Wirtschaft

Ökonomen-Barometer Vom Sparpaket enttäuscht

Deutschlands führende Volkswirte erwarten angesichts der raschen Konjunkturerholung der vergangenen Monate zunächst keine weitere Verbesserung des wirtschaftlichen Umfelds. Das geht aus dem Ökonomen-Barometer von n-tv und €uro am Sonntag hervor.

Von den Tiefstständen Mitte 2009 hat sich das Ökonomen-Barometer erholt, doch jüngst stagniert der Aufwärtstrend.

Von den Tiefstständen Mitte 2009 hat sich das Ökonomen-Barometer erholt, doch jüngst stagniert der Aufwärtstrend.

Die wirtschaftlichen Erwartungen deutscher Ökonomen haben sich im Juni nicht verändert. Der Erwartungswert des Ökonomen-Barometers auf Sicht von sechs bis zwölf Monaten stagnierte bei 49 Punkten. Die Einschätzung der aktuellen Lage stieg zuletzt nur leicht um 2,6 Prozent auf ebenfalls 49 Punkte.

Einer der Hauptgründe für die Zurückhaltung dürften die Sorgen um mögliche, weitere Hilfsmaßnahmen für EU-Länder sein. In den vergangenen Wochen hatte vor allem der Zustand spanischer Großbanken für Spekulationen gesorgt. Die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone leidet besonders stark unter dem Zusammenbruch des einst boomenden Immobilienmarkts.

Schätzungen zufolge drohen den iberischen Banken Abschreibungen auf Hypotheken-Kredite von über 300 Mrd. Euro. Angesichts dessen hatten große Kreditinstitute des Landes zuletzt auch keinen Zugang zum Interbanken-Markt mehr, auf dem sich Banken untereinander Geld leihen. Die spanische Regierung hat bereits ein Hilfspaket von 99 Mrd. Euro geschnürt. Um die Solidität der Geldhäuser nachzuweisen, hatte die spanische Zentralbank zudem die Veröffentlichung von Stresstests angekündigt. Am Donnerstag hatten sich die EU-Staaten auf die Veröffentlichung von Stresstests für die internationalen Großbanken verständigt.

Unterdessen trifft das Sparpaket der Bundesregierung bei der Mehrheit der befragten Ökonomen auf Skepsis. So erklärten 54 Prozent der Volkswirte, die Pläne hätten ihre Erwartungen nicht erfüllt. 44 Prozent sagten, die Erwartungen seien getroffen worden. Um die Vorgaben der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse zu erfüllen, will die Bundesregierung bis 2014 über 80 Mrd. Euro einsparen. Neben Kürzungen beim Kindergeld plant die Koalition dabei unter anderem auch eine Brennelementesteuer für Energiekonzerne.

Für das Ökonomen-Barometer wurden vom 8. bis 16. Juni mehr als 300 Volkswirte in Banken, Unis, Forschungseinrichtungen und Wirtschaftsverbänden befragt.

Für das Ökonomen-Barometer wurden vom 8. bis 16. Juni mehr als 300 Volkswirte in Banken, Unis, Forschungseinrichtungen und Wirtschaftsverbänden befragt.

Viele Einsparmaßnahmen seien jedoch noch nicht "konkretisiert und insofern kaum mehr als Absichtserklärungen", monierte etwa Alfred Boss, Steuerexperte am Institut für Weltwirtschaft (IfW) Kiel. Das Paket der Bundesregierung enthalte "zu viele Abgabenerhöhungen, das Volumen der Einsparmaßnahmen ist zu klein. Finanzhilfen des Bundes werden überhaupt nicht gekürzt, obwohl sie drastisch reduziert werden sollten wie Agrar- oder Kohlesubventionen", sagte Boss. Ähnlich argumentierte auch Prof. Martin Werding von der Uni Bochum. Die beschlosenen Maßnahmen seien "durchaus diskussionswürdig", sagte er. Doch gebe es "überwiegend Ankündigungen" deren Umsetzung und Einsparvolumen unklar sei.

Zudem wiesen zahlreiche Ökonomen darauf hin, dass das Sparpaket nur ein erster Schritt sei. Um die Vorgaben der Schuldenbremse zu erfüllen, müsse "das strukturelle Defizit auch 2015 und 2016 weiter gesenkt werden, " erklärte Volker Hofmann vom Bundesverband deutscher Banken. Dafür seien zusätzliche Konsolidierungsmaßnahmen erforderlich." Dabei werde man "ohne Steuererhöhungen nicht auskommen", sagte Prof. Thomas Apolte von der Uni Münster. Zusätzliche Belastungen drohten aus Hilfszusagen der EU. "Deutschland wird für Kreditausfälle in anderen EU-Staaten mit zur Kasse gebeten", erwartet Prof. Till Requate von der Uni Kiel.

Eine auf die EU begrenzte Bankenabgabe spaltet das Ökonomenlager.

Eine auf die EU begrenzte Bankenabgabe spaltet das Ökonomenlager.

Mit Blick auf die Konsequenzen aus der Finanzkrise sprach sich zudem eine knapp Mehrheit von 48 Prozent dafür aus, eine Bankenabgabe im Notfall zunächst nur innerhalb der EU einzuführen. 42 Prozent der Experten lehnten dies ab. Die Staats- und Regierungschefs hatten sich am Donnerstag in Brüssel auf die Einführung einer Bankenabgabe geeinigt. Der Vorstoss geht auch auf Druck der Bundesregierung zurück. Mit der Bankenabgabe sollen die Kreditinstitute verpflichtet werden, die Kosten der von ihnen verursachten Kosten künftig selbst zu tragen. Man könne mit solchen Projekten "nicht warten, bis die ganze Welt einig ist", sagte Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäsche Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. "Ein europäischer Alleingang ist im Hinblick auf eine moderate Höhe der Bankenabgabe möglich."

Demgegenüber warnte der Leiter Investment Strategy der SEB, Klaus Schrüfer, vor möglichen Wettbewerbsverzerrungen durch nationale Lösungen. Auch Prof. Walter Krämer von Uni Dortmund erklärte, notwendig sei "eine internationale Aktion, andernfalls gibt es Geschäftsverlagerungen in die USA oder nach Asien."

Quelle: ntv.de, Thomas Schmidtutz

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