrschen anderswo seit Jahren Wirtschaftsschwäche und hohe Arbeitslosigkeit. Das sei zwar bedauerlich, heißt es in Deutschland häufig. "Aber für eure Probleme können wir nichts. Dafür seid ihr verantwortlich."

Und nun das: Die Europäische Kommission wird den deutschen Exportüberschuss vertieft untersuchen. Ein Verfahren wegen wirtschaftlicher Ungleichgewichte ist damit noch nicht eröffnet; das droht frühestens im kommenden Jahr. Die Kommission prüft, ob die deutsche Wirtschaft zu einseitig auf Exporte ausgerichtet ist – und damit mitverantwortlich für die großen Schwierigkeiten der schwächelnden Euro-Länder.

Das löst in Deutschland heftiges Kopfschütteln aus. "Müssen wir uns jetzt für unsere Exporte rechtfertigen?" wird verblüfft oder verärgert gefragt. Die anderen seien doch nur neidisch auf unseren Erfolg. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht.

Mehr Importe gewünscht

Denn die EU-Kommission wirft Deutschland gar nicht vor, zu viel zu exportieren. Aus Sicht Brüssels soll die größte Volkswirtschaft der Eurozone nicht weniger ausführen, sondern schlichtweg mehr importieren. Die Behörde sieht Handlungsbedarf, weil die Leistungsbilanz der Bundesrepublik - sie erfasst die Waren-, Dienstleistungs- und Finanzströme - einen sehr hohen Überschuss ausweist. In den vergangenen drei Jahren lag er bei mehr als sechs Prozent und damit über der in der Eurozone erlaubten Schwelle.

Nach Auffassung der Kommission haben die Ungleichgewichte damit ein Niveau erreicht, das problematisch ist – und auf Dauer nicht funktioniert. Denn die Überschüsse Deutschlands sind die Defizite der anderen. Die Exportüberschüsse führen dazu, dass sich die Handelspartner immer weiter verschulden.

In Deutschland wird argumentiert, die anderen Euroländer müssten wettbewerbsfähiger werden, um das zu ändern. Wenn dort die Arbeitskosten sinken, werden die Produkte konkurrenzfähiger - und die Exporte steigen.

Wirtschaft ist geschrumpft

Genau diese Exportfixierung wird den Deutschen vorgeworfen. Schon rein mathematisch sei es schließlich nicht möglich, dass jedes Land Überschüsse erwirtschafte. An der deutschen Position wird kritisiert, dass Volkswirtschaften mit Unternehmen gleichgesetzt werden. Es gehe eben nicht darum, sich gegenseitig Marktanteile abzujagen. Das mache den Währungsraum insgesamt ärmer. Stattdessen müsse der internationale Handel so organisiert werden, dass alle davon profitieren - der Kuchen also größer und nicht kleiner wird. Und das heißt vor allem: die Leistungsbilanzen sollten sich mehr oder weniger ausgleichen.

Derzeit liegt die Wirtschaftsleistung der Eurozone noch immer unter dem Vorkrisenniveau, das heißt: Insgesamt ist der Wohlstand geschrumpft – auch wenn das in Deutschland nicht der Fall ist. Schuldenberge und Sparpolitik haben dazu geführt, dass die Nachfrage in den Krisenländern stark gesunken ist. Nun suchen sie ebenfalls ihr Glück im Export und probieren auf diese Weise wieder auf die Beine zu kommen. Ein Wettlauf hat begonnen, wer billiger produzieren kann. Für wachsenden Wohlstand sorgt das nicht gerade.

Das Gegenteil ist der Fall. Schon taucht das Schreckgespenst der Deflation auf - die verhängnisvolle Spirale aus sinkenden Preisen und schrumpfender Wirtschaft. Anlass zu Besorgnis gibt es durchaus: Die Inflationsrate liegt in der Eurozone bei lediglich 0,7 Prozent. Die Europäische Zentralbank sieht dringenden Handlungsbedarf und senkte den Leitzins jüngst auf ein Rekordtief.

Deutschland unternimmt aus Sicht der EU-Kommission vor diesem Hintergrund viel zu wenig, um die Binnennachfrage und den Konsum anzukurbeln und damit insgesamt für mehr Wachstum zu sorgen. Demnach wäre bereits viel erreicht, wenn die Erlöse aus dem Exportboom nicht gespart, sondern investiert würden - beispielsweise in die Infrastruktur. Unter dem Strich würde davon die gesamte Eurozone profitieren, auch Deutschland.

Quelle: ntv.de

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