Wirbel am Nutzfahrzeug-Markt Volvo vor Talfahrt, VW gibt Gas
06.02.2014, 17:35 Uhr
Volvo Trucks rechnet mit einem schwächeren Jahr, tausende Jobs werden gestrichen.
(Foto: Volvo Trucks)
Der kurze Höhenflug bei Volvo scheint bereits zu Ende. Der Lkw- und Busbauer kündigt den Abbau tausender Jobs an. Gleichzeitig versucht Volkswagen, in die Allianz mit Scania neuen Schwung zu bringen, um so den Markt aufzurollen.
Am Nutzfahrzeug-Markt könnte eine Umwälzung bevorstehen. So häufen sich Spekulationen über höhere Scania-Beteiligung von Volkswagen. Der Konzern will so neuen Schwung in die Lkw-Allianz bringen. Gleichzeitig fährt Volvo nach einem kurzen Höhenflug wieder in die Krise.
Der schwedische Lastwagenbauer will mit 4400 Arbeitsplätzen mehr als doppelt so viele Stellen abbauen wie bislang bekannt. Das berichtete das Unternehmen. Vor allem Büroangestellte und Berater müssten schon im Lauf dieses Jahres gehen, hieß es. Die Kündigungen beträfen nicht nur Schweden. Details gab der Lkw-Bauer aber noch nicht bekannt. Zuvor hatte Volvo im Zuge seines Sparprogramms gegen die Flaute auf den Lkw-Märkten den Wegfall von 2000 Stellen angekündigt. Der Nutzfahrzeugbauer hatte nach eigenen Angaben Ende Dezember 95.500 Mitarbeiter.
Kurzzeitiges Umsatzplus
Die ohnehin schon schwierige Lage in Europas Lastwagenfabriken verschärfte sich Anfang des Jahres für den Nutzfahrzeugbauer, als eine strengere Abgasnorm für schwere Brummis in Kraft trat. Weil diese die Fahrzeuge wesentlich teurer macht, hatten sich die Spediteure vor dem Jahreswechsel mit Lastwagen eingedeckt.
Im vierten Quartal ließ das den Umsatz bei Volvo kurz nach oben schnellen: Er kletterte von 70,8 Milliarden schwedischen Kronen im Vorjahreszeitraum auf 76,6 Milliarden (rund 8,7 Milliarden Euro). Nach dem kurzen Hoch befürchten die Bauer aber nun eine neue Talfahrt, weshalb Volvo seine Produktion schon zum Jahresbeginn kürzte.
Die Gewinne des Nutzfahrzeugbauers brachen im vierten Quartal weiter auf 548 Millionen schwedische Kronen ein nach 869 Millionen im Vorjahreszeitraum. Für das ganze Jahr steht unter dem Strich nur etwas mehr als ein Drittel von dem da, was Volvo 2012 verdiente: Der Lkw-Bauer verbuchte 2013 einen Gewinn von 3,8 Milliarden schwedischen Kronen (rund 430 Mio Euro) im Vergleich zu 11,4 Milliarden Kronen im Vorjahr. Der Umsatz sackte leicht auf 272,6 Milliarden Kronen (etwa 30,9 Mrd Euro) ab. Neue Lastwagen und Währungseffekte hätten das Ergebnis negativ beeinflusst, so Volvo.
VW vor Scania-Aufstockung?
Volkswagen will von der vorausgesagten Schwäche des Konkurrenten profitieren und Milliarden in seine Beteiligungen an MAN und Scania gesteckt. Bislang gleichen die Bemühungen um eine Allianz der beiden Töchter jedoch eher der Zähmung von zwei Widerspenstigen. Die von VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech anfangs erhofften Kostenvorteile von einer Milliarde Euro sind in weite Ferne gerückt. Inzwischen begnügt man sich mit deutlich weniger.
Die Unzufriedenheit über mangelnde Fortschritte ist Insidern zufolge so groß, dass nach Wegen gesucht wird, um die Zusammenarbeit zu forcieren. Angeheizt wurden die Spekulationen jüngst durch einen Bericht der schwedischen Zeitung "Dagens Industri" VW erwäge, seinen Anteil an Scania zu erhöhen, um den Einfluss der Minderheitsaktionäre in der schwedischen Firma zurückzudrängen.
Diese haben bei Scania eine starke Stellung, da VW seine Beteiligung "auf Augenhöhe" führen muss. Das heißt, bei Geschäften dürfen die anderen Aktionäre nicht benachteiligt werden. Während Europas größter Autobauer MAN durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bereits an der kurzen Leine hat, existiert eine solche Möglichkeit in Schweden nicht.
Aufstockung kostet Milliarden
Um einen Durchgriff auf alle Aktivitäten zu bekommen, müsste VW bei Scania auf 90 Prozent aufstocken. Dafür müssten die Niedersachsen weitere 27,4 Prozent der Anteile kaufen, was mindestens drei Milliarden Euro kosten würde. Ab einer Schwelle von 90 Prozent kann VW den anderen Anteilseignern ein Pflichtangebot unterbreiten, um Scania ganz unter seine Fittiche zu nehmen. Einschließlich eines zu erwartenden Premiumzuschlags würde die Komplettübernahme nach Berechnungen von Analysten über fünf Milliarden Euro kosten.
VW und MAN halten zusammen bereits 62,6 Prozent des Kapitals und 89,2 Prozent der Stimmrechte von Scania. Leisten könnten sich die Wolfsburger den Zukauf locker: Ende September lag die Nettoliquidität im Kerngeschäft bei 16,6 Milliarden Euro.
Wachsende Opposition der Kleinaktionäre
Analysten bezweifeln allerdings den Sinn einer solchen Transaktion. VW kontrolliere bereits beide Aufsichtsräte und habe ausreichend Einfluss auf das operative Geschäft sowohl von MAN als auch von Scania, argumentiert Arndt Ellinghorst vom Londoner Analysehaus International Strategy & Investment. Es gebe jedoch eine wachsende Opposition der Kleinaktionäre, gibt Ellinghorst zu bedenken. Er sei daher zunehmend überzeugt, dass VW die vollständige Kontrolle über Scania anstrebe - obwohl damit vermutlich mehr Ärger verbunden wäre, als VW recht sein könne.
Die Minderheitsaktionäre, darunter Fonds und Pensionskassen, kritisieren bereits seit längerem die Doppelrolle von VW als Hauptaktionär von Scania und MAN und fürchten Interessenkonflikte. In einer Mitteilung werfen sie den Deutschen vor, den Wert von Scania zu gefährden. Als jüngstes Beispiel prangern sie den Streit um einen Großauftrag des schwedischen und norwegischen Militärs zur Lieferung von Lastwagen an, der schon im Dezember die Wogen hochschlagen ließ.
Den Zuschlag hatte ein Gemeinschaftsunternehmen von Rheinmetall und MAN erhalten, wogegen Scania juristisch zu Felde zog. Erst nach einem Machtwort von Konzernchef Martin Winterkorn zog Scania seine Klage zurück.
"Zuviel Säbelrasseln"
"Aus unserer Sicht gibt es bereits zu viel Säbelrasseln zwischen den beiden Unternehmen", sagt Ellinghorst. Eine Veränderung der Eigentümerstruktur würde die Situation eher verschärfen. Der Autoanalyst rät VW daher zu Geduld. Ein neues Management könne zwar frischen Wind bringen. Weniger sei in diesem Fall aber mehr. Scania und MAN sollten ihre Möglichkeiten zur Zusammenarbeit nutzen und weiter konkurrieren. Das sei schließlich das Erfolgsrezept, mit dem VW als einziger Autobauer der Welt in der Lage sei, zwölf starke Marken zu managen, erinnert Ellinghorst.
Volkswagen will den ehemaligen Daimler-Manager Andreas Renschler möglichst noch in diesem Jahr nach Wolfsburg holen. Von dem früheren Chef der Truck-Sparte des Stuttgarter Konzerns erhofft man sich, dass er die beiden widerspenstigen Lkw-Bauer stärker miteinander verzahnen kann, als dies dem Schweden Leif Östling gelungen ist. Östling, der zuvor Scania-Chef war und anfangs ein erklärter Gegner der Lkw-Allianz, habe versucht, die Zusammenarbeit voranzubringen, dabei den Konflikt jedoch gescheut, sagte eine Person mit Kenntnis der Situation. "Renschler wird stärker auf den Tisch hauen."
Bevor der 55-Jährige bei VW anfangen kann, wird jedoch mindestens ein Jahr vergehen. Zum einen dauert solange die Frist, die er bei einem Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber einhalten muss. Zum anderen wird VW Östling, den man in Wolfsburg schätzt, nicht einfach für die Tür setzen, sondern erst nach einer Übergangszeit die Weichen für einen Wechsel stellen.
Quelle: ntv.de, bad/dpa/rts