Der Krisenkurs der EZB Volkswirte zum Zinsentscheid
06.05.2010, 16:50 UhrDer Leitzins im Euro-Raum bleibt auf historisch niedrigem Niveau: Trichets Ausführungen zur Geldpolitik finden dennoch viel Aufmerksamkeit. Analysten und Ökonomen suchen nach Hinweisen auf das weitere Vorgehen in der Schuldenkrise.
Im Anschluss an die turnusmäßige Ratssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB), zu der die Währungshüter diesmal in Lissabon zusammengekommen waren, hat sich EZB-Präsident Jean-Claude Trichet auch zum Umgang der Euro-Zone mit Griechenland, zu den Auswirkungen auf die Währungsgemeinschaft und die künftige Zinsentwicklung geäußert.
Den für das Zinsniveau im Euro-Raum maßgeblichen Leitzins beließen die Zentralbanker wie erwartet auf dem Rekordtief von 1,0 Prozent. Der wichtigste Zins zur Versorgung der Kreditwirtschaft mit Zentralbankgeld verharrt seit Mai 2009 auf diesem Niveau. In ihren ersten Reaktionen versuchten die professionellen Beobachter in den volkswirtschaftlichen Abteilungen deutscher Geldinstitute, das Themenknäuel zu entwirren.
"Die Märkte schauen in der Krise natürlich verstärkt auf die die EZB. Ich glaube nicht, dass die EZB jetzt Entscheidungen treffen wird, sondern dem Primat der Politik und des IWF folgt", fasste Ulrich Kater, Chefvolkswirt bei der Dekabank, seine Einschätzung der Lage zusammen. "Den Ankauf griechischer Anleihen durch die EZB halte ich für die Ultima Ratio. Das wird nur geschehen, falls auf anderem Wege keine Eindämmung der Schuldenkrise erreicht werden kann."
Ein solcher Schritt brächte eine Reihe von Problemen mit sich, meinte Kater. Bevor die EZB zu diesem "letzten Mittel" greife, blieben ihr noch eine Reihe anderer Möglichkeiten. "Gegenwärtig gibt es noch keinen Konflikt zwischen einem Inflationsdruck und den Versuchen einer Marktstabilisierung. Ob die Inflation tatsächlich kommt, hängt von den Entscheidungen in den kommenden Jahren ab."
Sein Kollege Uwe Angenendt von der BHF Bank sagte: "Was Trichet in seinem Eingangsstatement gesagt hat, ist weitgehend identisch mit dem, was in den vergangenen Wochen gesagt wurde - mit der Ausnahme, dass die Unsicherheit zugenommen habe. Damit wurde die Lage an den Finanzmärkten berücksichtigt. Die Aussagen zeigen, dass die EZB nicht hastig auf die Krise reagieren will."
Auch Helaba-Ökonom Ralf Umlauf bestätigte die Einschätzung, dass die Euro-Notenbank den Eindruck hektischer Reaktionen vermeiden will. "Wie zu erwarten war, zeigte sich der EZB-Chef zurückhaltend bezüglich der Konjunkturentwicklung. Und so ist dies als Signal für ein Abwarten der EZB zu interpretieren." Eine Erhöhung des EZB-Leitzinses sei "auf absehbare Zeit nicht" zu erwarten, sagte Umlauf. "Die Entwicklungen der Rohstoffpreise wurden jedoch stärker betont als zuletzt."
Wichtiger als das seien allerdings die Einschätzungen "zur Peripherie-Krise" gewesen, betonte der Helaba-Experte. "Trichet forderte eine strikte Konsolidierungspolitik bei den öffentlichen Finanzen sowie Strukturreformen." Der Ankauf von Staatsanleihen Griechenlands sei nicht diskutiert worden, "genauso wenig wie das Zulassen eines Defaults". Trichet zeigte sich nach Einschätzung von Umlauf überzeugt davon, dass "Griechenland nicht zahlungsunfähig wird."
Quelle: ntv.de, dpa/rts