Wirtschaft

Als die Finanzmärkte Feuer fingen Urteil im Fall IKB

Stefan Ortseifen war Chef der IKB, als diese zum Milliardengrab wurde und die weltweite Finanzkrise damit Deutschland erreichte. Vor Gericht beteuerte er seine Unschuld. Nun wird das Urteil verkündet.

Stefan Ortseifen beteuerte vor Gericht stets seine Unschuld.

Stefan Ortseifen beteuerte vor Gericht stets seine Unschuld.

(Foto: dpa)

Zum ersten Mal droht einem deutschen Spitzenbanker vor Gericht eine Verurteilung im Zusammenhang mit der weltweiten Finanzkrise. Am 14. Juli wird das Landgericht Düsseldorf über den ehemaligen Chef der IKB-Bank, Stefan Ortseifen (59), richten. Der Absturz des Düsseldorfer Geldhauses kam den Steuerzahler teuer zu stehen: Mit rund zehn Milliarden Euro war der Kollaps der Mittelstandsbank in letzter Minute vereitelt worden, um einen Flächenbrand auf dem deutschen Finanzmarkt im Keim zu ersticken.

Die älteren Herrschaften unter den Zuschauern im Gerichtssaal verstanden die Welt nicht mehr und bedrängten den Staatsanwalt. Der hatte gerade zehn Monate Haft auf Bewährung für Ortseifen beantragt. Zehn Monate für zehn Milliarden Euro verbrannten Steuergeldes - "unglaublich", findet mancher Zuschauer. Doch Ortseifen wird nicht vorgeworfen, das Geld veruntreut zu haben. Er soll die Lage der Bank irreführend geschönt haben, als ihm das Wasser bereits bis zum Hals stand. Dies wäre eine strafbare Marktmanipulation.

Hinterher ist man immer klüger

Schon beim Prozessauftakt im März hatte Ortseifen wortreich seine Unschuld beteuert. Zum Zeitpunkt seiner Pressemitteilung vom 20. Juli 2007, die ihm nun zum Verhängnis zu werden droht, habe er keine anderen Informationen gehabt, als in der Mitteilung angegeben. Gerüchte über ein Milliardenloch bei der IKB habe er für falsch gehalten.

Dass dies eine "kollektive Fehleinschätzung" war, habe er damals nicht wissen können. Getreu dem Motto: Hinterher ist man immer klüger. Mit der dramatischen Schieflage der IKB hatte die Finanzkrise vor drei Jahren endgültig und für alle sichtbar Deutschland erreicht. Doch erst wenige Wochen zuvor soll bei einer Aufsichtsratssitzung der IKB erstmals das Wort "Subprime" gefallen sein, obwohl sich strukturierte Wertpapiere mit Subprime-Anteilen in Milliardenhöhe bei der IKB häuften. Subprime-Papiere, zweitklassige US- Immobilienkredite, spielen eine Hauptrolle bei der Finanzkrise.

Druck der Ratingagenturen

Der Prozess hat aber auch die fragwürdige Rolle der Ratingagenturen beleuchtet. Schon in den 1990er Jahren hatten sie die IKB bedrängt, nicht bloß auf die Finanzierung mittelständischer Unternehmen zu setzen und sogar mit Abstufung des IKB-Ratings gedroht - fatal für eine Bank. Bis dahin hatte die IKB-Aktie als "Witwen- und Waisenpapier" gegolten: Konservativ, mäßige Rendite, grundsolide.

Die IKB vertraute bei Investments in strukturierte Wertpapiere dem Urteil der Ratingagenturen.

Die IKB vertraute bei Investments in strukturierte Wertpapiere dem Urteil der Ratingagenturen.

(Foto: AP)

Doch dann wagten sich die Banker, getrieben von den Ratingagenturen ,auf für sie völlig neue Geschäftsfelder. In Zweckgesellschaften legten sie Milliarden in strukturierten Wertpapieren an. Dabei vertrauten sie wiederum den Ratingagenturen - auch noch, als sich mit dem Platzen der Immobilienblase in den USA dunkle Wolken auf der anderen Seite des Atlantiks zusammenbrauten.

Doch Ortseifen beruhigte seine Eigentümer, schlug Hilfe aus, verwies auch dann noch auf die exzellenten Ratings seiner Papiere, als sie an der Wall Street in New York hinter vorgehaltener Hand längst als "Giftmüll" tituliert wurden und man dort über die "Idioten" in Düsseldorf lästerte. Den Hedgefonds zuliebe sollen die Investmentbanken sogar besonders üble Mixturen nach Düsseldorf verkauft haben, damit die mächtigen Fondsmanager gefahrlos gegen die IKB wetten konnten.

Gericht zweifelt an Unschuld

Doch als Idiot möchte Ortseifen wohl nicht in die Geschichte eingehen. Sein Verteidiger Rainer Hamm präsentierte den Bank-Manager daher als "kompetenten Sachverständigen in eigener Sache". Die drohende erste Abwertungswelle von Subprime-Papieren sei schließlich noch nicht bedrohlich gewesen. Dass sich die milliardenschweren Investments binnen vier Monaten von Top-Anlagen in wertlosen Ramsch verwandelten, hatten die Stress-Szenarien der IKB allerdings nicht berücksichtigt.

In einer Zwischenbilanz hatte das Landgericht Ortseifen bereits als schuldig eingestuft. So rosig wie in der Pressemitteilung hatte sich die Lage am 20. Juli 2007 für Ortseifen dann wohl doch nicht dargestellt. Seither hat die Kammer unter Vorsitz von Richterin Brigitte Koppenhöfer nicht erkennen lassen, es sich anders überlegt zu haben.

Quelle: ntv.de, dpa

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